Wien-Museum: It's a Man's Man's Man's World

Damals! Als alle cool waren, und alle so jung – und so plötzlich echt viel Kohle verdienten: Herbert Brandl, Heimo Zobernig, Peter Pakesch und Franz West (von links nach rechts), 1987.
Damals! Als alle cool waren, und alle so jung – und so plötzlich echt viel Kohle verdienten: Herbert Brandl, Heimo Zobernig, Peter Pakesch und Franz West (von links nach rechts), 1987.(c) Wien-Museum/Didi Sattmann
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Der scheidende Direktor, Wolfgang Kos, arbeitet gemeinsam mit Peter Pakesch seine Sturm-und-Drang-Jahre auf, die Wiener Kunstszene der Achtzigerjahre.

Es ist die letzte Ausstellung, die Wolfgang Kos als Direktor des Wien-Museums verantwortet. Es ist die erste Ausstellung, mit der Peter Pakesch, der gerade als Intendant des Joanneums zurückgetreten ist, um den Lassnig-Nachlass zu verwalten, wieder an seine Vergangenheit anknüpft: als einflussreicher Wiener Galerist in den 1980ern. Diese Geschichte kennen heute vielleicht gar nicht mehr so viele. Wir können also dankbar sein, dass Kos sie mit uns teilt, denn er hat sie hautnah miterlebt, wie ein Foto in der Ausstellung „Ballgasse 6. Galerie Pakesch und die Kunstszene der 80er-Jahre“ zeigt: Da interviewt der junge Radiojournalist den jungen Galeristen im Hörsaal der Angewandten. Darüber hängt eine kleine Zeichnung: „What shall we do with the drunken sailor?“

Mehr muss wohl nicht gesagt werden über das Naheverhältnis. Schuld an den Achtzigerjahren war schließlich die aufkommende Barszene. Mussten die Aktionisten sich noch beim Heurigen antschechern, konnte man das plötzlich an einer schicken Theke in der Innenstadt tun! Das Laufsteg-Setting scheint die Egos der Kunst- und Intellektuellenszene ungeheuer motiviert zu haben. Muss man hinzufügen, dass es, nett ausgedrückt, eine männlich dominierte war? Und das zwei Jahrzehnte nach Aufkommen des Feminismus in den Sechzigern. Weitere drei Jahrzehnte später darf man sich immer noch wundern, denn die Problematik der unsichtbaren Frauen schien weder Kos noch Pakesch bei der Aufarbeitung ihrer gemeinsamen Sturm-und-Drang-Jahre besonders dringlich gewesen zu sein. War halt so.

Manchmal wäre man lieber Pressekonferenz- als Ausstellungskritikerin, das wäre vielleicht für die Leserschaft lustiger. Soziologisch betrachtet. Kos/Pakesch, was für ein (langatmiges) Remake! Jetzt aber zu der entzückenden, dichten Archivausstellung einer Szene, die heute wie damals den Genieverdacht gegen sich selbst hegt. Damals! Als der Martin Kippenberger von Bar zu Bar zog und alle anpöbelte. Als jeder Maler noch in einer Band spielte, bei der das Dilettantentum bis zum Umfallen zelebriert wurde. Bumm.

Aus der Ballgasse in die weite Welt

Damals! Als alle cool waren, und alle so jung – und so plötzlich echt viel Kohle verdienten. Die „Neuen Wilden“: Scheibl, Brandl, Rockenschaub, Zitko. Die Konzeptuellen: West und Zobernig. Die Deutschen: Kippenberger und Oehlen, beide damals ebenfalls in Wien-Wunderland wohnhaft. Alles Pakesch-Buben. Sesshaft in dieser Galerie in einer der verwinkeltsten Gassen der Wiener Innenstadt. Von hier aus wurde in die weite Welt hinaus vernetzt, nach New York, nach Los Angeles, hier stellten Sol LeWitt und Mike Kelley und John Baldessari aus. Man soff sich durch Wien, sprach über Wittgenstein und Freud und hörte laute, anstrengende Musik.

Wenn nicht, dann war man wahrscheinlich eine Frau. Warum sie nie ganz dazugehörte, wurde Beatrix Sunkovsky für den Wandtext gefragt, eine der beiden Künstlerinnen (neben der Amerikanerin Liz Larner), die Pakesch ständig vertrat: Weil sie nicht mit Kippi bis in der Früh an der Bar stand. Wer dort trotzdem nicht immer stehen konnte, war wohl der Galerist himself, denn er hatte echt harte Arbeit mit seiner Künstlergeneration. Pakesch war bei vielen die Urkraft hinter der Karriere, die meist erst abhob, als die Galerie schon wieder schließen musste. 1993 war das, Pakesch hatte expandiert, war international unterwegs. Er wollte aber nicht nur Manager sein, erinnert er sich, sondern lieber Produzent oder „Coach“.

Das Archiv dieser wilden Jahre schenkte er dem Wien-Museum, aus ihm speist sich diese Ausstellung, für Insider ist sie ein Spaß, es gibt einen Raum, in dem man Aufnahmen der damals in dem Umfeld grassierenden Künstlerbands hören kann, es gibt viele lustige Fotos, Faxe, Briefe, Devotionalien. Jedem Künstler ist ein Stück Wand in diesem Labyrinth gewidmet. Immerhin wird die Frauenproblematik nicht ganz verschwiegen. Aber warum nicht soziologisch ein bisschen investigativer? Ein paar Stimmen von außerhalb des Inner Circle? Oder die Künstlerliste von Pakeschs gerade ablaufender Zeit als Direktor des Grazer Kunsthauses daneben hängen, die sich in vielen Positionen mit der Künstlerliste seiner Galerie deckt?

Eine Szene, ein Vertreter, als Galerist oder Museumsdirektor. Darf man das? Vielleicht ja eh. Vielleicht darf man sich auch eine sentimentale Abschiedsausstellung schenken. Und seinem Nachfolger das Telefon überlassen, das in den nächsten Tagen wohl keine Ruhe geben wird. Es gäbe da wohl so einige andere Galeristinnen und Galeristen, die ihr Archiv gut aufgehoben wissen wollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2015)

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