Kunst: Varoufakis beklagt Macht des Marktes

Yanis Varoufakis, griechischer Ökonom und Ex-Finanzminister.
Yanis Varoufakis, griechischer Ökonom und Ex-Finanzminister.(c) REUTERS (NEIL HALL)
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Kunst sei ein Rohstoff geworden, sagte Yanis Varoufakis bei der Moskau Biennale – und kritisierte auch die Kuratoren.

„Was mache ich hier?“ Warum ausgerechnet Yanis Varoufakis, der griechische Ökonom und Ex-Finanzminister, als Redner zur Moskauer Biennale eingeladen wurde, hinterfragte er selbst in den ersten Minuten seines Vortrags. Die 2005 gegründete Biennale wurde heuer von einem dreiköpfigen Team, darunter Nicolaus Schafhausen, Direktor der Wiener Kunsthalle, kuratiert. Da ihr Budget aufgrund der Rubelkrise massiv geschrumpft war, beschlossen die Kuratoren, aus der Not eine Tugend zu machen: Sie stellten keine klassische Ausstellung zusammen, sondern ein zehntägiges Festival unter dem Motto „Wie zusammen leben?“, mit Performances, Interaktionen und Vorträgen. Wie eben von Varoufakis, der als letzter Redner am 1. Oktober auftrat.

Er sollte eigentlich nicht hier sein, wie er in seiner Rede, die auf YouTube nachzuhören ist, klarstellte. Er beklagte die Übermacht des Marktes in der Kunst: Sie würde in Europa homogenisiert und kommerzialisiert, von Bürokraten in Brüssel desinfiziert und von Unternehmen finanziert. Varoufakis griff damit auch die Kuratoren der Moskauer Biennale an (deren Hauptsponsor übrigens eine lettische Bank ist): Die Übermacht des Marktes in der Kunst zeige sich nämlich u. a. in Blockbuster-Ausstellungen und „Foren, bei denen postmodernistische Kuratoren die Stars sind, die dann Ökonomen einladen, um den Künstlern Vorträge zu halten“.

„Künstler müssen gefürchtet sein“

Ökonomen würden nämlich gelehrt, die Kultur lediglich als dekorative Beigabe einer Gesellschaft zu verstehen. Nett, aber nichts, was man braucht, um einen Staat zu lenken oder die Wirtschaft zu verstehen. So sei die Kunst zu nichts als einem Rohstoff geworden. Varoufakis zitierte in weiterer Folge aus Filmen, bemühte Picasso (die Kunst sei nicht Dekoration, sondern eine „Waffe zu Angriff und Verteidigung gegen den Feind“) und einen Satz, den viele (auch Varoufakis) Hermann Göring zuschreiben, der tatsächlich aber im Schauspiel „Schlageter“ des NS-Dichters Hanns Johst vorkommt: „Wenn ich Kultur höre, entsichere ich meinen Browning!“ Damit richtete Varoufakis das Wort auch an die Künstler der Biennale: „Wenn ihr von den Mächtigen unserer Gesellschaft nicht gefürchtet werdet, dann macht ihr euren Job nicht richtig!“

Gegen wen genau sich die Kunst seiner Meinung nach richten sollte, präzisierte Varoufakis nicht. Es gebe jedenfalls auch in der EU „Kräfte, die uns auseinanderziehen“ und Nationen, die sich „für bessere Europäer halten“ als andere. Auf Russland kam er nur spät zu sprechen. Auch hier gebe es „eine Tendenz zur Expansion, zur Rekonstruktion der alten . . .“ Weiter kommt er – zumindest im Mitschnitt – nicht. Der staatseigene Sender Russia Today, der Varoufakis' Rede übertragen hatte, schnitt ihm das Wort ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2015)

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