Ausstellung: Die österreichische Seele in Düsseldorf

(C) Sammlung Wilhelm Otto Nachf.
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Seltsame Welten: „Spirit of Austria“ zeigt Werke von Gelatin, Franz Graf und Markus Schinwald.

Kann man die Kunst eines Landes unter einem gemeinsamen Kennzeichen zusammenschnüren? Das wird keiner ernsthaft bejahen, viel zu viele Ausnahmen widersprechen jeder Generalisierung. Trotzdem sind Länderausstellungen beliebt. Etwa eine Schau zu österreichischer Kunst im Kai 10 in Düsseldorf. Dieser private Raum gehört zur Arthena Foundation, die von der Unternehmerin Monika Schnetkamp mit dem Ziel gegründet wurde, junge Kunst zu fördern. Unter dem Titel „Spirit of Austria“ sind hier bis 20. Februar 2016 Werke von Gelatin, Franz Graf und Markus Schinwald zu sehen – der Begriff jung ist ja ähnlich dehnbar wie nationale Charakterisierungen.

Kurator Zdenek Felix, ein renommierter ehemaliger Museumsdirektor, erklärt, er wolle weder Geister beschwören noch eine nationale Perspektive vornehmen. Der Titel sei leicht ironisch gemeint, betone vor allem eine gemeinsame Tradition. Was also ist das, dieser „österreichische Geist“ in der Kunst? Felix bezieht sich auf schon oft zitierte Vorläufer: von Egon Schiele über die Aktionisten, weitergeführt bis zu Franz West. Diese Tradition sei „aufrührerisch, provokant und gedanklich anregend“. Kann man das nicht von fast jeder Kunst bis zur Postmoderne sagen? Ja, aber hier komme noch etwas „sehr Körperhaftes und psychiatrisch Belastetes, ein Blick in die Psyche“ hinzu, sagt Felix, und dafür seien die drei Positionen sehr charakteristisch.

Ob diese Aspekte spezifisch österreichisch sind, sei dahingestellt – in der Ausstellung dominieren sie tatsächlich. Das beginnt mit den Graphit-Zeichnungen von Franz Graf. Ein Großteil zeigt Frauenporträts, aber höchst unkonventionell: intim, schmerzbelastet und erotisch – oder mit den Worten von Eröffnungsredner Robert Fleck: ein „Zeichnen mit Gänsehaut“. Dieser Eindruck wird massiv unterstützt durch zwei riesige Stahlgestelle mitten im Raum, auf denen Zeichnungen liegen. Er habe das so bei sich im Atelier bzw. Garten ausprobiert, erklärt Graf. Hier in dem weißen Raum erzeugt es eine irritierende, brachiale Brechung der Sinnlichkeit.

Dieser Eindruck von strenger Kühle und überwältigender Lust zugleich überträgt sich auch auf die knallbunten Knetbilder und die Tische von Gelatin. Deren Oberflächen erinnern an die gerasterten Bilder von Piet Mondrian, die hier aber spielerisch mit Schwüngen, Klecksen und bunten Farben aufgelöst sind. Im nächsten Raum empfängt uns Markus Schinwalds schaukelnde Marionette – gespenstisch, wie die Puppe im strengen, braunen Kostüm im theatralisch ausgeleuchteten Halbdunkel zwischen den Porträts deformierter Köpfe langsam hin und her schwingt. Hier ist die Brutalität weder spielerisch wie bei Gelatin noch erotisch aufgeladen wie bei Graf, sondern elegant und zwanghaft.

Zwangsneurotisch, aber kindlich

Mit diesen drei Werkgruppen ist eine eindrucksvolle Ausstellung entstanden – aber spiegelt sie typisch Österreichisches wider? Immer wieder wird Freuds Psychoanalyse als Einfluss bemüht – auch diese Referenz gilt mindestens ein halbes Jahrhundert für die Künstler verschiedener Sparten, verschiedener Zeiten in halb Europa. Doch in der Zusammenstellung im KAI 10 hat der „Spirit of Austria“ etwas Zwangsneurotisches, das nicht düster ist wie etwa die Werke von Thomas Zipp oder bedrückend wie Gregor Schneiders Ein-, Um- und Zubauten. Man ahnt durchaus Abgründe, wähnt sich aber dank kindlicher Materialien wie Knetgummi bei Gelatin oder der Theatralik bei Schinwald auf sicherem Boden – und wird trotzdem in die tiefen Weiten seltsamer Welten geführt. Ob das der Geist von Österreich ist, ist letztlich unwichtig, eine packende Ausstellung ist es allemal.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2015)

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