Denken erzwingende Denkmäler und störende "Stillleben"

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Die 36-jährige Künstlerin Catrin Bolt bekommt den Otto-Mauer-Preis.

Ihre „Orientierungstafeln“ auf dem Gelände des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers Viehofen in St. Pölten wirken wie Wanderkarten, ein roter Punkt markiert den eigenen Standpunkt; aber es sind Luftaufnahmen der Alliierten, auf denen die Lager markiert sind. Auch wer auf Gehsteigen Lettern kleben sieht, denen man lesend lang nachgehen kann, könnte es mit einer ihrer „Alltagsskulpturen“ zu tun haben: Am Wiener Westbahnhof, der in den letzten Monaten zum Durchreiseort für Flüchtlinge geworden ist, hat sie Texte von Holocaust-Überlebenden angebracht; in Graz hat sie die Schilderung von Oberrabbiner David Herzog, wie er bei den Novemberpogromen 1938 durch die Stadt getrieben wurde, auf ebendieser Strecke auf den Gehsteig „geschrieben“.

Die 36-jährige Künstlerin hat nun den renommierten Otto-Mauer-Preis bekommen, den die Erzdiözese Wien jedes Jahr an eine Künstlerin oder einen Künstler unter 40 für das bisherige Werk verleiht. Bolt „bewegt sich bewusst außerhalb des Kunstestablishments und fungiert als genaue Beobachterin von gesellschaftspolitischen Entwicklungen“, so die Jury. Bolt, die derzeit an Ehrenmälern für die Wissenschaftlerinnen Marie Jahoda und Elise Richter im Arkadenhof der Uni Wien arbeitet, stammt aus Kärnten und studierte in Wien bei Peter Kogler. Sie arbeitet mit Sprache, Skulptur, Fotos, Videos und Performances, machte etwa aus gefundenen Plastiksäcken „Plastiklandschaften“, aus weggeworfenem und verdorbenem Essen fotografierte „Stillleben“.

6. 12. bis 24. 1: „Kapital und Interessen, meine Schulden groß und klein werden einst verrechnet sein“ – Präsentation einer Werkauswahl von Catrin Bolt: JesuitenFoyer, Bäckerstraße 18, 1010 Wien. Freier Eintritt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2015)

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