Pirelli-Kalender: „Pretty, ugly, fat, thin“

(C) Annie Leibowitz/ Pirelli
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Annie Leibowitz hat erneut den Pirelli-Kalender fotografiert – und zeigt darin berühmte Frauen, „wie sie sind“.

Kaum 24 Stunden sind die Fotografien des neuen Pirelli-Kalenders in der Welt und von überall tönt es, Starfotografin Annie Leibowitz habe den Kalender neu erfunden, weil sie diesmal kaum nackte Frauen ablichtete. Das ist grundfalsch. Erstens zeigte der Pirelli-Kalender seit seiner Entstehung im Jahr 1964 nicht ausschließlich Nackte. Auch wenn der Kalender in der öffentlichen Wahrnehmung mit barbusigen Schönheiten verbunden wird, entschieden sich Fotografen immer wieder, ihre Models bekleidet zu zeigen. Zweitens hat Leibowitz schon einmal den Pirelli-Kalender gestaltet. Im Jahr 2000 allerdings entschied sie sich noch für eine klassische Aktstudie von Tänzerinnen.

Dennoch ist die neue Ausgabe der Jahresblätter des italienischen Reifenherstellers beachtenswert. Denn Leibowitz hat diesmal nicht eine Reihe makelloser Models für ihre Fotografien gewählt, sondern 13 sehr unterschiedliche, mehr oder weniger bekannte Frauen porträtiert. Sängerin Patti Smith ist (voll bekleidet) ebenso darunter wie Künstlerin Yoko Ono (in knappen Shorts), Tennisspielerin Serena Williams, die erste chinesische UNHCR-Botschafterin Yao Chen, die Kunstsammlerin Agnes Gund und die Filmregisseurin Ava Du Vernay. Sie alle durften dabei mitreden, wie sie sich darstellen wollen, und die wenigsten zeigen dabei nackte Haut.

Am ungewöhnlichsten ist das Porträt der US-amerikanischen Komödiantin Amy Schumer. Sie stützt sich schräg auf einen Hocker, einen Coffee-to-go-Becher in der Hand, verdeckt mit ihrem Arm zwar ihre Brüste, nicht aber die kleinen Rundungen ihres Bauches. Wenn also hier irgendwer etwas neu erfindet, dann Schumer den uneitlen Zugang zu ihrem Körper. Sie selbst schickte ihr Kalendermotiv für den Monat Dezember auf Twitter um die Welt und schrieb dazu: „Beautiful, gross, strong, thin, fat, pretty, ugly, sexy, disgusting, flawless, woman.“ Das entspricht der Botschaft, die Leibowitz, die langjährige Lebensgefährtin von Schriftstellerin Susan Sontag, mit ihrer Arbeit vermitteln will. Sie wählte Frauen aus, die nicht wegen ihrer Schönheit, sondern aufgrund ihrer Leistungen bekannt sind. Die Frauen wollte sie authentisch und „so, wie sie sind“, zeigen. Im Fall von Schumer sind das eben auch ein paar Bauchfalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2015)

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