Mehr Star als neuer Basquiat

Der junge Christian Rosa legte eine steile Karriere auf dem internationalen Markt hin. Jetzt hat er seine erste Ausstellung in Wien.

Christian Rosa war einer der begabtesten Studenten, die an der Bildenden studierten“, sagte Galerist Christian Meyer bei einer Podiumsdiskussion. Das löste eine spannende Diskussion aus. Denn das Werk des jungen Künstlers polarisiert. Die einen sehen seine Bilder als Beispiel von „crapstaction“ – ein Neologismus, gebildet aus „crap“ und „abstraction“. Die anderen loben ihn als neuen Star in den Spekulationshimmel der internationalen „Art Industry“ hoch. Namhafte Galerien in Berlin und London zeigten sein Werk schon, diese Woche eröffnete Rosa seine erste Einzelausstellung in Wien. „Now it's over“ nennt er seine Personale in der Galerie Meyer Kainer.

Bekannt wurde der junge Künstler auf der Viennafair 2013. Eine ehemalige künstlerische Leiterin, die gleichzeitig als Galeristin arbeitete, pries ihn als große Entdeckung an. Bald galt Rosa als heißer Investitionstipp. Sein Name tauchte auf der artrank.com-Website auf. Dieses Service listet auf Algorithmen basierende Kauf- und Verkaufempfehlungen für „Artflipper“ auf, also jene, die Kunst nur als Spekulationsobjekt kaufen. Betreiber dieses Kunst-Rankings ist Carlos Rivera, Sitz ist in den USA – und das zeigt ein anderes Kuriosum von Rosas kometenhaftem Aufstieg: Auf dieser Liste galt er als in Brasilien geborener Künstler mit Wohnsitz in Los Angeles – wo er tatsächlich, aber nur zeitweise lebt.

Los Angeles: Das ist ein wichtiges Detail, denn Werke von in den USA lebenden Künstlern sind dort steuerlich absetzbar. Und die Kunden kauften. Denn schnell hatte sich der Mythos verfestigt, Rosa könnte ein zweiter Jean-Michel Basquiat werden – jener schwarze, amerikanische Künstler, der mit Andy Warhol befreundet war, 1988 mit 28 Jahren verstarb, zeitlebens nie eine institutionelle Ausstellung hatte und dessen Bilder heute auf Auktionen Millionenpreise erzielen.

Anders als Jean-Michel Basquiat ist Rosa allerdings weder Andy Warhol begegnet, noch ein berühmter Street Artist gewesen. Geboren 1982 in Rio de Janeiro, zog er mit seiner Familie bald nach Wien, wo er als Christian Weinberger aufwuchs, an der Akademie der bildenden Künste beim deutschen Maler Daniel Richter studierte und 2012 graduierte. Auch seine Bildsprache erinnert keineswegs an Basquiats expressiv-naive, oft collagenartige Werke.

Noch überraschender ist übrigens der bisweilen gezogene Vergleich mit den bahnbrechenden Bildern von Wassily Kandinsky, der die Idee eines „inneren Klangs“ in die Malerei brachte. Nicht einmal die gern bemühte Nähe zu Joan Miró hält, denn der spanische Künstler verzichtete nie gänzlich auf figurative Elemente, etwa die Symbole für Mond, Sterne, Vögel, Frauen. Rosas Leinwände dagegen sind großformatige Zeichnungen ohne jegliche Narration oder Figuration: In einem kalten, leeren Bildraum treffen Linien aufeinander, dazu ein farbiges Rechteck, ein paar Punkte, eine Farbfläche. Abstraktion halt, und diese steht hoch im Kurs.

Der Zenit ist überschritten. In kürzester Zeit zirkulierten Rosas Werke im Handel, gekauft für 20.000 bis 30.000 Dollar, schnell verkauft und versteigert für weit über 100.000 Dollar. 2014 probierte Gagosian das Werk in der Filiale in Athen aus, und 2015 folgte die erste Personale in der Londoner Galerie White Cube. Mittlerweile ist Rosas Name allerdings aus den Kunst-Ranking-Listen verschwunden, bei der Auktion im Juni 2015 im Dorotheum blieb sein auf 40.000 bis 60.000 Euro geschätztes Werk „Desert“ liegen. Warum zeigt die Galerie Meyer Kainer den Künstler jetzt, wo offensichtlich der Zenit überschritten ist? Es gebe keinen Zenit, Künstler können viele Karrieren haben, erwidert Christian Meyer. Und außerdem: „Christian Rosa ist ein Star.“ Er gehöre „zu den prominentesten Künstlern Österreichs“ und dies habe „als Nebeneffekt auch die internationale Wahrnehmung von Wien als Kunststandort verändert“.

Was also zeigt Österreichs Starkünstler in der Galerie? Eine nagelneue Bildserie: Die zeichenhaften Formen liegen jetzt manchmal auf ordentlichen Notenlinien, das kleine Rechteck ist bisweilen zum großformatigen, eigenständigen Bildteil geworden. Was fasziniert den Galeristen an diesen wohnzimmertauglichen, harmlosen Dekorationswerken? Rosas Werk basiere auf keiner unmittelbaren kunsthistorischen Referenz, betont Meyer. Der Künstler „lässt es fließen, so, wie Musik fließt“. Daher müsse man das Werk auch wie Popkultur sehen, außerhalb jeder akademischen Tradition.

Dazu passe auch Rosas Auftreten, gern umringt von Freunden – und gern aggressiv, muss man anfügen. In den Bildern ist von dieser Energie allerdings nichts zu sehen oder zu spüren. Alles wirkt wohl kalkuliert: die kleinen Bilder für den schmalen Geldbeutel mit netten Kringeln und zwei Punkten darin (ab 7000 Euro), die großen Bilder mit den Notenlinien und verteilten Formen darauf (ab 45.000 Euro). Schnell gemalt, mit einem beschränkten Formenvokabular, ohne Konzept, ohne emotionalen oder sinnstiftenden Gehalt, keine Bildtitel.

Stockender „Sound“. Galerist Meyer spricht von einer „Konzentration auf unwillkürliche Effekte, auf die Handschrift, auf eine Art Sound“ – aber so recht schwingen will in den Bildern nichts. Rosa selbst sagt übrigens gar nichts zu seinen Bildern. Die Bildelemente hat er sich nicht errungen wie Basquiat, Kandinsky und Miró, sondern wie in Eile zusammengetragen – immerhin begann seine Karriere ja auch erst vor zwei Jahren. In so kurzer Zeit entwickelte bisher kaum ein Künstler eine Bildsprache, die der Malereigeschichte etwas Namhaftes hinzufügen konnte – und Rosa gehört da definitiv nicht zu.

Aber das stört Meyer keineswegs: „Rosa muss mit anderen Maßstäben gemessen werden“, denn dieser Künstler sei „popfähig“, sein Werk sei nicht von „seiner Ökonomie der Orientierung“ zu trennen: eine schöne Formulierung für die rund um Warhol erprobte Strategie, karrierefördernde Freundschaften zu betonen. Aber erklären diese „anderen Maßstäbe“ die irritierend hohen Verkaufspreise? Mit „Now it's over“ meint Rosa übrigens einen Neuanfang, wie er sagt – wovon eigentlich?

Bis 27. 2. in der Galerie Meyer Kainer, Eschenbachgasse 9, 1010 Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.