Wien-Museum: Links ein Maler, rechts ein Maler

(C) Bildrecht, Wien '16
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Zwei Malerseelen in einer schwierigen Zeit: Otto Rudolf Schatz und Carry Hauser waren politisch zwar konträr. Stilistisch trafen sie sich aber weitgehend im Mittelmaß.

Wer wird der nächste Maler-Star? Das spielte man in der Wiener Künstlerszene der Zwischenkriegszeit, schließlich galt es, einen heißen leeren Stuhl neu zu besetzen, den von Egon Schiele, der 1918 so jung gestorben war. Bei Schieles einstigem Förderer, dem Kunstkritiker und Kunsthändler Arthur Rössler, gaben sich die Maler die Klinke in die Hand, darunter auch Otto Rudolf Schatz und Carry Hauser, in etwa die Generation von Schiele, Schatz war 1900 geboren, Hauser nicht wesentlich früher, 1895.

Bei Rössler also haben sich die beiden erwiesenermaßen getroffen, aber sonst? Freundschaft? Nein, zu unterschiedlich waren die Charaktere dieser zwei Wiener Künstler-Urgesteine, meint der Kurator dieses unerwarteten Paarlaufs im Wien-Museum, Ralph Gleis. Der eine, Schatz, war Lebemann, immer irgendwie am Abgrund, dem roten Wien stark verbunden. Der andere, Hauser, eher intellektuell, der geborene Funktionär, Hagenbund-Präsident, P.E.N.-Club-Präsident, Träger von Ehrenzeichen, -kreuzen, -ringen. Sie lebten und arbeiteten parallel zueinander in diesem Mikrokosmos, in Wien sagt man zu derlei höflicher Ignoranz, „man kennt sich“.

Beide heirateten jüdische Frauen

Beide gingen sie sogar noch auf die gleiche Schule, die Wiener Kunstgewerbeschule, beide rückten sie als blutjunge Männer in den Krieg ein, beide waren traumatisiert. Nach dem Krieg aber ging es dann rasant auseinander, Schatz war glühender Sozialist, während Hauser begann, Madonnen mit Kind zu malen, genauer gesagt nach der Heirat mit einer zum Katholizismus konvertierten Jüdin. Hauser war im Ständestaat kunstpolitisch hochaktiv. Schatz ging in dieser Zeit lieber auf Weltreise, nach New York, nach Paris.

Auch er hatte eine Jüdin geheiratet. Worauf die Nazis Schatz und Hauser aus politischen und „rassischen“ Gründen verfolgten. Hauser ging ins Exil in die Schweiz, verlegte sich auf das Schreiberische; Schatz versuchte, sich in Prag und Brünn mit erotischen Bildchen über Wasser zu halten, 1944 kamen er und seine Frau ins Zwangsarbeitslager und schließlich ins KZ Bistritz, wo sie von den sowjetischen Truppen befreit werden konnten. Zurück in Wien kam es zu Aufträgen der Stadt, 1961 starb Schatz an Lungenkrebs.

Das Jesuskind in Hausers pastelliger „Wiener Madonna im Wiederaufbau“ von 1947 hält tatsächlich einen Ziegelstein in der Hand; die Fünfzigerjahre werden nicht als die glorreichsten der österreichischen Kunstgeschichte eingehen. Die ganze Ausstellung ist letztendlich eher aus kulturhistorischer als aus künstlerischer Sicht interessant, ja spannend. Außerdem ist sie gut gemacht, die bis zur Verwirrung miteinander gemischten Werke von Schatz und Hauser irritieren zwar anfangs, doch der Blick lässt sich schulen, noch dazu sind die Beschriftungen nicht neben, sondern unter den Bildern angebracht, auf einer durchgehenden Sockelleiste.

Am wenigsten den Blick zum Text senkt man vor der Wand mit den Bildern der Neuen Sachlichkeit aus den späten Zwanziger-, frühen Dreißigerjahren, hier findet man den klarsten, stärksten Ausdruck: „Der Ballonverkäufer“ mit Schieberkappe von Schatz, das Varieté mit der „Schaustellung“ (Abb.). Auch Hauser überzeugt in dieser Zeit am meisten, hat sich ja prinzipiell stilistisch gern angelehnt, an George Grosz, Chagall oder Christian Schad. Das Porträt von Miss Universe Lisl Goldarbeiter, 1929, ist trotzdem großartig, kühl, nüchtern, in rotem Kleid mit geisterhaften wasserblauen Augen. Der unangenehm steife, ziemlich genitalfixierte Akt von Schatz daneben erzählt wohl auch etwas über das unterschiedliche Frauenbild der beiden. Ansonsten ist es ratsam, sich eher in die Grafik zu versenken, vor allem in die Holzschnitte und Buchillustrationen der beiden, die ideologisch zum Teil Welten trennen, etwa in der Thematisierung der „Neuen Stadt“: für Schatz der Segen für die arbeitenden Menschen, sie produziert den „Neuen Menschen“, „und winters schimmern die Lichter in Festsälen und Bücherhallen und in den Herzen“, schreibt Josef Luitpold Stern in seinem Text, den Schatz 1927 mit kräftigem (Schrift-)Bild illustriert hat. Hausers selbstgetextetes „Buch von der Stadt“ von 1921 ist dagegen zwar farben-, inhaltlich aber wenig hoffnungsfroh, der neuen Großstadt konstatiert er schon „dein selbstzerfleischendes Ende! Blut, Qualm und Staub. Gottes Gericht!“ Zwei Künstlerseelen, vereint in einer wenig erbaulichen Zeit.

Schatz/Hauser. Im Zeitalter der Extreme, bis 16. Mai.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2016)

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