Großes Unbehagen

Daniel Richters neue Werkphase bei Ropac.

Alle zehn Jahre ein Bruch, das haut bei dem deutschen Maler Daniel Richter so ziemlich hin – die ersten zehn waren abstrakt-ornamental, in den nächsten zehn, das war sein Durchbruch, wurde er zum frechsten Historienmaler, den Deutschland sich nur wünschen konnte, Punks, Taliban, Straßenschlachten, Röntgenbildstil, kräftige Farben, cool war das. Der ehemalige Hamburger Hausbesetzer ist also Kunstmarktstar, ausgestattet mit lebenslanger Wiener Akademie-Professur. Das konnte nur in „Krise“ enden – aus der Richter nach drei Jahren Rückzug per Schirn-Kunsthallen-Ausstellung als wundersam Wechselhafter jetzt wieder erstand. Mit einer völlig neuen Werkphase, ganz ohne Pinsel, in pastelligen Farben und plötzlich so zeitlos modern, wie (meist) gejubelt wurde, fast denkt man an den Künstler aus „Karte und Gebiet“ von Houellebecq, vor allem, wenn man den einen Teil der Bilder sieht, die an geopolitische Landkarten erinnern.

Von den 33 Schirn-Bildern gingen jetzt 15 direkt in die Salzburger Galerie von Thaddaeus Ropac – um stilgerecht am Abend der Vernissage ausverkauft zu werden, was nicht einmal hier oft vorkommt, wie Galerie-Direktor Arne Ehmann versichert.

Vielleicht sollte man ja öfter nackte Frauen und Sexszenen zeigen, denkt man erst, denn der andere Teil der Bilder beruht auf Pornoszenen. Das ist natürlich gemein und süffisant, denn Richter kann als Sexist manch deutschem Malerkollegen nicht das Wasser reichen. Was also bekamen die Sammler dann für ihre 120.000 bis 250.000 Euro? Nichts Zeitlos-Unpolitisches, wie man sie vielleicht glauben ließ. Im Gegenteil, Richter schafft mit diesen gespenstischen, unscharfen, zombiehaften Szenen die beunruhigendsten der Jetztzeit, in der der überwunden geglaubte, allzeit verfügbare Frauenkörper plötzlich wieder verhandelbar erscheint. Die gespreizten Glieder werden in den scheinbar abstrakten Zwischenstücken dann zu Ländern und Kontinenten. Großes Unbehagen.

Bis 12. März, www.ropac.at.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2016)

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