Essl-Museum: Hier trifft man die Bilder im Rudel

(C) Sammlung Essl, Foto: Mischa Nawrata, Wien
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Die 100. Ausstellung im ins Trudeln geratenen Privatmuseum gibt sich konstruiert-romantisch – „Rendezvous“ beschwört den Beginn Essl'scher Kunstleidenschaft.

Richtig romantisch wollte es Mittwochvormittag nicht werden im Essl Museum. Was auch daran gelegen haben könnte, dass das Sammlerpaar mehrere Sitzreihen journalistischer Meute trennte. Karlheinz saß mit Kurator Andreas Hoffer auf dem Podium, Agnes Essl als Beobachterin ganz hinten. Dabei heißt die neue Klassiker-Präsentation der Essls nicht umsonst „Rendezvous“, bezieht der Titel sich doch leicht sentimental auf das erste Date der beiden Museumsgründer in New York 1959, wo sie frisch verliebt beim Museums- und Galerienbesuch ihre gemeinsame Liebe zur Kunst entdeckt haben sollen.

Zu sammeln begannen sie erst später, zurück in Österreich, als das erste Geld verdient wurde, Anfang der 70er-Jahre. Heute, gut 40 Jahre später, ist dieses Geld großteils wieder weg. Dazwischen liegt eine bemerkenswerte Sammlung nicht nur österreichischer, auch internationaler Kunst, die hierzulande sonst kein Privater, in dieser Zeitspanne nicht einmal jemand in staatlichem Auftrag, zusammentragen konnte, sieht man von Klaus Albrecht Schröders magnetischer Wirkung auf kunsthistorisch kapitale Dauerleihgaben ab.

Genau 100 Ausstellungen ist es her, dass die Essls 1999 ihre Sammlung öffentlich gemacht haben, ihr eigenes Museum in Klosterneuburg bauten, verständlich und auf Augenhöhe Kunst vermittelten. Zumindest an Wochenenden, zumindest von Familien wird das unkomplizierte Museum schwer geliebt. Es gehört heute, nach dem Baumax-Ende, viele Verhandlungen, viele Kränkungen später mitsamt Sammlung zu 60 Prozent Hans Peter Haselsteiner. Zum weiteren Betrieb in halbwegs gewöhnter Form, so Essl gestern, würden jetzt aber öffentliche Gelder benötigt, man sei in Verhandlungen mit Bund und Land, das in Krems zurzeit ein weiteres Museum für zeitgenössische Kunst baut.

Das schreit alles nach einem Generalplan, den anscheinend niemand sehen will. Essl schreit jedenfalls nicht mehr in der Öffentlichkeit für seine Sache, ruhiger scheint er geworden. Einer der Kuratoren, Günther Oberhollenzer, hat unlängst ins neue Kremser Museum gewechselt. Einsparungen an Personal oder Ausstellungen hofft Essl trotzdem keine machen zu müssen, sagt er. Vor allem aber hoffe er, dass das Publikum sich bei diesem „Rendezvous“ in die Kunst verliebe. – Ein hehrer Wunsch, der manchmal mehr, manchmal weniger erfüllbar scheint beim Wandeln durch die Galerieräume. Jedenfalls versucht man, viele „Meisterwerke“ aus der Sammlung zu zeigen, von Hundertwasser, mit dem bei Essls das Sammeln begann, über Long-Time-Favorite Arnulf Rainer, von dem ganz starke frühe Arbeiten zu sehen sind, über Maria Lassnig natürlich, über konzentrierte Reduktionen von Hans Bischoffshausen, Hans Hartung, Georges Matthieu, bis zu wilder Gestik und Farbe bei Ringel, Asger Jorn und Karel Appel. Ein bisschen viel ist das – warum nennt man solche Rudelhängung „Rendezvous“? Erinnert eher an „Tinder“, um in dieser Kategorie zu bleiben, dem schnellen Online-Dating, wisch und weg.

Wurlertes Paradiesgefühl

Positiv dicht, weil atmosphärisch, wird es dafür im Landschafts-Raum, der mit Max Weilers „Wie eine Landschaft“-Zyklus, teils fast nicht von Weiler unterscheidbaren Landschaften von Per Kirkeby und den herrlichen Arbeiten der englischen Malerin Cecily Brown – flüchtig-barocke Skizzen eines wurlerten Paradiesgefühls, in dem Pflanzen, Menschen und Tiere miteinander verschmelzen. Andrea Kasamas neo-impressionistische Gärten sind da im Vergleich einen Tick zu konventionell, zu lieblich. Wo sind nur die schönen Herbert Brandls geblieben? Die Generationenfrage bleibt jedenfalls unklar in dieser doch eher auf die Klassiker aus den Fünfziger- bis Siebzigerjahren beschränkten Schau, Cecily Brown, Jahrgang 1969, ist da der Ausreißer.

Am Anfang, mit einem Doppelporträt der Essls von Alex Katz, und am Ende werden einem zumindest noch zwei „echte“ Rendezvous inszeniert: Im letzten kleinen Raum werden wir sogar Zeugen eines Blind Dates: Beide Essl durften je ein Bild aus der Sammlung wählen, ohne dass der eine wusste, welches der andere nahm. So kommt es zur unterhaltsamen Situation, dass man sich bei erster Betrachtung schwer verschätzt (Achtung, Spoiler!): Die erschütternd trauernde Lassnig hat Herr Essl gewählt. Das dunkle, eher verschlossene Bild von Markus Lüpertz mit großer grüner Schnecke und entwurzelten Bäumen Frau Essl. Das Rendezvous kann ja heiter werden.

„Rendezvous“, bis 22. Jänner 2017.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2016)

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