21er-Haus: Oswald Oberhuber, der Mann ohne Stil

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Ausstellung: "Oswald Oberhuber" im 21er-Haus(c) APA/BELVEDERE WIEN
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"Permanente Veränderung in der Kunst", forderte der österreichische Künstler schon mit 25. Er befolgte sein Manifest strikt - und machte alle Stile, Formen, Medien durch. Das zeigt die bisher umfassendste Retrospektive, bis 26. Juni.

Endlich dieser Überblick.“ Heißt ein Bestseller der jüngeren Kunstliteratur. Er erzählt von einem Bedürfnis, das viele antreiben dürfte, die sich mit Kunst beschäftigen. Auch viele, die sich mit dem Werk von Oswald Oberhuber beschäftigen, der einer jüngeren Generation vielleicht nicht mehr so ein Begriff ist. Für eine ältere ist die österreichische Kunstszene dafür ohne ihn nicht vorstellbar. Ohne ihn als Künstler, aber auch als kulturpolitische Figur – er leitete die Galerie nächst St. Stephan nach Monsignore Otto Mauer, er war zwei Mal Rektor der Angewandten, er hatte als Künstler selbst rund 200 Einzelausstellungen und war Kurator von weiteren 300 Ausstellungen anderer Künstler.

Die umfassende Retrospektive im 21er-Haus soll jetzt alle Leute mit Überblicksfantasien zufriedenstellen, inklusive dem heuer 85 Jahre alten Jubilar, dem es übrigens ausgezeichnet zu gehen scheint. Das sind natürlich Illusionen, Altwerden schmerzt, und Überblick gibt es keinen, vor allem nicht bei einem Künstler, der die Stillosigkeit, den Wechsel von Medien und Ausdrucksformen zu seinem Mantra gemacht hat. Trotzdem ist es die umfassendste Oberhuber-Schau bisher, und sie passt großartig ins 21er-Haus.

Bei Wotruba „eine Stunde lang“ gelernt

Erstens lauert die Vergangenheit im Keller, das Wotruba-Archiv. In Wotrubas Bildhauerei-Klasse hat der 1931 in Meran geborene Oberhuber 1950 an der Wiener Akademie gelernt – „eine Stunde lang“, wie lapidar hinzugefügt wird. Geschätzt hat er Wotruba dennoch, er engagiert sich später in der Wotruba-Stiftung, und die Abstraktion der klassischen Moderne ist nun einmal der Humus, aus dem Oberhubers frühes Informel gewachsen ist, das sieht man im skulpturalen Frühwerk und in einigen Zeichnungen noch deutlich.

Zweitens greift das Städtchen, das hier nach einer Zeichnung Oberhubers als Display in die Halle hineingebaut wurde, wunderbar die Leichtigkeit und die Struktur der Fünfzigerjahre-Architektur des Hauses auf: Aus unterschiedlich hohen, weiß lasierten Holzwänden wurden labyrinthische Kojen und Durchgänge gezimmert, die mit Blickachsen quer durch alle Zeiten und Werkgruppen spielen. Verspannt sind die Wände mit schwarzen Metallstäben in Leiter- oder eher Fensterform, die sowohl das sich bei Oberhuber durchziehende Fenstermotiv zitieren wie auch die ähnlichen Gliederungen der Fenster im Oberlicht und im ersten Stock des 21er-Hauses.

Oberhuber war immer schon architekturaffin, er arbeitete etwa in den Sechzigerjahren mit Hollein, Pichler und Peichl bei der Architekturzeitung „Bau“. 1972 bespielte er mit Hollein den Österreich-Pavillon bei der Biennale Venedig. Wie seine beiden Räume ausgesehen haben, deren Wände er bis zur Decke mit Bildern auf Tüchern hat verhängen lassen, kann man in der Ausstellung zumindest erahnen, es sind vier dieser Leinwände bzw. Molino-Tücher zu sehen. Ein wenig verblasst bereits ein an sich schon zartes „Wandbild“ mit lauter Kindern, deren große Gesichter alle irgendwie an ihren Schöpfer erinnern, unheimlich ist das. Das hing in einem Raum, im anderen hingen Tücher mit Bildern von Tüchern. Sehr konzeptuell also, sehr kopflastig, wie alles bei Oberhuber. Schon als 25-Jähriger, Mitte der Fünfzigerjahre, hat er das Manifest „Permanente Veränderung in der Kunst“ verfasst. Dem er prompt selbst folgen musste und von den bunten, informellen Klecks- und Kringelbildern, die an Jackson Pollock, hierzulande vielleicht eher an Hans Staudacher erinnern, zur figurativen Malerei überging.

Hier passiert alles gleichzeitig!

Der informellen Malerei haben die Kuratoren Luisa Ziaja und Alfred Weidinger viel Raum gegeben, anfangs wiegen sie uns so noch in chronologischer Sicherheit. Doch dann merkt man, dass hier alles gleichzeitig passiert, und zwar schon seit den Fünfzigerjahren! Da explodieren die Werkphasen zu lauter Paralleluniversen. Da gibt es Drahtobjekte, die wie Zeichnungen in den Raum ausgreifen, die mit Stoff und Gips umwickelt wurden, sodass sie an frühe Objekte von Franz West erinnern. Da gibt es den Gipsabdruck einer Autoreifenspur von der Straße, 1954, nur ein Jahr zuvor hat Robert Rauschenberg in den USA John Cage mit dem Auto über eine Papierbahn fahren und so die Reifenspur abdrucken lassen.

In Oberhubers Malerei lösen sich die Farben in Pastelltönen auf, die Umrisse aber werden klarer, es gibt Porträts von Frauen und Rektoren und Kindern, und alle sind irgendwie Oberhuber selbst. Dann gibt es Zahlenbilder und Schriftbilder mit seinem Namen. Knallige Zahnbilder zitieren die Pop-Art. Es wird politisch, wenn 1969 ein Holzsockel zur Tribüne wird – wenn man ihn besteigt, schreibt Oberhuber, könne man „das Führergefühl“ erleben. 1988 ein großer klassizistischer Zyklus mit Orpheus und Eurydike. Mode hat er 1987 auch entworfen. Am Ende kennt man sich nicht mehr aus, nein, die Kuratoren beneidet man nicht. Was wurde hier zitiert, wo hat er tatsächlich eine Vorreiterrolle eingenommen, wo macht er sich lustig?

Ist Oberhuber ein österreichischer Picasso der Postmoderne? Statt einer schmutzigen Spätphase hat er sich aber gerade für harmlos wirkende Tierzeichnungen entschieden. Flamingos also. Unter anderem, natürlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2016)

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