Art Austria: Eine Messe voller Heimat

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Drei Stockwerke voll österreichischer Kunst zum Kaufen: Bei der neunten Ausgabe der Art Austria im Leopold-Museum überzeugt vor allem Historisches.

Vor 49 Jahren eröffnete die allererste Kunstmesse in Köln. Ein halbes Jahrzehnt später gibt es weltweit über 200 dieser Veranstaltungen, von Kolumbien über die Philippinen bis Indien. Denn neben den großen internationalen Formaten wie der Art Basel etablieren sich zusehends kleinere, regionale und sogar nationale Formate. Eines davon ist die Art Austria. Gegründet 2008, fand die Messe zunächst in einem Zelt vor dem Museumsquartier statt und konnte 2011 ins Leopold-Museum wechseln. Drei Stockwerke werden dafür jedes Jahr im März freigeräumt, rund 24.000 Besucher strömen dann fünf Tage lang durch die Gänge. Zur neunten Ausgabe heuer zeigen 50 Galerien und Kunsthändler 1500 Werke von rund 130 Künstlern aus dem 20. und 21. Jahrhundert.

Von Beginn an galt österreichischer Kunst der klare Fokus, der aber auch etwas weiter angelegt sein kann, wie am Stand der Galerie bei der Oper. Hier findet man Lithografien von Bertha Tarnay. 1891 in Wien geboren, lebte sie ab 1921 in Brünn und Paris, traf sich in den 1920er-Jahren in Berlin mit Käthe Kollwitz und Heinrich Zille, zog 1929 nach London, nahm die britische Staatsbürgerschaft an und starb 1973 in New York. Ob ein gutbürgerliches Musikkonzert, eine mondäne Vernissage, Werftarbeiter oder das traurige Bild einer ärmlichen Essensausgabe – in ihren schwarz-weißen Werken skizziert sie fast ein ganzes Jahrhundert.

„Vertrieben, vergessen, verkannt“ ist das Motto dieses Standes, und so ist Tarnays Werk kombiniert mit Holzschnitten von Gertraud Reinberger-Brausewetter. Von ihrem Leben ist nicht viel überliefert, geboren 1903 als Tochter eines reichen Bauunternehmers, schon früh Schülerin von Franz Cizek, gestorben 1992. Ihre für die 1920er-Jahre erstaunlich großen Holzschnitte leben von starken schwarz-weißen Kontrasten, ein Blatt ist nahezu abstrakt, offensichtlich galt ihr Interesse Mustern. Die Ästhetik der Wiener Werkstätte ist unübersehbar. Oft sind es Unikate, bei Drucken beträgt die Auflage nie mehr als elf Abzüge. Sei es aufgrund der damaligen gesellschaftlichen Ablehnung von Künstlerinnen oder aufgrund fehlender Notwendigkeit durch ihre finanzielle Sicherheit, jedenfalls wurde ihr Werk Zeit ihres Lebens kaum ausgestellt.

Wettern gegen die Abstraktion. Überhaupt sind es vor allem die historischen Werke, die auf der Art Austria überzeugen. Der Wiener Kunsthandel Widder zeigt kleine Farbholzschnitte von Herbert Gurschner, 1901 in Innsbruck geboren und 1975 in London gestorben. Seine Werke gehören sogar zur Sammlung der Londoner Tate, die kleinen Tiroler Szenen kosten trotzdem nur 1900 Euro. Noch günstiger sind die sozialkritischen, expressionistischen Holzschnitte von Carry Hauser (eigentlich Karl Maria) für lediglich 550 Euro. Hauser, dem das Wien-Museum zusammen mit O. R. Schatz bis 16. Mai eine spannende Ausstellung widmet, erhielt 1939 von den Nationalsozialisten Berufsverbot, ging in die Schweiz ins Exil, kehrte 1947 zurück nach Wien und wurde 1985 in einem Ehrengrab auf dem Hietzinger Friedhof beerdigt.

Bei der Innsbrucker Galerie Maier beeindruckt das Werk des bei einem Autounfall viel zu früh verstorbenen Malers Kurt Absolon (1925 – 1958). Seine Tusche- und Aquarellbilder kosten 7000 bis 27.000 Euro, eines seiner seltenen, farbenkräftigen Ölbilder kommt auf 39.000 Euro – die teure Ölfarbe konnte sich Absolon kaum leisten, er malte mit Farbresten seiner Kollegen. In seinem Pamphlet „Über den Avantgardismus“ spricht er sich erstaunlich radikal gegen die Abstraktion aus, die er als Folge eines „hochgradigen Realitätsverlustes“ sieht und die zu einer „verkümmernden optischen Erlebnisfähigkeit“ führe: „Mit mangelnder optischer Aufnahmefähigkeit verschwinden gewisse Bereiche der Darstellung aus der Kunst und am Ende die Darstellung selbst.“

Als gäbe es die Fotografie nicht. Beim Rundgang durch die Art Austria stellt sich diese Sorge als völlig unbegründet heraus, an vielen Ständen dominiert ganz klar eine derart gegenständliche Malerei, dass Absolon als Abstrakter gelten könnte. In viel zu vielen Werken dient die Farbe ausschließlich dekorativen Zwecken, andere begnügen sich mit der reinen Abbildung – als wäre die Fotografie nie erfunden worden. Eine Herausforderung für das Feingefühl sind auch heuer wieder die Hängungen: dicht beieinander, bisweilen übereinander und gern bis in die letzten Ecken zeigen die Galerien ihre Ware, die sogar auf die kleinen Türen zu den Lagern gequetscht werden. Das vernichtet jede Idee einer großzügigen Präsentation. Aber dazwischen gibt es immer wieder überzeugende Präsentationen, die „Frauengeschichten“ bei Krinzinger, mit Werken nur von Künstlerinnen, und „Elemente der Sprache“ bei Nächst St. Stephan.

Beide Galerien werden von der Art Austria als „Leitgalerien der Szene“ bezeichnet, womit die teils gravierenden Qualitätsunterschiede zwischen den 50 Messeteilnehmern erstaunlich deutlich formuliert sind. Ab und an gibt es aber auch überraschende Werke junger Künstler zu entdecken, wie Nataša Sienčnik bei der Klagenfurter Galerie 3/flux23. Sienčnik benutzt eine Maschine mit Faltblattanzeige, um aus dem Fragenkatalog des Hypo-U-Ausschusses zu zitieren. Wie auf den alten Bahnhofsanzeigen drehen sich Plättchen und schreiben immer neue Sätze: „Wann ist der Zustand Kärntens besorgniserregend geworden“, „Wie oft haben Sie mit Haider zu Abend gegessen“ und als letzte Frage: „Wieviel Heimat brauchen Sie?“ Diese Frage hat die Künstlerin hinzugefügt – sie könnte über jeder derart national angelegten Messe stehen.

Art Austria, bis 13. 3., 11 bis 18 Uhr

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2016)

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