Vom Mut zur Freiheit zum Glück

Pressekonferenz zur Vorstellung der neuen Buhlschaft im Schauspiel Jedermann fuer das Spieljahr 2016
Pressekonferenz zur Vorstellung der neuen Buhlschaft im Schauspiel Jedermann fuer das Spieljahr 2016imago/Rudolf Gigler
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Glaube an Kunst als erneuerbare Energie eint die Jubiläumsweggefährten hier. Auch Christoph Ransmayr schrieb kurzerhand etwas dazu, einen "Hirtenbrief". Er zweifelt an der Macht der Kunst.

Natürlich habe ich sofort Ja gesagt, als mich „Die Presse“, in deren Lehrredaktion mein herrliches Berufsleben 1971 begann, fragte, ob ich diese Jubiläumsnummer mitgestalten wolle. Da war ich also für drei Wochen Mitglied des zum dritten Mal in Folge zur besten Redaktion gewählten Teams und strengte mich natürlich mächtig an, Menschen auszuwählen, deren Meinung in Inhalt und Form dem Blatt zur Ehre gereichen. Die culpa in eligendo, die Schuld an der Auswahl, wurde mir dank der Ihnen vorliegenden Beiträge zum meritum in eligendo, meinem Verdienst an der Auswahl.

Auf all meine Jubiläumsweggefährten passt der Perikles-Satz „Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit, das Geheimnis der Freiheit aber ist der Mut“. Auch wenn sich einige von ihnen vielleicht dagegen wehren, als glücklich bezeichnet zu werden. Aber mutig sind und leben sie alle, obwohl oder weil „Kunst und Macht in einem Querstand-Verhältnis“ sind (O-Ton des in Wort und Klang so einzigartigen Komponisten Wolfgang Rihm). Ach wie schön, dass er seit 1982 programmatisch für uns einer der ganz Wichtigen ist: „Festspiele sind also die großen festlichen ,Schulen‘, wo erfahren werden kann, inwieweit es eine antwortfähige Virtuosität des Hörens gibt, die unterscheiden kann, was sie wie hört.“


Wir alle, die wir Kunst machen, ermöglichen oder aufnehmen, glauben wie Peter Ruzicka an „Kunst als eine stets erneuerbare Energie, die ein Gegengewicht zum geistlosen Weltlauf, zum systemimmanenten Versagen darstellt, ein ästhetisches Mittel zur Differenzierung und Urteilsschärfung“. Umso mehr beschäftigt alle der Zustand von Politik und Medien. Ungebremst provokativ empfiehlt Georg Baselitz, „dass der Künstler der Macht aufgrund seiner aggressiven Ungläubigkeit misstraut“. Geradezu bitter fordert Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa (ein jährlicher Festspielbesucher) die Verantwortung der Journalisten ein: „Die Vorstellung, dass der vorrangige Zweck des Journalismus nicht ist, zu informieren, Kritik zu üben oder zu dem Stellung zu nehmen, was in der Welt passiert, sondern zu unterhalten, öffnet eine gefährliche Tür.“ Ja, die schwer gestörte, aber für die Demokratie überlebensnotwendige Dreierbeziehung Bürger/Politik/Medien braucht dringend tragfähige Gesprächsforen. Ein solches soll auch diese Jubiläumsnummer sein.

Weil sich Christoph Ransmayr, gefeierter Festspieleröffnungsredner 1997 und bewunderter Autor, wegen der „Abschlussarbeiten an einem Roman, der im Spätherbst (in sicherem Abstand zur heiligen Messe in Frankfurt) erscheinen soll“, keine thematischen Seitensprünge erlauben wollte, hat er mir „nur“ einen Hirtenbrief gesendet.

Er sei mein Schlusswort: „Zur Macht von Literatur, Theater, bildender Kunst oder Musik lässt sich wenig sagen, aber viel fragen. Wenn, nur ein Beispiel, alle die wunderbaren Gedichte, Romane, Theaterstücke, Essays, die in einem Land wie den von Todesstrafe, Waffen und Kriegszügen begeisterten Vereinigten Staaten von Amerika geschrieben wurden, gemeinsam mit allen dort entstandenen Filmepen und Symphonien das Bewusstsein unter Stars & Stripes nicht so weit klären oder wenigstens besänftigen konnten, um einen so bösartigen und strohdummen Analphabeten wie Donald Trump, den Sonderbeauftragten für Trottelfrisuren, als Präsidentschaftskandidaten undenkbar zu machen.

Und ein näherliegendes Beispiel: Wenn alle Literatur und Kunst in den vielfältigen Kulturen und Sprachen Europas nicht verhindern konnten, dass die Utopie eines Vereinten Europas zu einem von Lobbyisten, kriminellen Bankiers, kriminellen Rating-Agenturen, Nationalisten und Rassisten beherrschten, kontinentalen Sauhaufen wurde – dann wird es mit der aufklärerischen und politisch wirksamen Macht der Kunst wohl nicht weit her sein. Möglicherweise hat der arme Mann aus Nazareth ja von der Kunst gesprochen, wenn er, als man ihn kreuzigte, gegen übertriebene Hoffnungen auf ein irdisches Paradies sagte: ,Mein Reich ist nicht von dieser Welt.‘“

zur person

Geboren 1948 in Salzburg alsTochter des ORF-Generalintendanten Gerd Bacher.

Als Journalistin begann sie nach dem Jusstudium in den Siebzigerjahren ihre berufliche Karriere bei der „Presse“, ging dann zur „Wochenpresse“ und zum „Kurier“.

Politisch wurde sie in den 1980er-Jahren für die ÖVP tätig, zunächst als Nationalratsabgeordnete, ab 1991 als Bundesobmannstellvertreterin. Ab 1985 war sie außerdem Vizepräsidentin der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Salzburg, ab 1988 deren Präsidentin.

Seit 1995 ist sie Präsidentin der Salzburger Festspiele. Zuletzt wurde ihr Vertrag bis Ende September 2017 verlängert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2016)

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