Prater-Austellung: „Den Wurschtl kaun kana daschlogn“

(C) Leo Jahn-Dietrichstein, Kinderkarussell, um 1955, Fotografie, Wien Museum
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Vor 250 Jahren wurde der Prater für das Volk geöffnet, der Wurstelprater entstand kurz darauf. Das Wien-Museum zeigt dazu, reizvoll gestaltet, 650 Exponate. Eine andere Schau erinnert an die jüdische Unterhaltungsszene.

In einem alten Wienerlied heißt es hoffnungsfroh: „Den Wurschtl kaun kana daschlogn“. Das birgt viel Widerstand und passt auch zum Prater, der vor 250 Jahren, am 7. April 1766, auf ein Avertissement Kaiser Josephs II. hin vom royalen Jagdgebiet in ein für die gesamte Öffentlichkeit zugängliches Freizeitareal verwandelt wurde.

Beinahe seit Beginn gehörte dazu auch der sogenannte Wurstelprater. Neben Bier- und Weinlokalen, Kaffeehäusern, Lebzeltern, einer Krapfenbäckerin und anderen Gewerben fürs leibliche Vergnügen gab es bald auch Ringelspiel, diverse Maschinen und eben den Hanswurst als Puppe. Aus der Stadt war diese derbe Komödienfigur längst vertrieben worden, nun stand der Hanswurst im Kasperltheater wieder auf. Die großen wie die kleinen Leute liebten diesen frechen Helden. Nicht einmal im Vormärz ließ er sich von der Obrigkeit den Mund verbieten.

Panoramen, durch Zufall gerettet

Der Prater war seit seiner allgemeinen Öffnung ein Schnittpunkt für alle Schichten, wie eine derzeit zu sehende Ausstellung im Wien-Museum Karlsplatz zeigt. Kuratorin Ursula Storch hat sie wie einen Prater in Miniaturform gestaltet: 650 Exponate bieten Vielfalt auf engstem Raum, Schaukästen sind gefüllt mit Panoramen aus den Fünfzigerjahren, die nur durch Zufall gerettet wurden; dazwischen ein uralter Autodrom-Wagen, viele Plakate, die Sensationen verheißen, und dann und wann ein Pferd von einem längst demontierten Karussell.

Hier gibt es Nostalgiepotenzial vor allem für Babyboomer und all die übrigen Generationen an Firmlingen, die von ihren Paten zumindest einmal in den Wurstelprater eingeladen worden sind. Von der Halbwelt dort, den Schiebereien, dem Stoßspielen und der Prostitution, die nach dem Zweiten Weltkrieg heftig florierten, bekamen die jungen Besucher wohl weniger mit.

Erst aber geht es bei der Schau zurück in höfische Zeiten. Anfangs war die Hauptallee vor allem zum Promenieren für die höheren Stände gedacht, für ihre Kutschen und Reiter, vor allem beim sonntäglichen Korso. Das „einfache Volk“ stand gern Spalier und bestaunte dieses Spektakel – oder spazierte abseits, in den Wiesen, in den Praterauen.

Treffpunkt für alle waren die Kaffeehäuser. Anders als im Zentrum konnten diese in der Vorstadt auch von Frauen besucht werden. Zum Massenandrang kam es in den ersten Jahrzehnten vor allem bei Feuerwerken, ersten Ballonfahrten, Konzerten und der Zurschaustellung von Kuriosa. Ab 1801 war das Panorama die Sensation, ein gewaltiges Rundgemälde, das die Betrachter in eine fremde Stadt versetzte. Beliebt war auch der Circus Gymnasticus mit Kunstreitern.

Ab der Weltausstellung 1873 diente der Prater als Standort für ehrgeizige Projekte wie die Frühlingsfeste, für den Aufbau eines kleinen „Venedig in Wien“ samt Kanälen, für Völkerschauen ganz im Geiste des Kolonialismus und sogar für eine Darstellung des Ersten Weltkriegs 1916. Dazu wurden eigens Schützengräben ausgehoben. Doch der Praterkorso verschwand während und nach dem Ersten Weltkrieg immer mehr, Fiaker und Equipagen verschwanden zugunsten der Fußgänger. Die Arbeiter nutzten die Allee später für Mai-Aufmärsche, der Ständestaat veranstaltete 1934 ein Weihefestspiel für Kinder, die Nazis arisierten den Praterbetrieb. Über allem drehte sich das Riesenrad, das spätestens nach dem Brand der Rotunde 1937 zu einem Wahrzeichen von Wien wurde.

„Jüdeln“ in der Leopoldstadt

Der jüdischen Unterhaltungsszene in der Leopoldstadt, zwischen Praterstraße und Taborstraße, widmet sich anlässlich des Praterjubiläums ein kleiner Raum des Jüdischen Museums in der Dorotheergasse. Seit 1890 entstand dort eine lebhafte Theater-, Tanz- und Showszene, die mit dem Anschluss zerstört wurde. Gespielt wurde unter anderem im Nestroyhof und im Hotel Stefanie, gesprochen wurde in den Stücken oft in einem wienerischen Dialekt mit jiddischen Einsprengseln, den man damals „Jüdeln“ nannte. Programmhefte, Theaterzettel und Plakate vermitteln einen schwachen Eindruck von dieser versunkenen Szene.

Der Glanz des Praters wurde nicht von außen zerstört, er verblasste nach und nach. Nur seine Attraktion als Naherholungsraum – die hat er bis heute nicht verloren.

„In den Prater! Wiener Vergnügungen seit 1766“ ist bis 21. August im Wien-Museum Karlsplatz zu sehen: Dienstag bis Sonntag u. Feiertag 10–18 h, am 1. Mai geschlossen. Katalog: Hrsg. Ursula Storch, broschierte Ausgabe, 168 Seiten, 22 Euro, erschienen im Residenz Verlag.

„Wege ins Vergnügen. Unterhaltung zwischen Prater und Stadt“ ist bis 18. September im Jüdischen Museum, Standort Dorotheergasse, zu sehen. So–Fr 10 bis 18 Uhr, Sa geschlossen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2016)

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