Venus, Maja und Bathsheba

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Bei der Alte-Meister-Auktion Im Kinsky kommen am 12. April auffällig viele nackte Damen unter den Hammer. Wie kann man sich das erklären?

Kaum eine Geschichte des alten Testaments wurde von den Alten Meistern so oft gemalt wie jene von Bathsheba: Sie war die Frau von Urjia, der als Offizier im Dienst von König David mit dem israelitischen Heer vor Rabba lagerte – dem heutigen Amman in Jordanien. Eines Tages beobachtete König David die junge Frau beim Baden, schickte ihr einen Brief und befahl sie zu sich. Als der König später erfuhr, dass Bathsheba von ihm schwanger war, wollte er den Ehebruch vertuschen und holte Urjia zurück nach Jerusalem.

Der Plan ging nicht auf, denn Urjia kam zwar, hielt sich aber an den Ehrenkodex, der sexuelle Enthaltsamkeit während eines Feldzugs vorschrieb. Da beauftragte David in einem Brief an den Hauptmann, Urjia im Kampf hinterlistig sterben zu lassen. Nach Urjias Tod ehelichte David die schöne Bathsheba, das Kind allerdings starb kurz nach der Geburt. Bathshebas anderer Sohn, Salomon, wurde später der Thronfolger.

Auch wenn die Bibelgeschichte es nicht explizit erklärt, stellten viele Künstler die junge Frau doch als bewusste Verführerin dar. Auch Salomon Koninck (1609 bis 1656, Amsterdam) folgt dieser Auffassung und setzt Bathshebas nackten Körper opulent in Szene. Anders als die meisten Maler verzichtet der niederländische Meister auf jegliche Darstellung des Königs oder dessen Schloss. Dafür hält Bathsheba den todbringenden Brief in ihrer Hand – und schaut herausfordernd den Betrachter an, womit wir zu Voyeuren, ja, zu Mitwissern werden.

Das Werk dieses Meisters der sogenannten Rembrandt-Schule kommt jetzt Im Kinsky in der Alte-Meister-Auktion am 12. April unter den Hammer, geschätzt auf 50.000 bis 100.000 Euro. 146 Lose werden versteigert, und immer wieder fällt dabei der nackte weibliche Körper auf – eine kulturelle Konstante in der westlichen Kunstgeschichte, die in der Malerei übrigens mit den Bibelgeschichten von Bathsheba und Susanna im Bade begann. Die schöne, fromme und mit einem reichen Mann verheiratete Susanne wird von zwei alten Richtern verfolgt, die sie beim Baden beobachten und mit ihr schlafen wollen. Als Susanna dieses verweigert, klagen die zwei sie des Ehebruchs an. Doch am Ende siegt die Gerechtigkeit. In der Antike sind die Götter meist nackt – womit sollten sie auch gekleidet sein, alles trüge ja eine Aussage in sich. In der biblischen Schöpfungsgeschichte ist die Nacktheit ein Symbol für Unschuld und Unbewusstheit, die Scham setzt erst mit dem Sündenfall ein, weswegen das Jesuskind in so vielen Bildern nackt dargestellt wird. Im Kinsky steht Ridolfo del Ghirlandaios (1483 bis 1561, Florenz) „Madonna mit Kind und Johannesknaben“ zum Verkauf. Ein schmales Tuch bedeckt ansatzweise den Schritt des Knaben, denn so genau sollte das Geschlecht hier nicht zu sehen sein (50.000 bis 100.000 Euro).

In der Kunst ist die Nacktheit nicht wegzudenken, von den syrischen Statuetten des 8. Jahrhunderts v. Chr. über die mythologischen Figuren der Antike bis zu den Engeln der Römer und den Heiligen wie dem Hl. Sebastian wird der unbekleidete Körper meist idealisiert dargestellt. Und manchmal auch höchst reizvoll wie in Pietro Liberis' (1605 bis 1687, Italien) „Venus und Amor“ (1658/59). Zwar sehen wir nur den nackten Rücken der Venus, er ist allerdings voller Sinnlichkeit. Liberis lebte 1658/59 in Wien und wurde von Erzherzog Leopold Wilhelm von Österreich gefördert. Eine ähnliche „Venus und Amor“-Darstellung befindet sich im Kunsthistorischen Museum in Wien. Im Kinsky ist das Bild auf 15.000 bis 30.000 Euro geschätzt.

Eine ganze Tafelrunde voller nackter Frauen und Putti zeigt Jan Brueghel der Jüngere (1601 bis 1678, Antwerpen) auf seinem Bild „Die fünf Sinne“ (1630 bis 1635) – dem Spitzenlos der Auktion, geschätzt auf 150.000 bis 300.000 Euro. Vier Frauen sitzen an einem Tisch, der Gehörsinn spielt eine Laute, der Gesichtssinn schaut in einen Spiegel, und vorn liegt der Gefühlssinn als nackte Venus auf dem Boden, liebkost von Armor. Lediglich der Geruchssinn ist bekleidet, was wahrscheinlich kompositorische Gründe hat.

Interessant ist hier auch das Bild im Bild, das den Sündenfall im Paradies zeigt. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts waren solche christlichen Darstellungen als Gegengewicht zu weltlich-allegorischen Themen üblich. Fröhlich lässt Cornelis van Cleve (1520 bis ca. 1570, Antwerpen) eine ganze Horde von nackten, knabenhaften Putti ausgelassen miteinander tanzen, im Kinsky ist der „Puttenreigen“ mit 3500 bis 7000 Euro angesetzt. Aus dem Umkreis des Italieners Francesco Ruschi stammt die „Allegorie der Malerei“, geschätzt auf 2500 bis 5000 Euro. Die Malkunst wird meistens als Frau mit Pinsel und Palette personifiziert. Hier aber stehen nicht die künstlerischen Utensilien im Zentrum des Bildes, sondern die entblößte Brust und der entrückte Blick.

Der entkleidete, weibliche Oberkörper scheint weitaus weniger nackt zu sein als das Geschlecht, das oft mit Tüchern oder wie bei Heinrich Friedrich Fügers (1751 bis 1818) „Geburt der Venus“ (35.000 bis 70.000 Euro) sogar mit einer Wolke verdeckt wird. Bei der Nacktheit in der Kunst geht es um die idealisierte Form, um Jugendlichkeit, Kraft, bei Männern oft um Kampfwille, manchmal auch Keuschheit – und immer um die Schönheit des Körpers und die künstlerische Herausforderung, Haut zu malen. Aber nicht alle Länder teilen diese Auffassung. Als Francisco Goya Ende des 18. Jahrhunderts „Die nackte Maja“ malte, wurde er vor die Spanische Inquisition zitiert und verlor seinen Titel des königlichen Hofmalers. 1930 gab Spanien zu Ehren des Malers eine Briefmarke mit eben diesem Bild heraus. Das führte in den USA zu großer Empörung, und in der Folge durften Briefe mit dieser Marke in den USA nicht ausgetragen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2016)

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