Kathi Hofer: Walkjanker in New York

Verreist. Kathi Hofer lebt und arbeitet momentan in Los Angeles.
Verreist. Kathi Hofer lebt und arbeitet momentan in Los Angeles.(c) Beigestellt
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Kathi Hofer beschäftigt sich mit längst obsolet gewordenen Dingen. Im Mumok recycelt sie ihre Familiengeschichte.

Seit März kann es passieren, dass man gänzlich Unmodernes, ja sogar Altbekanntes, im Museum für Moderne Kunst in Wien wiederfindet. In der Ausstellung Hawser/Hofer beschäftigen sich die beiden jungen Künstlerinnen Eloise Hawser und Kathi Hofer mit der Nostalgie als Begriff, den es kritisch zu reflektieren gilt. „Nostalgie ist eine wichtige Empfindung, die einem bewusst macht, was in der Gegenwart fehlt“, sagt die Salzburgerin Hofer, „man sollte sie als Erkenntnismoment nutzen und Konsequenzen für die Zukunft ziehen.“ Ein ähnlicher Moment war auch die Initialzündung für die Idee zur Ausstellung. In einem New Yorker Secondhandshop fällt der Künstlerin plötzlich ein traditionell österreichischer Walkjanker in die Hände. Das Etikett spricht Bände.

Gebraucht. Die Kettelmaschine verbindet die beiden Bereiche von Hawser und Hofer.
Gebraucht. Die Kettelmaschine verbindet die beiden Bereiche von Hawser und Hofer.(c) Beigestellt

Mit „Made in Austria“ nach Paris. Der Name Hofer stand bis 2003 für ein österreichisches Traditionsunternehmen in St. Johann im Pongau. Gegründet wurde es 1947 von Kathi Hofers Urgroßvater, zuletzt geführt hat es ihr Onkel. Man stellte Janker und andere Produkte aus gewalkter Wolle her. Die Rohwolle wurde vor Ort zum Faden gesponnen, auf Handstrickmaschinen verarbeitet und anschließend gewalkt. Der Hoferjanker war ein lokales Qualitätsprodukt erster Güte. Das gefiel nicht nur den einheimischen Stammkunden, sondern auch der internationalen High Society. „Der glamouröse Teil unseres Betriebes war mir nie bewusst gewesen, obwohl im Büro meiner Großeltern immer dieses Poster mit Grace Kelly im Walkjanker hing“, erinnert sich die Künstlerin. Sie fing an zu recherchieren. Und entdeckte Hoferjanker in der „Vogue“ und auf den Laufstegen von Paris. Der japanische Designer Kenzo, ansässig in der französischen Hauptstadt, hatte für seine Winterkollektion 1977/78 Walkmäntel, -janker und -gilets von Hofer fertigen lassen. „Fast die gesamte Kollektion bestand aus Hoferprodukten, weiß der Hofer-Spross zu berichten, „und auch die Schnitte wurden größtenteils übernommen.“ Doch dieser Glamour ist heute vorbei, die Strickmaschinen sind verkauft, der Hoferjanker nur mehr ein Relikt vergangener Tage.

Verreist. Kathi Hofer lebt und arbeitet momentan in Los Angeles.
Verreist. Kathi Hofer lebt und arbeitet momentan in Los Angeles.(c) Beigestellt

Janker werden zu Leinwänden. Bereits 2012 hat sich Kathi Hofer in der Ausstellung Craftivism im MAK mit Entstehungsprozessen von Objekten auseinandergesetzt und dabei die handwerkliche Tätigkeit im Verhältnis zu kommerzialisierter Kreativität ausgelotet. Dabei gelte das Interesse ihrer Arbeit immer dem künstlerischen Bezug zu Objekten und ihren Relationen zu den Menschen. Mit der Suche nach Identitäten und identitätsstiftenden Objekten schlage sie auch bewusst eine Brücke zur Mode: „Stil hat viel mit Identität zu tun, ein Kleidungsstück finde ich als Objekt interessant, und so betrachtet kann Mode zur Kunst werden.“ Ganz in der Tradition des Ready-made präsentieren sich die Exponate im Mumok und nehmen an den weißen Wänden des Ausstellungsraumes doch eine neue Identität an. Pinnwände und Walkjanker werden zu minimalistischen Gemälden, Kleiderständer zu abstrakten Installationen, die Stücke wirken altmodisch und futuristisch zugleich. Dabei stammen all diese Dinge direkt aus dem Betrieb der Familie. Nichts wurde neu angefertigt, sogar die Holzstangen, auf denen sich Hoferjanker in allen Farben tummeln, stammen aus dem Unternehmensbesitz. Das Spiel mit dem Vintage-Trend ist bewusst gewählt. Die Assoziationen mit eigenen und kollektiv-österreichischen Kindheitserinnerungen sind gewünscht: „Meine eigene Geschichte und mein eigenes Nostalgieempfinden treten so in eine Wechselbeziehung zur persönlichen Nostalgie des Publikums.“ Mit kleinen Hinweisen regt Kathi Hofer in der Ausstellung aber auch den Diskurs über Original und Ursprungsform, Vermischung von Inspirationen und Identitätsentwürfen an.

Gepinnt. Ein Displayelement mit Stoff­proben verwandelt sich in ein minimalistisches Gemälde.
Gepinnt. Ein Displayelement mit Stoff­proben verwandelt sich in ein minimalistisches Gemälde.(c) Beigestellt

Während das Traditionsunternehmen Hofer nach der Kooperation mit Kenzo die knalligen Farben ins Sortiment übernahm, entwarf Kenzo Krawatten mit alpenländischem Blumenmuster. „Mit der Krawatte in der Ausstellung wollte ich den Blick einmal umkehren und das Publikum sozusagen von außen auf die österreichische Kultur blicken lassen, man könnte das als Selbstexotifizierung bezeichnen“, erklärt die momentan in Los Angeles lebende Künstlerin. Dort nimmt sie am MAK Center am Artists-and-Architects-in-Residence-Program teil und möchte weiter am „Hofer-Thema“ dranbleiben. Sie kann sich sogar vorstellen, die Produktion der Janker wiederaufzunehmen und sich ganz der Mode zu widmen.

Tipp

Mumok. Hawser/Hofer, Ebene –2, noch bis 22. 5., Mo 14–19 Uhr; Di–So 10–19 Uhr, Do 10–21 Uhr www.mumok.at

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