Kreta-Viertel: Hartes, hippes Pflaster

(c) Franz Svoboda
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Eine fotografische Spurensuche in Wien Favoriten und seltene Fotobücher stehen im Fokus des Photobook Festivals.

Einst galt es als die ärmste und gefährlichste Gegend Wiens, das Kreta-Viertel: Vermutlich bekam es seinen Namen verpasst, als auf der griechischen Insel 1896 schwere Unruhen tobten – Zustände, die man hier wiederzuerkennen glaubte. Ein sozialer Brennpunkt ist das Areal in Wien Favoriten immer noch, auch wenn die angrenzende Ankerbrotfabrik regelmäßig Kunstfans und Hipster anlockt.

In der Ankerbrotfabrik ist auch Regina Anzenbergers Fotogalerie zu Hause, und es ist die von ihr initiierte Anzenberger Masterclass, in deren Rahmen sich nun schon zum zweiten Mal eine Reihe von Fotografen dem berüchtigten Viertel durch die Linse näherte. Elf Fotografen – Profis und Hobbyknipser, zwischen 19 und 60 Jahren, aus verschiedenen Ländern – wurden ein Jahr lang von renommierten Mentoren begleitet, bekamen Tipps für ihre künstlerische Arbeit, die Aufbereitung, die Vermarktung, und bewegten sich mit der Kamera durch Favoriten. „Wir haben den Bereich diesmal über das Kreta-Grätzel hinaus erweitert, um das Sonnenviertel, bis zum Hauptbahnhof“, sagt Anzenberger. „Das war besonders spannend. Die Masterclass hat im September begonnen, da kamen die Flüchtlinge. Da hat die Dokumentation auch eine historische Dimension bekommen.“

Intim. Welchem Teil des Viertels sich ein Fotograf widmete, war ihm überlassen: Silvia Scheid etwa nahm Por­träts von Schwimmern im Amalienbad auf – von oben, mit der spiegelnden Wasseroberfläche als Hintergrund –, Fabian Kasper, der jüngste Teilnehmer der Masterclass, schloss Kontakte mit jungen Leuten im Viertel, blieb über Nacht bei ihnen und schoss intime Alltagsfotos.
Das Ergebnis der fotografischen Spurensuche wird nun in gedruckter Form zu betrachten sein: „Kreta 2“ wird gemeinsam mit weiteren Fotoprojekten der Masterclass-Teilnehmer im Rahmen des Vienna Photobook Festivals präsentiert. Das Festival, gegründet von Regina Anzenberger und Michael Kollmann von der Galerie Ostlicht, lädt bereits zum vierten Mal Sammler, Fotografen, Verlage und Fotobuchfreunde in die Ankerbrotfabrik.

Was das Fotobuch für Fotografen wie auch Betrachter zum Medium der Wahl macht? „Einerseits ist da der Wegfall des Magazinmarkts“, meint Anzenberger. Fotografen könnten ihre Reportagen nicht mehr so leicht unterbringen, was sie veranlasse, ihre Geschichten als Fotobuch zu präsentieren. Das Internet gebe ihnen die Möglichkeit, auch ohne (große) Verlage ihre Bücher zu vertreiben. „Ein Fotobuch schafft auch Ordnung“, sagt sie in Hinblick auf die Bilderflut im Netz. Nicht zuletzt hätten Sammler Fotobücher für sich entdeckt. „Zu einer guten Literaturbibliothek gehört auch eine gute Fotobibliothek.“

Vielversprechende Entwürfe, die bald auf Couchtischen oder in Regalen landen könnten, werden im Rahmen der Vienna Photobook Review ausgewählt: Von 100 Bewerbungen unveröffentlichter Fotobuch-Dummys wurden 30 nach Wien geladen, eine Expertenjury aus unter anderem Verlegern und Kritikern kürt hier einen Gewinner. Unter den Kandidaten ist übrigens auch ein Projekt der Masterclass-Teilnehmer aus dem Vorjahr: Sie betrieben am Reumannplatz ein temporäres Fotostudio, in dem sie Menschen unterschiedlicher Nationalitäten fotografierten. Daneben baten sie Bewohner um alte Aufnahmen aus dem zehnten Bezirk. Eine Frau brachte etwa Fotos vom Viktor-Adler-Markt aus den 1930er-Jahren – sie werden im Fotobuch nun den Aufnahmen von heute gegenübergestellt.

Tipp

Vienna Photobook Festival. 11. bis 12. Juni, Ankerbrotfa­brik Wien. Eintritt:
4 Euro. www.viennaphotobookfestival.com

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