Art Basel: Beruhigung, keine Krise

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Die Art Basel ist die wichtigste Messe, das wichtigste Stimmungsbarometer für den Markt für moderne und zeitgenössische Kunst.

Betrachtet man die Art Basel als verlässliches Stimmungsbarometer der Befindlichkeit des internationalen Kunstmarkts, dann darf konstatiert werden, dass der Überhitzung im vergangenen Jahr nun eine gewisse Beruhigung zu folgen scheint. Eine Beruhigung, gewiss keine Krise. Trotz täglichen, oft strömenden Regens wurde die diesjährige 47. Ausgabe der Kunstmesse mit guter Laune eröffnet.

Scheuen doch Sammler aus aller Welt nach wie vor nicht vor größeren Ausgaben zurück. Gerade in einer Zeit politischer und wirtschaftlicher Instabilität gilt Kultur als vergleichsweise sicheres Investment. Doch gehen die Kunstanleger heuer mehr als zuvor auf Nummer sicher.

Der Fokus der Art Basel liegt eindeutig auf etablierten Zeitgenossen und Arbeiten der Klassischen Moderne, ganz im Gegensatz zum rundum zu konstatierenden Markttrend der Emerging Art“ Sammler wie Hollywood-Agentin Beth Swofford (sie vertritt unter anderen die Oscar-Preisträger Alejandro Inarritu, Sam Mendes und „Star Wars“-Regisseur J. J. Abrams) gestehen freimütig, weniger an Trends als an historischen Arbeiten interessiert zu sein.

Wichtig ist Exklusivität. Galeristen legen denn auch besonderen Wert auf Exklusivität, präsentieren möglichst Werke, die der Öffentlichkeit – und dem Kunstmarkt – lang nicht zugänglich waren. Die Fondation Beyeler, deren Herbstausstellung dem Blauen Reiter gewidmet sein wird, gibt mit zwei außergewöhnlichen Arbeiten von Wassily Kandinsky und Franz Marc den Ton an. Ein paar Stände weiter zeigt David Zwirner drei Bilder des italienischen Künstlers Giorgio Morandi, dessen Werk seit Langem beinahe ausschließlich in musealem Kontext zu sehen war. Zwei der Bilder wechselten gleich am ersten Tag binnen weniger Stunden (jeweils für über eine Million Dollar) den Besitzer.

Am Wochenende vor der Art Basel war in Zürich die Europäische Biennale Manifesta eröffnet worden. Viele Sammler kamen daher schon früher in die Schweiz, nicht zuletzt auch, um die große Retrospektive des französischen Avantgardemeisters Francis Picabia im Kunsthaus Zürich zu sehen. Galerien wie die von Michael Werner oder Hauser & Wirth gelang es, jeweils eines von dessen sehr schwer zugänglichen Werke auch auf der Messe zu zeigen.

Auch die Londoner Galerie Victoria Miro, deren Stand zur Hälfte der Porträtkunst gewidmet ist, zeigt eine bis dato nie öffentlich zugängliche Arbeit der US-Künstlerin Alice Neel von 1963.

Auffällig viele Künstlerinnen. Auffallend ist die starke Präsenz von Künstlerinnen, etwa von Katharina Grosse, die von der Berliner Galerie Koenig sowie der Wiener Galeristin Rosemarie Schwarzwälder repräsentiert wird, oder der jungen französischen Bildhauerin Camille Henrot, die in einer Duo-Präsentation mit einer der wohl wichtigsten lebenden Künstlerin, Cindy Sherman, bei Metro Pictures (New York) zu erleben ist.

Oligarchentochter und Kunstsammlerin Maria Baibakova, der die Präsenz weiblicher Kunstschaffender besonders am Herzen liegt, schwärmt im Gespräch von den Arbeiten der polnischen Newcomerin Alicja Kwade, die wie die Schweizer Künstlerin Pamela Rosenkranz in der Sonderpräsentation überdimensionaler Kunst, Art Unlimited, zu entdecken ist.

Echter Trendsetter bei diesem von Gianni Jetzer kuratierten Sektor ist aber definitiv die Politik. Thaddäus Ropac zeigt eine über 14 Meter lange und fünf Meter hohe Arbeit von James Rosenquist, einem Pionier der Pop-Art, deren Titel „Four New Clear Women“ als Wortspiel auf weibliche politische Figuren wie Margaret Thatcher und Nuklearwaffen verweist. Besonders aktuell wirken die Collagen Martha Roslers aus den 1960er- und 1970er-Jahren. Die New Yorkerin stellt in „Living-Room-War“ Fotos von Apartments wohlhabender Amerikaner verstümmelten Opfern des Vietnamkrieges gegenüber. Die deutliche Anspielung auf (Des-)Information durch die Medien erschließt sich dem Betrachter von anno 2016 unschwer.

Politisch engagierte sich die Art Basel diesmal auch selbst. Montagabend, vor dem First Choice VIP Opening der Messe, wurde zugunsten der Bekämpfung von Aids in Afrika durch das UN-Programm UNAIDS Kunst versteigert. Der legendäre Auktionator Simon de Pury leitete die Versteigerung und der ehemalige Generalsekretär Kofi Annan wurde für sein Engagement im Kampf gegen das Virus geehrt. Gastgeber waren u. a. die zwei Enkelsöhne Nelson Mandelas, deren Eltern frühzeitig an Aids verstorben sind.

Die lybische Prinzessin Alia al-Senussi, die auch als Art-Basel-VIP-Liaison für den Mittleren Osten zuständig ist, führte die Mandela-Enkel, die zum ersten Mal auf der Kunstmesse waren, durch den Unlimited-Sektor. Dort sahen die beiden die dreikanälige Videopräsentation des südafrikanischen Künstlers William Kentridge. Besonders berührend, hat doch der Vater des Künstlers Nelson Mandela damals vor Gericht in seinem Kampf gegen Apartheid verteidigt.

Art Basel läuft noch heute, 19. Juni.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2016)

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