Cunningham: Modefotograf und Faktotum

Bill Cunningham.
Bill Cunningham.(c) REUTERS (CARLO ALLEGRI)
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Bill Cunningham, Legende der „New York Times“, starb im Alter von 87 Jahren. Seine Fotos in der Sonntagsausgabe bildeten Street Fashion ab und setzten Trends.

Wien/New York. Jeden Sonntag erscheint im mehrere Kilo schweren Papierstapel der „New York Times“ eine ganze Seite mit Blitzlichtern von Partys und Premieren, von Galas und Vernissagen – kurzum: von den Schönen, Reichen und Berühmten. Dazwischen freilich mischen sich auf der Seite „On The Street“ Schnappschüsse von Menschen auf den Straßen der Metropole, wie sie in Gummistiefeln über Regenpfützen hüpfen oder die Farben des Frühlings im Central Park oder in Chelsea spazieren tragen – und dabei Street Fashion kreieren und so Trends schaffen, die später auf den Modeschauen der Designer für Furore sorgen.

Fast 40 Jahre lang, den Großteil für die „New York Times“, lichtete Bill Cunningham als Chronist die Celebrities New Yorks ab, die Rockefellers und Vanderbilts und wie sie alle heißen. Mehr noch interessierte er sich freilich für die No-Names, wie er selbst einer war, bevor er als Fotograf zu einem Faktotum und schließlich zu einer Legende wurde – mit seinem Fahrrad, auf dem er bis ins hohe Alter von 87 Jahren durch die Straßenschluchten Manhattans flitzte und seiner „Uniform“, die aus einer groben blauen Jacke bestand, aus einer Khaki-Hose und schwarzen Sneakers.

Am Wochenende starb der Fotograf an den Folgen eines Schlaganfalls, und in der Sonntagsausgabe des Weltblatts erschien diesmal Bill Cunningham auf der Nachrufseite, mit einer Würdigung des „Kulturanthropologen“ durch den Herausgeber und den Chefredakteur. Lange Zeit hatte Cunningham eine Anstellung der Zeitung abgelehnt, erst als ihn 1994 ein Lastwagen anfuhr, akzeptierte er das Angebot – wegen der Krankenversicherung, wie er eingestand. Er selbst führte ein höchst bescheidenes Leben, er lebte in einem kleinen Studio und schlief auf einer Pritsche.

New Yorker Markenzeichen

Die Auszeichnungen, die er im Laufe der Jahre ansammelte, bedeuteten ihm wenig. 2008 erhielt er in Paris den Orden der Ehrenlegion, das Magazin „New Yorker“ publizierte eine Hommage, und zuletzt kam ein Dokumentarfilm über ihn heraus, bei dessen Premiere er zwar die Fotos schoss, den er angeblich nie sah. „Er wollte Objekte finden, nie Objekt sein“, schrieb die „New York Times“ über den Modefotografen und gelernten Hutmacher, der es selbst zu einem Markenzeichen der New Yorker Gesellschaft brachte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2016)

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