Akademie der bildenden Künste: Boschs Glamour und Gottes Drohnen

Wie moderne Erzengel fallen Drohnen ins Weltgerichts-Triptychon ein: eine Hommage an Bosch, 500 Jahre nach seinem Tod, vom Zagreber Künstler Ivica Capan.
Wie moderne Erzengel fallen Drohnen ins Weltgerichts-Triptychon ein: eine Hommage an Bosch, 500 Jahre nach seinem Tod, vom Zagreber Künstler Ivica Capan.(c) Capan
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Die Gemäldegalerie hat eine neue Direktorin. Ihre erste Ausstellung bestreitet sie mit Grafik aus dem Kupferstichkabinett. Und Hieronymus Boschs Weltgerichts-Triptychon bekommt bedrohliche Gesellschaft.

Schon 471.000 Menschen pilgerten heuer nach S'Hertogenbosch, um dort die große Ausstellung zum 500. Todestag von Hieronymus Bosch zu sehen. Weitere Hunderttausende folgten dem Bosch-Tross nach Madrid, um dort bis 11. September im Prado den großartigen Rest zu sehen. Währenddessen bleibt mitten in Wien eines der Hauptwerke des mittelalterlichen Grotesken- und Apokalypsenmeisters von all dem Trubel (fast) unversehrt: in der Akademie der bildenden Künste. Hier, im ersten Stock dieser den Wienern immer ein wenig unheimlichen Kunstuniversität am Schillerplatz, befindet sich eine kleine, äußerst feine, öffentlich zugänglich Gemäldegalerie – und nein, man muss weder eine Aufnahmeprüfung absolvieren, um hier eintreten zu dürfen, noch spukt hier Schiele im Aktsaal (der ist sowieso in der anderen Richtung, nämlich im Keller), noch grölen hier links-linke, anarchistische, nackte Performerinnen ihre Parolen (jedenfalls nicht dauernd). Man muss einfach nur ein Ticket kaufen.

Mit den durchaus komplexen Gründen, warum das bisher nur so selten geschieht, darf sich seit Kurzem eine neue Direktorin befassen, die gestern ihre erste „eigene“ Ausstellung eröffnete. Anscheinend bewusst entschied sich die Deutsche Julia M. Nauhaus, die zuvor das Lindenau-Museum in Altenburg geleitet hat, nicht für ein Statement in Richtung Popularisierung, etwa mit einem Bosch-Thema. Sie wählte vielmehr als ersten Auftritt ein Bekenntnis zur eher trockenen Kunstgeschichte, zu den Beständen des Kupferstichkabinetts, das nun ebenfalls, gemeinsam mit den anderen zwei Akademie-Sammlungen, Gemäldegalerie und Glyptothek, unter ihrer Führung steht.

Ganz wie in der alten Albertina

Etwa ein Drittel der Gemäldegaleriefläche wurde für diesen Gastauftritt frei geräumt. Im wenig attraktiven grünen Korridor hängt jetzt chronologisch geordnet „Altbekanntes & Unerkanntes“ aus Wiens zweitwichtigster Grafiksammlung nach der Albertina, darunter die mittlerweile auch schon zehn Jahre nicht mehr gezeigte Dürer-Kohlezeichnung eines „18-jährigen Jünglings“ von 1503. Praktisch nie zu sehen waren dagegen Blätter wie das äußerst elegante „Brustbild einer jungen Dame“ von einem unbekannten Künstler um 1500, die älteste Silberstiftzeichnung der Sammlung. Oder eine Weide mit Kirchenruine und zwei sehr treuherzig blickenden Kühen von Anton Crussens von 1654.

Prinzipiell wird dieser lange Gang mit den 36 Zeichnungen aus dem 15. bis 17. Jahrhundert vor allem aber die Damen und Herren erfreuen, die immer noch der alten, also streng der Grafik vorbehaltenen Albertina, Gott hab sie selig, nachtrauern. Die finden wohl auch am ehesten noch den Weg hierher. Was aber ist mit neuen, vielleicht ja jüngeren Publikumsschichten?

Die könnten ab nächster Woche nebenan glücklich werden, nicht nur das Bosch-Triptychon in voller Pracht bestaunen, sondern auch eine Zweitversion dieser herrlich erhaltenen Weltgerichtstafeln mit Drohneninvasion. Als temporäre Intervention wird vom Zagreber Künstler Ivica Capan eine Eins-zu-eins-Hommage an Bosch aufgehängt, in der er digital vervielfältigte weiße Drohnen durch Himmel und Hölle schickt (siehe Abbildung). Wie früher Gott am Himmel thronte und alles teilnahmslos beobachtete, tun das heute die Drohnen. Sind sie etwa die neuen Erzengel? Finden Fremdkontrolle, Überwachung heute nur unter anderen ideologischen Vorzeichen statt? Oder nicht einmal? Die Drohnen Gottes? Was für ein Thema!

Im Herbst (26. 8. bis 30. 10.) folgt dann noch eine Ausstellung über „Mischwesen, Gnome und Monster (nicht nur) bei Hieronymus Bosch“, ab 14. Dezember ist dann dem Weltgerichts-Triptychon eine eigene Ausstellung samt neuen Forschungsergebnissen gewidmet. Im nächsten Jahr wird's dann langsam ruhig, im Herbst 2017 zieht die Akademie vorübergehend aus, wahrscheinlich in die ehemalige Wirtschafts-Uni; bis 2020 soll das Hauptgebäude am Schillerplatz generalsaniert werden. Dabei werden natürlich auch die Sammlungen bedacht, in einem der Höfe sollen ein Studiensaal und ein Depot entstehen, in dem dann die zum Teil in die Albertina ausgelagerte Kupferstichsammlung wieder zusammenkommen soll. Die 160.000 Katalognummern umfassende Sammlung ist übrigens noch immer nicht völlig aufgearbeitet, so Direktorin Nauhaus. Vor allem einige der umfangreichen Schenkungen und Legate harren noch in Schachteln. Neben den rund 40.000 Zeichnungen und 100.000 Druckgrafiken, die vom 15. Jahrhundert bis ins Heute reichen, es wird immer noch angekauft von Lehrenden und Absolventen der Uni, ist es vor allem das Konvolut der 20.000 historischen Fotografien, das jetzt angegangen werden soll, ein Forschungsprojekt sei bereits angeleiert, so Nauhaus.

Man versteht, dass es nicht einfach ist, Mittel aufzustellen in diesem seltsamen Konstrukt aus Lehrsammlung und Museum. Versteckt im Bauch des Kunst-Akademie-Tankers ist die Institution auch für Sponsoren jetzt nicht rasend interessant. Und die Sponsoren, die sich für Alte Kunst interessieren, interessieren sich manchmal so gar nicht für die der Gegenwart. Und umgekehrt. Obwohl das in der Regel schon viel offener geworden ist in den vergangenen Jahren. Vielleicht ist mit neuer Direktorin, neuen Räumen und einer Vision endlich auch hier Neues möglich.

Ausstellungen: „Altbekanntes & Unerkanntes“, bis 9. 10.; Ivica Capan, „Drohnen im Paradies“, 6. Juli bis 9. Oktober. Di–So 10–18 h. Schillerplatz 3, 1. Stock.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2016)

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