Steirische Jagdleidenschaft und Kunstsinn

Auktionshaus im Kinsky. Im Rahmen der 113. Kunstauktion wird auch der Nachlass von Carl-Anton Goess-Saurau und seiner Frau Marie, geborene Mayr-Melnhof, aus Schloss Pfannberg versteigert.

Wien. Hinter der bevorstehenden Kunstauktion im Kinsky verbirgt sich ein veritables Kapitel österreichischer adeliger Familien- und Unternehmergeschichte. Den Ausgangspunkt bildet die Verlassenschaft von Carl-Anton Goess (1921–2015), Spross einer hochadeligen Kärntner Forstbesitzer- und Unternehmerfamilie. Durch seine Heirat im Jahr 1948 mit Marie Mayr-Melnhof (1921–1996), Erbin eines Großteils der steirischen Mayr-Melnhof-Besitzungen, vermählten sich zwei einflussreiche österreichische Dynastien, um unter dem Namen Goess-Saurau den steirischen Zweig der Familie zur begründen.

Zur Mitgift von Marie Mayr-Melnhof gehörte nicht nur der im 19. Jahrhundert erworbene Familiensitz Schloss Pfannberg, sondern auch eine über Generationen angelegte, ebendort aufbewahrte, so wertvolle wie umfangreiche Kunstsammlung, deren verzweigte Entstehungsgeschichte bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Ihren Grundstein bildeten Gemälde alter Meister und Möbel der Barock- und Renaissancezeit. Zu den Spezialitäten der Kunstsammlung zählen eine ungewöhnliche Kollektion geschnitzter Steinbockhorndosen und -becher aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert, angelegt von Baron Franz Mayr-Melnhof (1888–1957), sowie eine Sammlung von Alt-Wiener Porzellanfiguren, die dem Faible seiner Gemahlin Baronin Marie Mayr-Melnhof (1895–1946) geschuldet ist.

Versteigerung der Sammlung

Das Schloss fiel während des Zweiten Weltkriegs, als es Sitz der alliierten Truppen war, einem Brand zum Opfer und wurde fast bis auf die Grundmauern zerstört. In weiser Voraussicht war die Sammlung zuvor unter Mithilfe der lokalen Bevölkerung auf die umliegenden Bauernhöfe ausgelagert worden. Nach dem Wiederaufbau holten Carl-Anton und Marie Goess-Saurau die Kunstsammlung nach Neu-Pfannberg zurück und erweiterten sie bis in die jüngste Vergangenheit. Nach dem Tod von Carl-Anton Goess wird die Verlassenschaft nun bei den Wiener Kunstauktionen versteigert.

„Manche Sammlungen gehen in Museen über, meistens aber lösen sie sich eines Tages auf, um wieder in den Kreislauf des Sammelns und Jagens einzugehen“, beschreibt Geschäftsführer Michael Kovacek diese nicht alltägliche Bereicherung im Angebot des Auktionshauses und spielt damit auf ihr ungewöhnliches Segment an – die Jagdsammlung, in der sich Kunstsinn mit Leidenschaft paart. Kovaceks Expertise: „Eine Sammlung, die in einer so umfangreichen und vielfältigen Art das Thema Jagd in der Kunst demonstriert, stellt am Markt zweifellos eine Seltenheit dar!“

Aufgrund der Vielgliedrigkeit der Sammlung wird die Versteigerung auf zwei Auktionen verteilt. Das Gros gelangt bei der Auftaktauktion am Dienstag, 18.10. um 14 Uhr zur Versteigerung. Dieser erste von zwei Antiquitäten-Terminen steht ausschließlich im Zeichen von Schloss Pfannberg. Jagdobjekte bilden einen Schwerpunkt. Rund 40 Gemälde, Aquarelle und Mappenwerke aus der Sammlung Goess-Saurau/Mayr-Melnhof gelangen am 19. 10. im Rahmen der „Alte Meister“-Auktion zur Versteigerung.

Bei der Antiquitäten-Versteigerung sind die Preise bewusst niedrig gehalten. So darf man bereits in der Preisklasse von 100 Euro gespannt sein, welche Ausreißer sich durchsetzen können: der antike Türklopfer aus dem 19. Jahrhundert in Form eines Greifenkopfes? Die dänischen Porzellanfiguren aus dem 20. Jahrhundert? Oder der doppelwandige böhmische „Zwischengold-Becher mit Reitern“ aus 1740, der mit einem Kothgasser-Pokal aus 1820 (Rufpreis 2000 Euro) kontextualisiert wurde?

Am anderen Ende sind die teuersten Rufpreise des Nachmittags mit 15.000 Euro gedeckelt. Spitzenreiter in diesem Segment, dessen Schwerpunkte die Jagdpassion ihres Sammlers widerspiegeln, sind zwei „Höfische Deckelbecher“ aus der Region Salzburg/Augsburg, Mitte 18. Jahrhundert. Ihre Besonderheit ist einerseits das Material – geschnitztes Steinbockhorn mit Silber und Vergoldung; andererseits ihre Narration, die aufgrund der Tracht der Figuren als Anspielung auf die Emigration der evangelischen Christen aus dem Erzstift Salzburg 1731/32 interpretiert wird.

Jagdliche Eleganz versprüht ein Paar silbern gefasster Trinkhörner aus dem 17. Jahrhundert, hergestellt aus dem seltenen Horn eines indischen Nilgiri-Tahrs, einer Halbziegenart, die den Steinböcken nahestand, ausgerufen um 5000 Euro. Wer es „günstiger“ möchte, den spricht vielleicht die Sammlung schmucker kleiner Steinbockhorndöschen für Schnupftabak und Ähnliches an; gefertigt im 18. Jahrhundert, werden sie ab 200 Euro ausgerufen; prunkvolle Einzelstücke rangieren allerdings im vierstelligen Bereich.

Heilige und Alte Meister

Anrührend und anmutig ist schließlich eine Gruppe spätgotischer Heiligenfiguren im Skulpturensegment: eine Maria Magdalena und eine Johannes-Figur aus der Steiermark, beide aus der Zeit um 1520, sind mit einem Rufpreis von jeweils 7000 Euro angesetzt. Aus derselben Periode stammt ein künstlerisch komplexerer Sebastian aus Tirol, ausgerufen um 10.000 Euro. Zu den Besonderheiten des Tages außerhalb der Sonderauktion „Schloss Pfannberg“ zählt ein Prunktafelservice von Theophil Hansen aus dem Schloss Hernstein, bestehend aus drei Einzelservicen aus Silber (15.000 bis 30.000 Euro), Glas und Porzellan (jeweils 25.000 bis 50.000 Euro).

Im Rahmen der „Alte Meister“- Auktion kommt am folgenden Tag die Bilderware von Schloss Pfannberg mit 85 Katalognummern unter den Hammer. Historisch bedeutsam ist gleich das erste Los der Auktion: eine „Fröhliche Gesellschaft“ des Niederländers Jan Miense Molenaer (1610–1668), die den Beginn der Mayr-Melnhofschen Sammelleidenschaft (Schätzpreis 10.000 Euro) im 19. Jahrhundert markiert. Teuerstes Werk der Sammlung ist ein auf 250.000 Euro geschätztes „Familienbildnis“ aus dem Nachlass Kremser Schmidts, das im Jahr 1951 von Carl-Anton Goess erworben wurde.

Von großem Reiz sind auch die knapp 40 Ansichten aus der Steiermark und Tirol nach Aquarellen von Ferdinand Runk, Hofmaler von Fürst Joseph II. Schwarzenberg – kolorierte Stiche, alle mit jeweils 250 Euro ausgerufen. Abgerundet wird die Auktion durch einen zweiten Schwerpunkt mit meisterhaften Exemplaren niederländischer Stillleben- und Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts aus einer deutschen Privatsammlung – auch das ein Sektor, der immer wieder für Überraschungen gut ist.

Diese Seite erscheint mit finanzieller Unterstützung der Auktionshaus im Kinsky GmbH.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2016)

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