Belvedere: Die österreichische Lösung

PK ´BESTELLUNG DER WISSENSCHAFTLICHEN UND KAUFM�NNISCHEN DIREKTION DES BELVEDERE 2017 BIS 2022´: BERGMANN/ROLLIG/DROZDA/ECKER
PK ´BESTELLUNG DER WISSENSCHAFTLICHEN UND KAUFM�NNISCHEN DIREKTION DES BELVEDERE 2017 BIS 2022´: BERGMANN/ROLLIG/DROZDA/ECKER(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Montag präsentierte Kulturminister Drozda die Antithese Hussleins als deren Nachfolgerin: Stella Rollig wird als Belvedere-Direktorin 2017 von Linz nach Wien wechseln. Man kann ihr dabei nur viel Glück wünschen.

Die Überraschung ist Kulturminister Thomas Drozda gelungen. Außer den direkt Betroffenen dürften bis zuletzt nur Drozda selbst und seine Kultursektionschefin Andrea Ecker gewusst haben, wer es wird: Wer Agnes Husslein als Belvedere-Direktorin mit Ende des Jahres ablöst. Dachte man an Husslein, an den internationalen Spirit, mit dem sie das Haus geführt hat, dachte man auch unweigerlich an internationale Kapazunder, manche fantasierten gar von Martin Roth, dem gerade abtretenden deutschen Direktor des Londoner Victoria and Albert Museum.

Gestern, Montag, landeten diese Fantasten am Minoritenplatz 3 mitten in der Realität: Denn geboten wurde hier die durch und durch österreichische Lösung, SP-Minister Drozda kürte den mittlerweile ehemaligen „Standard“-Geschäftsführer Wolfgang Bergmann zum kaufmännischen Direktor des Belvedere – und Stella Rollig, Leiterin der Linzer Stadtmuseen Lentos (seit 2004) und Nordico (seit 2011), zur neuen wissenschaftlichen Direktorin. Das ist der bisherige Höhepunkt einer soliden Karriere auf dem SP-Ticket, gestartet unter Kunstminister Rudolf Scholten, der Rollig 1994 zu einer der mittlerweile legendären Bundeskunstkuratoren ernannte. Doch nicht nur im Hinblick auf ihren politischen Background ist Rollig so etwas wie die Antithese zu Agnes Husslein, sie ist es auch menschlich und inhaltlich: Husslein ist extrovertiert und durch ihre Arbeit bei Sotheby's mit der gesamten österreichischen und internationalen Kunstsammlerschaft vernetzt. Rollig ist introvertiert, kommt aus der zeitgenössischen Kunsttheorie, politisch korrekt, intellektuell, feministisch.

Doch man hat Rollig schon einmal, in einer ähnlichen Konstellation, unterschätzt, als sie 2004 dem Grandseigneur der oberösterreichischen Kunstlandschaft, Peter Baum, als Lentos-Direktorin nachfolgte, ein undankbarer Job, auch hausintern. Mit der Zeit konnte sie sich behaupten, die vorhandenen personellen Ressourcen nützen, und sie entwickelte ein unerwartet breit aufgestelltes Programm, erinnert man etwa an Ausstellungen über das Auto als Skulptur, den Glam-Faktor in der Kunst oder eine großartige Schau über die ambivalente Darstellung von Müttern im vorigen Jahr. Sie zeigte sowohl Einzelausstellungen von Stars wie Ólafur Elíasson oder Gilbert & George wie auch von der vergessenen österreichischen Moderne-Malerin Helene Funke – und immer wieder jüngere, österreichische Künstler wie Markus Schinwald, Beatrice Dreux, Luisa Kasalicky.

Rückhalt in jüngerer Kunstszene

Dieser Rückhalt Rolligs in der zeitgenössischen Künstlerszene ist ihr größtes Asset. Beim Rest wird sie gut daran tun, sich auf die personellen Kompetenzen dieses in seiner Größe und Komplexität in Österreich unvergleichlich aufgestellten Hauses zu verlassen, und diesen auch genügend Freiraum und Budget zur Verfügung zu stellen. Denn im Kernthema Wien um 1900 liegt die lokale und internationale Strahlkraft dieses Museums, und hier ist das Feld bestens bereitet.

Dafür, dass dies auch weiter so bleibt, wird erstmals in der Belvedere-Geschichte auch ein zweiter gleichberechtigter Kopf verantwortlich sein, der kaufmännische Direktor, zu dem Wolfgang Bergmann ernannt wurde. Von der Ausbildung her eigentlich Theologe, war er 1988 bis 1996 Sprecher der Caritas Österreich, bevor er zum „Standard“ wechselte, zuletzt als – intern, wie man hört, wenig geliebter – Geschäftsführer. Hier gibt es die Parallele im Lebenslauf von Rollig und Bergmann, aber keine Überschneidung, Rollig arbeitete in den 1990er-Jahren ebenfalls als freie Kunstkritikerin für den „Standard“, aber eben noch vor Bergmanns Zeit dort. Bis kurz vor Bekanntgabe habe man vom zukünftigen Gegenüber auch nichts gewusst, beim „ersten Date“, so Bergmann, „sei der Funke aber gleich übergesprungen“.

In „ihren“ ersten drei Monaten, die am 16. Jänner 2017 beginnen, werde man gemeinsam ein Konzept für das Haus und seine verschiedenen Standorte erarbeiten. Rollig deutete aber schon an, dass sie das Ausstellungsprogramm im 21er-Haus straffen und die Orangerie vermehrt für Personalen nutzen möchte. Das Untere Belvedere soll weiter der Kunst um 1900 und Moderne vorbehalten sein. Als drei Säulen ihres Museumsverständnisses habe Rollig bei ihrer Bewerbung genannt: Wissen (das hinterfragt und erweitert gehört), Neugierde (anderen zuzuhören, auch anderer kultureller Herkunft) und Haltung (sozial, politisch, ethisch). Ihre Museumsvision beinhalte die weitere Stärkung des Profils des Belvederes als Verhandlungsort der österreichischen Identität, die Ausweitung des Museums zum „Medienunternehmen“, zum „Content-Provider“ sowie den Ausbau internationaler Allianzen.

Die Wörter „Husslein“, „Klimt“ oder „danke“ fielen kein einziges Mal während dieser Pressekonferenz. Möge, im Namen dieses wunderbaren, unglaublichen, strahlenden Hauses und seiner Sammlung, die Übung gelingen und einmal Theorie über Praxis siegen.

DAS NEUE FÜHRUNGSTEAM

Stella Rollig (geb. 5. 7. 1960) ist Germanistin und Kunsthistorikerin. Sie war u. a. Bundeskuratorin für Bildende Kunst und ist seit 2004 Chefin des Lentos. Sie wird künstlerische Direktorin des Belvedere.
Wolfgang Bergmann (geb. 29. 8. 1963) ist Theologe und Medienmanager. Er arbeitete für die Caritas sowie die Erzdiözese Wien und ist derzeit Geschäftsführer des „Standard“. Er wird neben Rollig kaufmännischer Direktor des Belvedere.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2016)

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