Anna-Sophie Berger: „Die Kunstszene ist hierarchisch“

Ort der Inspiration. Anna-­Sophie Berger arbeitet zurzeit noch in ihrem Atelier in Wien.
Ort der Inspiration. Anna-­Sophie Berger arbeitet zurzeit noch in ihrem Atelier in Wien.(c) Christine Pichler
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Anna-Sophie Berger ist Gewinnerin des Kapsch Contemporary Art Prize und hat sich für ihre Installation im Mumok an einem Kinderspielplatz bedient.

Ein für die meisten wohl un­­bekanntes Kommunikationsmedium ist zentrales Element der Ausstellung von Anna-­Sophie Berger im Mumok: zwei gegenüberstehende Parabolspiegel aus Beton. Sie wurden einem kaum frequentierten Kinderspielplatz im dritten Wiener Gemeindebezirk entnommen. Dieses Spielgerät, das Schall transportiert und über einen akustischen Effekt Kommunikation ermöglicht, ist das Einzige seiner Art in Wien. „Ich hatte mich schon auf einen Kampf vorbereitet, aber dann hatte niemand etwas dagegen, die Parabolspiegel herzugeben“, sagt die Künstlerin. Und nun ist aus dem mit Graffiti besprühten, kaum beachteten Spielgerät ein Ausstellungsobjekt geworden. Mit dem Akt, ein öffentliches Objekt seiner Um­­gebung zu entnehmen und es in einen Museumsraum zu transferieren, von wo es dann wieder an seinen ursprünglichen Ort zurückgegeben werden wird, könnten spezifische Neubewertungen sichtbar ge­­­macht werden, so Berger.

Ort der Kommunikation. Die Parabolspiegel stehen für Interaktion von Objekt und Mensch.
Ort der Kommunikation. Die Parabolspiegel stehen für Interaktion von Objekt und Mensch.(c) Beigestellt

Orte für Streit und Versöhnung. Dabei
soll die Installation nicht als Kritik am Kommunikationsverhalten der Gegenwart verstanden werden, sondern als Verweis auf Orte, an denen Dialog möglich wird. Der plakative Titel der Ausstellung „Places to Fight And To Make Up“ ist bewusst gewählt. „Mit diesen Orten sind nicht spezifische Plätze gemeint, der Begriff ist metaphorisch-poetisch zu verstehen, und nicht jede Arbeit verweist auf einen Ort“, erklärt Anna-Sophie Berger. „Bei dem Erbensamenohrring ging es mir zum Beispiel eher darum, die Frage zu stellen: Wie kommt ein Wert zustande?“ Die Arbeit „Pea Earring“ bildet im Museumsraum ein fragiles Gegenstück zu den beiden mas­­siven Parabolspiegeln. Mit diesem Exponat und zwei Papierarbeiten begibt sich die Künstlerin auf die Spuren von Aufbe­wahrungsformen. Die Strukturen auf den Papierbögen sind durch das Auflegen eines nassen Mantels während früherer Tätigkeiten entstanden. Die Arbeit mit Textilien lernte Anna-Sophie Berger während ihrer Studienzeit.

Sie studierte an der Universität für angewandte Kunst in Wien Modedesign und Fotografie. Schon ihre Diplomkollektion war sehr konzeptionell angelegt, und Teile davon fanden später in Ausstellungen Verwendung. „Ich wollte nie wirklich Designerin werden“, gibt Berger zu, „trotzdem gab es Momente, die wichtig für mich waren.“ Textiles und fotografische Medien spielen in ihren Arbeiten immer eine wichtige Rolle. „Ich verbringe viel Zeit mit Herumgehen, ich arbeite sehr viel mit Bildern, ich fotografiere, ich dokumentiere, oft führt ein Foto später zu einer Arbeit“, schildert sie den Inspirationsprozess. Neben der freien Kunst lehrt Berger seit 2015 auch selbst an der Angewandten. Hier hat sie begonnen, den Studierenden das Analysieren von digitalem Material und Bildwelten der sozialen Medien näherzubringen: „Ich habe gespürt, dass dies an der Angewandten fehlt.“ Als Lehrende wollte Berger Hierarchien flach halten und das, was sie selbst als Studentin kritisiert hatte, anders machen. Schnell habe sie aber gemerkt, dass es auch notwendig sei, Autorität zu verkörpern: „Man darf den Studierenden nicht nur anbieten, man muss auch fordern!“

Ort des Dialogs. Die Bierbank  dient als Sinnbild für Streit- und Kommunikationskultur.
Ort des Dialogs. Die Bierbank dient als Sinnbild für Streit- und Kommunikationskultur. (c) Beigestellt

Erfolg muss man verdienen. Hierarchien könnten ihrer Meinung nach auch auf dem österreichischen Kunstmarkt abgebaut werden. „Die Kunstszene in Österreich ist hierarchisch, es herrscht die Ansicht, dass man es sich erst verdienen muss“, weiß sie zu berichten. Gerade junge Frauen seien benachteiligt, würden zu niedrigeren Preisen in Galerien verkaufen, als „junges Ding“ abgestemptelt und oft nicht ernst genommen. In den USA sei dies ganz anders, da gebe es einen absoluten Jugendkult mit dem Prinzip „The younger, the hotter“. „Es ist kein Geheimnis, dass ich in Wien in keiner Galerie vertreten bin, vielleicht wäre das anders, wenn ich ein Mann wäre“, sinniert Berger, „aber ich habe da eigentlich Glück gehabt, denn meine Karriere habe ich in Amerika begonnen.“ In New York hat die Künstlerin seit Jahren eine Galeristin und zahlreiche Kontakte. Und dorthin wird Anna-Sophie Berger nach der Mumok-Ausstellung wieder reisen. Mit einem Künstlervisum wird sie Wien den Rücken kehren. Ob sie wirklich die gesamte Dauer des Visums in New York verbringen wird, früher zurückkommen oder sogar ganz in den Staaten bleiben wird, lässt Berger auf sich zukommen: „Ich bin immer zu hundert Prozent an einem Ort, es ist völlig offen, wo ich einmal leben werde.“

Tipp

Mumok. Anna-Sophie Berger: „Places to Fight And to Make Up“, Ausstellungseröffnung: 21.  10., 19  h. Dauer: 22.  10. 2016 bis 29.  1. 2017., Mo 14–19 Uhr; Di–So 10–19  Uhr; Do 10–21  Uhr

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