Graffiti: Von der Straße in die Galerien

Lushsux. Wandbild, das US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton im Nikab zeigt.
Lushsux. Wandbild, das US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton im Nikab zeigt.Reuters
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Was vor 40 Jahren mit Graffiti an der US-Ostküste begonnen hat, hat sich zu einer angesehenen Kunstrichtung entwickelt.

Sie gilt als anarchisch und sub versiv Street Art oder auch Urban Art hat den Reiz des Verbotenen. Die Künstler arbeiten mit Sprühdosen, Aufklebern und Postern und nützen alles, was ihnen als Leinwand gefällt: Hauswände, Stromkästen, Straßenschilder und vieles mehr. Die Themen sind meist gesellschaftskritisch. Was mit Graffiti in den Großstädten an der amerikanischen Ostküste vor mehr als 40 Jahren begonnen hat, hat sich weiterentwickelt. Während klassische Graffiti auf Provokation setzen, zielt Urban Art auf Belebung und positive Veränderung des öffentlichen Raums ab. Hat diese Kunstform vor wenigen Jahren noch als Schmiererei gegolten, ist sie heute salonfähig geworden und hat Einzug in Museen, Galerien und Auktionshäuser gehalten. Zu den Fans dieser Kunstrichtung gehören Hollywood-Stars wie Angelina Jolie, Brad Pitt und Jude Law.

Die Vorreiter. Zu den berühmtesten Vorreitern in den 1970er-Jahren zählt etwa Jean-Michel Basquiat, der unter dem Pseudonym SAMO (Same Old Shit) gearbeitet hat. Es dauerte aber bis in das 21.Jahrhundert, bis Urban Art sich als ernst zu nehmende Kunstform durchsetzte. Inzwischen hat sich Urban Art oder Street Art aus dem Untergrund modifiziert in Galerien verlagert. Pionierarbeit leistete die Pariser Galerie Agn sB. Anfang 2000. Bei den Museen setzte die Londoner Tate Modern 2008 mit ihrer Ausstellung "Street Art" einen Meilenstein. 2011 fand im Museum of Contemporary Art in Los Angeles die Schau "Art in the Streets" statt. Von einer Subkultur kann also nicht mehr gesprochen werden. Selbst die Auktionshäuser haben den Trend der Zeit erkannt. Sowohl das englische Auktionshaus Bonhams als auch das französische Artcurial haben eine eigene Abteilung für Street Art. Sotheby s hat heuer im März in Hongkong zeitgleich mit der Art Basel Hongkong die Street-Art-Ausstellung "They Would Be Kings" gemacht, kuratiert von Steve Lazarides, besser bekannt als der Galerist, der Banksy von der Straße in die Kunstsammlungen gebracht hat.

Highflyer Banksy. Der derzeit erfolgreichste Künstler ist Banksy. Seine Werke erzielen Höchstpreise, und er ist mittlerweile in jeder besseren zeitgenössischen Kunstsammlung vertreten. Spätestens seit seinem Film "Exit Through the Gift Shop", in dem er die Geschichte der Street Art erzählt, ist er weltberühmt. Er ist auch der erste Street-Art-Künstler, der die Millionen-Dollar-Marke geknackt hat. 2006 gelang auf dem Sekundärmarkt der Sprung vom leistbaren Künstler zum Schwergewicht. Bei einer Auktion von Bonhams stieg die Arbeit "Tank, embracing Couple" von einem Schätzpreis von 5000 Pfund auf 52.000 Pfund. In nur wenigen Monaten kletterte der Preis also von um die 10.000Dollar auf 100.000 Dollar. Den höchsten Zuschlag von 1,7 Millionen Dollar erzielte Sotheby s 2008 für "Keep It Spotless". Auch das Dorotheum versteigert immer wieder Arbeiten von Banksy, die teuerste um 191.300 Euro. Doch nicht nur Banksy hat es preislich in die Oberliga geschafft. So gehört auch das brasilianische Geschwisterpaar Osgemeos zu den Best sellern auf dem Markt. Zur Sensation wurde die bei Christie s 2011 versteigerte Arbeit "Carnavale", die den oberen Schätzpreis auf 110.000 Dollar verdoppelt hat. Seither wurde keine Arbeit mehr unter 40.000Euro verkauft. Der Rekordpreis liegt bei 220.000 Dollar für "Untitled", zuge schlagen von Phillips im November 2014.

US-Szenestars. In den USA sind Kaws, the Faile collective und Jos Parl die begehrtesten Street-Art-Künstler. Kaws, der sich motivisch in der Disney-Welt bedient, hat 2010 mit "Thirteen Works Untitled" erstmals die 10.000-Euro-Marke geschafft. Ein Jahr später kletterte "Kawsbob Enters the Strange Forest" bei Christie s auf 112.000Euro. Der Künstler, der von vielen als Amerikas Murakami bezeichnet wird, wird von der Perrotin-Galerie betreut, die seine Arbeiten bis nach Hongkong ver breitet hat. Sotheby s erzielte heuer im März für "In the Woods" einen neuen Rekordpreis von 350.000 Dollar. Jos Parl wiederum, der bei der elften Biennial in Havana mit JR kooperierte, schrieb mit 30.000 Pfund im Vorjahr bei Sotheby s für "Rajasthan Night Drive" Auktionsrekord. Er begeistert seine Fans mit Kalligrafien.
Last but not least sei noch Shepard Fairey, aka Obey, erwähnt, der durch die "Hope"-Ikonenbilder von Barack Obama bekannt geworden ist. Er hat 2013 Fahrt auf genommen, nachdem die Arbeiten "Guns and Roses" und "War is Over" in dem Jahr bei Artcurial sowie bei Digard 50.000 respektive 52.000 Euro erzielt haben.

Tipp

Street-Art-Museum. Paris hat eine lange Tradition in Street Art. Jetzt hat die Stadt auch ihr erstes Street-Art-Museum bekommen. Angesiedelt im schicken Stadtteil Batignolles im 17. Arrondissement, hat es seit 1.10. geöffnet. www.art42.fr, Mehr über Street Art in Paris unter: www.undergroundparis.org 

("Kultur Magazin", 21.10.2016)

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