Künstlerhaus: Trotz Umbaus voll romantisch

Erstarrt in der Idylle: Mann und Frau, vom Nichts sozusagen eingegipst, vor Flohmarkt-Blumendruck. „Forever“ von Stella Bach, 2016.
Erstarrt in der Idylle: Mann und Frau, vom Nichts sozusagen eingegipst, vor Flohmarkt-Blumendruck. „Forever“ von Stella Bach, 2016.(c) Bach
  • Drucken

Die Künstlervereinigung eröffnet ihr Ausweichquartier in Wien-Margareten mit einer mutigen Ausstellung über Romantik als künstlerische Haltung – und das in Wien.

Es entbehrt nicht einer gewissen inneren Logik, dass man auf der Suche nach der Romantik in der heutigen Kunst gerade ins tiefste Margareten reisen muss. Nennenswerte Sehenswürdigkeiten dieses Bezirks: keine, informiert man sich im Internet vor der Anreise zur neuen Ausweichstation des Wiener Künstlerhauses in der Stolberggasse. Doch auf dem Weg von der Straßenbahn zu dieser versteckten Adresse liegt schon die halbe Welt, eine Gedenktafel für einen kroatischen Komponisten, den man nicht kannte, Blagoje Bersa (1873–1934), der hier in den 1910er-Jahren wohnte. Und das wenig spektakuläre Gebäude, in dem der Künstlerhaus-Verein die nächsten zwei Jahre den Umbau der Stammadresse am Karlsplatz überdauern wird und in dem auch der Universitätsverlag Facultas untergebracht ist, gehörte zur Strickwarenfabrik von Bernhard Altmann, dem Schwager der späteren „Goldene Adele“-Erbin Maria Altmann.

Wir sind zwar in Margareten, aber immer noch in Wien, hier gibt es nun einmal (fast) nichts „Gewöhnliches“, „Gemeines“, um es, wie Novalis es fordert, durch Bedeutungsaufladung zu romantisieren, also in etwas Besonderes zu verwandeln. Das Außergewöhnliche ist hier Normalzustand, wahrscheinlich interveniert die Kunst hier deshalb oft so paradox, entleert sie ästhetisch und inhaltlich, ist sperrig, siehe Franz West, siehe Heimo Zobernig. Die Romantik hatte anders als in deutschen Städten in Wien nie ein Heimspiel, auch vor zehn Jahren nicht, als man international mit der „Neuen Leipziger Schule“ auch wieder eine neue Romantikwelle in der Malerei ausrief.

Vielleicht sind wir endlich reif dafür

Entscheidet man sich als Künstler also in Wien für eine ästhetisch oder inhaltlich romantische Position, ist man daher in einer doppelten Gegenposition. Vielleicht hat Künstler-Kuratorin Stella Bach das „anti“ im Ausstellungstitel „Romantisch?“ ja auch deshalb in Versalien betont. Vielleicht aber ist das auch nur zu weit gedacht. Vielleicht muss man gerade in Wien naiv an dieses Thema herangehen. So wirkt jedenfalls diese Ausstellung, die Bach gemeinsam mit Ko-Künstlerkuratorin Claudia Maria Luenig auf gut 800 Quadratmetern, also auf ähnlicher Größe wie dem Künstlerhaus-Obergeschoß, zusammengestellt hat. Idylle, Idealismus, Schönheit, Gefühligkeit und natürlich die dunkle Seite, Nacht, Albtraum, Mystik – alles Gegenstrategien zu Konsum, Banalität, Hässlichkeit. Das hat durchaus seine Reize, wie man etwa in der KHM-Ausstellung Edmund de Waals „During the Night“ sieht.

Ist es der Herbst, ist es die Politik, vielleicht sind wir tatsächlich endlich bereit für das Sentiment, uns durch Kunst ein wenig retten zu lassen. In Wien-Margareten schafft das ein zauberhaft schwebender Wald, also schwebendes Treibholz, vom jungen Klagenfurter Simon Goritschnig. Dahinter lugt tatsächlich ein Hirschbild des Wiener Malers Gerhard Holzer hervor, so etwas muss man sich erst einmal trauen.

Ulrike Königshofer hat das Licht einer Vollmondnacht auf Papier gebannt, Zauberei! (Fotografie!) Der junge Wiener Maler Matthias Lautner zeigt das ausgesetzte Selbst im dunklen Birkenwald. Musik gibt es natürlich auch, ein rotes Klavier von Gert Linke mit einem kreisrunden Schallplatten-Klavierdeckel, Schubert 2.0 sozusagen. Karin Pliem malt betörende große Blumenorgien, tatsächlich. Stella Bach lässt die vermutlich romantische Begegnung von Mann und Frau vor dem Hintergrund eines ähnlich üppigen Blumenarrangements (vom Flohmarkt) langsam vom weißen Nichts verschlingen, die Idylle, wie sie sagt, in Erstarrung enden.

Ein altes Problem selbst ernannter Romantiker. Die Zelebrierung von Romantik als Welteinstellung wird dann doch das, wovor alle Romantiker kreischend Reißaus nehmen: Kitsch. Die Ausstellung ist ein heikler Ritt hindurch zwischen Antihaltung und Erstarrung in dieser. Manchmal birgt man da bang sein Gesicht. Manchmal schwingt man sich mit in den Sattel. Am Ende aber, wenn man Wien-Margareten längst hinter sich gelassen hat, ist man jedenfalls froh, dort gewesen zu sein.

„romANTIsch? Unsere technisierte Gesellschaft braucht Romantik!“: bis 29. Jänner, Wien 5, Stolberggasse 26.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.