Kunsthaus Wien: Mit der Bim zum „Wiener Gold“

Dresslers Dandy fühlt sich zu Hause in der Akademie-Gemäldegalerie („In unmittelbarer Nähe“, '03).
Dresslers Dandy fühlt sich zu Hause in der Akademie-Gemäldegalerie („In unmittelbarer Nähe“, '03).(c) Fotohof Archiv
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Der Fotokünstler Peter Dressler ist zu wenig bekannt. Jetzt kann man seine wunderbaren, schwarzhumorigen Bildgeschichten erstmals in großem Rahmen entdecken.

Wer bei „Wiener Gold“ an Klimt und Hundertwasser denkt, darf sich freuen. Er wird neues Gold schürfen in des Kunsthauses Wien Winterausstellung. Denn wer kennt schon Peter Dressler? (Kunstszene jetzt einmal ausgenommen.) Der 2013 mit 71 Jahren in Wien Verstorbene hatte das zweifelhafte Schicksal Fotokünstler, in Österreich gleichbedeutend (gut, es wird besser) mit einer Nischenexistenz zwischen Salzburger Fotohof und Grazer Camera Austria (aus deren Umfeld auch die drei Kuratoren dieser ersten großen Dressler-Retrospektive stammen, Rainer Iglar, Christine Frisinghelli, Michael Mauracher). Alles hart arbeitende Institutionen, die in ihrem Urkampf aus besagter Nische hinaus mittlerweile erstarrt scheinen.

Fotokunst hat in Österreich schlicht ein institutionelles Problem. Das Problem, zu wenig populär sein zu können, hat sie schlicht nicht. Das zeigt gerade ein Künstler wie Peter Dressler, dessen Werk jetzt erstmals in vergleichsweise glamourösem Rahmen präsentiert wird. „Wiener Gold“ eben, ein Ausstellungstitel, der von seiner letzten großen Fotoserie (2011) entlehnt ist, in der man den Künstler sieht, wie er seinem täglich Brot nachgeht.

Nämlich, im Alltag das Spezielle zu finden. Im minimalistischen Dressler'schen Fotoroman sieht das dann so aus: mit eingepackter Spitzhacke von zu Hause ausziehen, in die Bim steigen, aus dem Fenster ins triste Nichts starren, bei irgendeiner Baustelle aussteigen und dort Gold schürfen. Und ein kleines Nugget finden. Natürlich.

Pinseln an Rubens „Grazien“

Es gibt einige solcher herrlich lapidarer, schwarzhumoriger Bildgeschichten: die des Business-Class-Reisenden etwa, der anfängt, auch das Niet- und Nagelfeste im Hotelzimmer einzupacken. Oder die des ergrauten Kunstliebhabers im kardinalroten Hausrock, den man in seinem Connaisseursalon dabei beobachtet, wie er hier ein bisschen an Rubens „Grazien“ herumpinselt, da seine Niederländer abstaubt und sanft die Rückseiten seiner kunsthistorischen Trophäen streichelt. Wie intim die Gemäldegalerie der Akademie plötzlich erscheint, wenn man einen Teppich auflegt und eine Stehlampe hineinstellt . . .
Höhepunkt der Dandy-Inszenierung von Dresslers Kunstfigur aber ist das exzentrische Tiebreak gegen sich selbst, das den Müßiggang eines Herrn im Nadelstreifmorgenmantel beendet, die schwarzen Lackschuhe zuvor säuberlich an den Rand des grünen Indoor-Tennisplatzes gestellt. Manche werden den Ort erkennen, andere sich an Paris erinnert fühlen, nach Wien die zweite Lieblingsstadt Dresslers. Es sind das Semperdepot, das Ateliergebäude der Akademie, und das zufällig hier aufgebaute Set eines Werbedrehs, das Dressler sich für seine Fotoserie vorübergehend angeeignet hat. Er kannte sich hier bestens aus. Von 1972 bis 2008 unterrichtete er hier, immer in Malereiklassen, nie Fotografie. Was für ein Doppelleben. So scheint es im Nachhinein. Man kann sich diesen Selbstdarsteller einfach nicht als Hundertwasser-Assistenten vorstellen. Aber – das war Dressler wichtig – sein Erscheinen in der Kunst war keine Selbstdarstellung wie beim zehn Jahre jüngeren Martin Kippenberger, an den man in mancher Haltung erinnert sein könnte. Dressler inszenierte sich als reine Kunstfigur.

Erst in den Achtzigerjahren begann er damit. Davor arbeitete er sich an Wien ab, an dem morbiden, im Vergehen begriffenen Wien eines Qualtinger. Keinen besseren Beginn gebe es dafür als die „Graffitis“, die er 1970–72 auf Wiener Toiletten fotografierte. So sexuell, derb kommen einem die heutigen im Vergleich nicht mehr vor (aber was weiß man schon von Männerklos). Es folgen schwarzweiße Bilder von Cafés, Friedhöfen, Schaufenstern, Hunden, very Viennese. Das Besondere an ihnen ist ihre Zusammenfassung zu „Tableaus“, wie Dressler es nannte, zu Bildtafeln, zu pointierten Bildgeschichten, die er später dann, mit sich selbst als Hauptfigur, zur großformatigen Serie ausbaute – wie eben „Wiener Gold“. Hier liegt es.

Bis 5. 3., Untere Weißgerberstraße 13, täglich 10–18h.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2016)

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