Ist das Kunst? Ist das Recht? Oder beides?

(c) Farabegoli
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In einem Atelier in Wiens Wolken findet man eine suspekte Geschichte: den Anwalt als Konzeptkünstler.

Guido Kucsko ist eine seltsame Figur, vielleicht nur gut erfunden: Auf den ersten Blick ist er Jurist, spezialisiert auf Urheberrecht. Auch auf den zweiten Blick. Keiner würde auf die Idee eines Doppellebens in Wiens Wolken, in seinem Atelier in einem Hochhaus der Wiener Innenstadt, kommen. Würde er es nicht derart professionell publik machen, natürlich. In seiner Zweitberufung nämlich ist Kucsko Konzeptkünstler. Und diese zweite Karriere profitiert sichtlich von den Erfahrungen der ersten, jedenfalls scheint nichts unkalkuliert, auch die Originalität seiner Person nicht, die Leute wie den Philosophen Konrad Paul Liessmann oder den Ex-Mumok-Direktor Edelbert Köb dazu anregen, Texte für ihn zu schreiben.

Ein Phänomen, das man jedenfalls beachten muss. Werfen doch sowohl Kucskos Biografie als auch seine meist ortsbezogenen Installationen grundlegende Fragen auf, wie wir heute Kunst bzw. Künstler wahrnehmen. Warum, zum Beispiel, kommt es uns so suspekt vor, wenn ein bildender Künstler einen Brotberuf hat? Oder nicht einmal das, sondern einfach eine zweite Profession? Bei Schriftstellern kein Problem, auch nicht bei Musikern. Aber ein Künstler! Der muss sich mindestens ein Ohr pro Tag abschneiden, am besten gar keine Bilder verkaufen oder gleich so viele, dass er sich ein Schloss kaufen kann.

Womit wir indirekt schon bei Kafka wären, eine von vielen Inspirationsquellen Kucskos. Genau wie Sigmund Freud oder Wittgenstein es sind. So ist auch seine aktuelle, von Marcello Farabegoli organisierte Ausstellung in Kucskos City-Loft-Atelier – chic wie nur das eines Anwalts-Künstler aussehen kann – die Weiterentwicklung eines Gedankens, den er für das heurige Wittgenstein-Symposium in Reichenau installierte: eine leere schwarze Tafel und daneben, in einer Vitrine, ein Zettel, auf dem steht: „Auf dieser Tafel habe ich (...) die weiße Umrisslinie eines Eies (...) gezogen, ohne mit der Kreide die Tafel zu berühren.“ Ha! Sehen Sie das Ei? Sehen Sie dem eigenen Gehirn dabei zu, wie es dieses Ei konstruiert? Ist es da? Oder nicht? Hat er tatsächlich? Oder nicht?

Bin ich ein Plagiat? Bin ich Kunst?

Wer, der Kunst liebt, liebt sie nicht, solche philosophischen Gedankenspiele? Kucsko machen sie sichtlich eine diebische Freude, er dekliniert sie nachgerade durch in dem lichten, großen Raum, der von den schwarzen Tafeln in unterschiedlichen Beschaffenheiten wie ornamentiert erscheint: Ist diese (immerhin per Hand gefärbte) Tafel Kunst?, fragt sich eine schwarze Fläche. „This is beautiful“, behauptet eine andere schal. Genieße ich ein geschütztes Copyright?, grübelt die nächste. (Nur inklusive des Zettels, auf dem das steht und der das „Werk“ ausmache, ergänzt Kucsko.) Wenn die nächste Tafel dann fragt, ob sie ein Plagiat sei, muss man schon sehr schmunzeln. Wenn eine Tafel, die am Boden lehnt, nicht weiß, ob sie jetzt Objekt oder Bild ist, wird's ein wenig gar zu einfach. Das ist die schwierige Gratwanderung hier: manchmal zu verkopft, manchmal zu illustrativ. Jedenfalls ein tolles Experiment. Ein tolles Konstrukt. Wie diese ganze Person, die fragt: Bin ich Künstler? Bin ich (origineller) Anwalt? Jedenfalls ein „echter“ Kucsko.

Bis Freitag, 23. 12., nur nach Voranmeldung unter: anmeldung@marcello-farabegoli.net, Tel.: 0660/143 52 54

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2016)

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