Rekord für einen Heuhaufen

David Hockneys sechsteilige Waldlandschaft „Woldgate Woods“ brachte bei Sotheby’s einen neuen Rekord für den Künstler.
David Hockneys sechsteilige Waldlandschaft „Woldgate Woods“ brachte bei Sotheby’s einen neuen Rekord für den Künstler.(c) Sotheby's
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Die wichtigen New Yorker Herbstauktionen haben bewiesen, dass sich der Kunstmarkt mehr von Qualität als von Politik beeinflussen lässt.

Die Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten hat dem Kunstbetrieb kurz vor den großen New Yorker Auktionswochen Sorgenfalten auf die Stirn getrieben. Würde der Wahlausgang den Markt verschrecken oder der Wirtschaftskurs der Republikaner für Käufervertrauen sorgen? Die Ergebnisse der Auktionen bestätigten, was sich schon nach dem Brexit-Referendum in Großbritannien zeigte: Der Kunstmarkt schaut vor allem auf die Qualität.

Die Auktionen für Impressionismus und Moderne waren nicht außergewöhnlich, bewiesen aber einmal mehr, dass für das oberste Qualitätssegment nach wie vor gute Preise bezahlt werden. Sowohl Sotheby's als auch Christie's konnten für einige Werke neue Rekorde aufstellen. Der Höhepunkt war sicherlich Claude Monets „Meule“. Das Gemälde der Kunstmarktikone erzielte nach einem langen Bietergefecht 72,5 Millionen Dollar und damit einen neuen Rekord für den Künstler. Der obere Schätzpreis lag bei 45 Millionen Dollar. Der „Heuhaufen“ ist ein Serienmotiv von Monet und ein entsprechend wichtiges Werk. Andere Versionen hängen im Metropolitan Museum in New York und im Museum of Fine Arts in Boston.

Meisterwerk von Munch. Nicht ganz die Erwartungen erfüllte hingegen Edvard Munchs Gemälde „Mädchen auf der Brücke“, das bei einer Schätzung von „über 50 Millionen Dollar“ das am höchsten taxierte Werk der Woche war. Es erzielte bei Sotheby's genau 50 Millionen Dollar. Kolportiert wird, dass es an den Käufer ging, der diese Summe im Vorfeld garantiert hat. Der Rekordpreis für ein Werk von Munch liegt bei 120 Millionen Dollar, erzielt 2012 für „Der Schrei“. Obwohl „Mädchen auf der Brücke“ leicht unter den Erwartungen blieb, ist es dennoch das zweitteuerste Gemälde von Munch.

Ein neuer Höchstpreis wurde zudem für Wassily Kandinsky bezahlt. Seine Leinwand „Rigide et courbé“ von 1935 erlöste nach einer 50-jährigen Absenz vom Markt bei Christie's 23,3 Millionen Dollar. Der Gesamtumsatz bei Sotheby's für den Impressionist and Modern Art Sale lag bei 157,7 Millionen Dollar, während Christie's im selben Segment 246 Millionen Dollar erlöste.

Wie geschmiert lief es dann bei den Auktionen für Nachkriegs- und Gegenwartskunst. Vor allem die Sammlung von Steven und Ann Ames sollte Sotheby's Glück bringen. Dem Auktionshaus gelang es, die Sammlung mit einer saftigen Garantie dem Konkurrenten Christie's abzujagen. Die prominente Sammlerfamilie sammelte ab Mitte der 1980er-Jahre junge Künstler aus Europa und den USA. Sämtliche Lose aus der Sammlung fanden einen Käufer.

Auch für die hochpreisigen Werke von Gerhard Richter gab es allesamt Abnehmer, die Bedenken, der Markt könnte so viele Arbeiten nicht aufnehmen, waren somit unbegründet. So ging etwa das abstrakte Werk „A B, Still“ in Rot von 1986 auf 30 Millionen Dollar. Vor 25 Jahren kaufte Ames das Bild bei Sotheby's übrigens für 264.000 Dollar. Das zweite abstrakte Werk von Richter, „A B, St. James“ von 1988, erstand Händlerin Dominique Lèvy für 22,7 Millionen Dollar. Auch die Konkurrenz hatte Arbeiten von Richter im Angebot. Christie's konnte das „Abstrakte Bild“ aus dem Jahr 1994, das aus der Sammlung von Musiker Eric Clapton stammt, für 19,5 Millionen Dollar zuschlagen. Bei Phillips blieb hingegen der gegenständliche „Düsenjäger“ mit 24 Millionen Dollar unter den Erwartungen. Die ambitionierte Schätzung lag bei 25 bis 35 Millionen Dollar. Der Richter-Rekord liegt bei 27 Millionen Pfund, umgerechnet rund 41 Millionen Dollar, erzielt im Vorjahr bei Sotheby's in London.

Aufwertung für Hockney. Zu den weiteren Höhepunkten der zeitgenössischen Kunst zählte ein längst überfälliger neuer Rekordpreis für David Hockney, ebenfalls aus der Sammlung Ames. Für die sechsteilige Waldlandschaft „Woldgate Woods“ aus dem Jahr 2006 fiel bei 10,2 Millionen Dollar der Hammer. Werke des wichtigen britischen Künstlers sind vergleichsweise unterbewertet. Möglicherweise sorgt die umfangreiche Retrospektive in der Tate Britain im kommenden Frühjahr schon jetzt für mehr Aufmerksamkeit.

Willem de Kooning gehörte in dieser Woche ebenfalls zu den Stars. Sotheby's bot eine abstrakte Long-Island-Landschaft an, die für neun Millionen Dollar und damit in der Mitte der Schätzung von acht bis zwölf Millionen zugeschlagen wurde. Christie's gelang jedoch mit der Leinwand „Untitled XXV“ ein neuer Rekordhammerpreis von 59 Millionen Dollar. Das Werk kletterte 20 Millionen Dollar über den oberen Schätzwert.

Unter den jüngeren Künstlern gab es zwei Überraschungen. Der amerikanische Maler John Currin konnte für sein Gemälde „Nice 'n Easy“ von 1999 seinen Auktionsrekord von 5,45 Millionen Dollar auf zwölf Millionen mehr als verdoppeln. Damit liegt der Künstler im Preisniveau eines Pablo Picasso, dessen Werk „Painter and his Model“ am 14. November bei Sotheby's 12,9 Millionen Dollar erzielt hat. Für den Preissprung könnte die Unterstützung durch Galerienschwergewicht Gagosian verantwortlich sein. Die Galerie in New York hat im Herbst eine umfangreiche Ausstellung mit dem Titel „Nude: From Modigliani to Currin“ gezeigt.

Für viel Applaus sorgte die junge Künstlerin Njideka Akunyili Crosby, die als heißer neuer Superstar gehandelt wird. Ihre intime Arbeit „Drown“ aus dem Jahr 2012 wurde bei 900.000 Dollar zugeschlagen. Sechs Bieter wetteiferten um das Werk, das schließlich ihren bisherigen Höchstpreis von 93.750 Dollar verzehnfachte. Damit könnte sie bald zu den wenigen Künstlerinnen gehören, die die Millionengrenze sprengen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2016)

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