Tina-Blau-Ausstellung: Leise Erinnerung, leiser Abschied

Kunst statt Kind: Tina Blau war Österreichs erste bedeutende Landschaftsmalerin (1911/12).
Kunst statt Kind: Tina Blau war Österreichs erste bedeutende Landschaftsmalerin (1911/12). (c) Blau-Nachlass, New York
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Die letzte Ausstellungseröffnung unter Agnes Hussleins Direktion im Belvedere ist einer starken Frau gewidmet: der Landschaftsmalerin Tina Blau, die vor 100 Jahren gestorben ist.

Die Laudatio, die der Gastredner, Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, bei der Eröffnung der Tina-Blau-Ausstellung im Oberen Belvedere hielt, galt zwei starken Frauen. Der ersten großen österreichischen Landschaftsmalerin, deren Tod sich heuer zum 100. Mal jährt. Und der scheidenden Direktorin Agnes Husslein. Womit zumindest einer noch die passenden Worte für die außerordentliche Leistung fand, die hier in den vergangenen Jahren geleistet wurde.

Die freilich überblickbare Ausstellung über diese grandiose Künstlerin ist in vielerlei Hinsicht typisch für die Ära Husslein: Ihr ehrgeiziges Parallel-Engagement für Wissenschaft und Popularität führte manchmal nicht zu dem Glanz, der diesem eigentlich zustehen würde. Im Rahmen des von ihr eröffneten Research Center wurde von Kurator Markus Fellinger und Kunsthistoriker Claus Jesina zwar jahrelang ein allen zugängliches, flexibles, sicher zeitgemäßes Online-Werkverzeichnis Tina Blaus erstellt, beruhend auf der letzten großen Ausstellung über sie, 1996 im Jüdischen Museum. Aber das ist 20 Jahre her! Das hätte heuer eine große Retrospektive auf diese Wiener Ausnahmefigur gerechtfertigt. Geworden ist es eine Kabinettausstellung, das übliche Zwei-Zimmer-Format der Reihe „Meisterwerke im Fokus“. Besser als nichts, sagt der Wiener Kunsthandel. Aber schon schade, sagt er auch.

Hell, dass es ein Loch in die Wand reißt

Im Mittelpunkt steht das Hauptwerk Tina Blaus, der in Historienschinken-Größe vor einem liegende „Frühling im Prater“ von 1882, zwei Mal drei Meter groß, für damalige Verhältnisse dermaßen flächendeckend hell gemalt, „dass es ein Loch in die Wand reißt“ – fast wäre das Bild deshalb damals im Künstlerhaus abgelehnt worden. Wenige Jahre später wurde diese lichte Szenerie der beginnenden Freizeitindustrie allerdings schon für die kaiserliche Sammlung angekauft, seit Eröffnung des Belvederes hängt es in der ständigen Sammlung. Wie ein Satellit schwebend zwischen der Tradition eines peniblen Waldmüller-Realismus, dem poetischen Wiener Stimmungsimpressionismus rund um Blaus Ateliergenossen Emil Jakob Schindler und dem fortschrittsfaszinierten französischen Impressionismus, den Blau bei ihrer Teilnahme am Pariser Salon 1883 kennenlernte.

Elegant hat sich die Arzttochter, die schon mit 13 Zeichenunterricht bekam, ihren Weg in der männlich dominierten Plein-Air-Malerei gesucht und ihn unbeirrt verfolgt, mit ihrem zum Malwagerl umgebauten Kinderwagen, mit dem sie ihre Malutensilien in den Prater rollte. Immer dabei: Einer ihrer geliebten großen Hüte, die uns heute unendlich altmodisch und anachronistisch für eine so emanzipierte Malerin erscheinen.

In einer Zeit, da man als Frau nicht so ohne Weiteres allein das Haus verließ, machte sich Blau erst nach München auf, um weiterzustudieren, reiste aber zeit ihres Lebens viel, u. a. nach Frankreich, Ungarn, Deutschland, in die Niederlande, gern zu Orten, wo sich Natur und Industrialisierung trafen, gern auch zu Künstlerkolonien, immer auf Weiterbildung. Ihre direkt vor Ort entstandenen kleinen Ölskizzen sind wundervolle, mit unglaublichem Gespür für die Farbe und auch ihre Materialität leicht hingeworfene, teils fast abstrakte Momentaufnahmen. Ihnen ist das Hauptaugenmerk der Belvedere-Ausstellung gewidmet. Der Kontrast zwischen dem vergleichsweise monströs großen Prater-Bild und den Miniaturen wirkt extrem, es fehlt das normale Format. Aber das macht auf fast eindrucksvolle, wenn auch wohl unbeabsichtigte Weise die Irritation deutlich, die diese Malerin bedeutete.

Künstlerisch, auch gesellschaftlich – sie lehrte erst an der Damenakademie des Münchner Künstlerinnenvereins und später an der von ihr 1897 mitgegründeten Kunstschule für Damen und Mädchen in Wien. Diese Ausstellung ist eine leise Erinnerung und ein leiser Abschied zugleich, beides hätte größere Töne verdient.

Bis 9. April. Oberes Belvedere. Tägl. 10–18 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2016)

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