Kunsthistorisches Museum: Die Körper der Alten Meisterinnen

Grischka Voss vor dem „Bogenschnitzenden Amor“ von Joesph Heintz d. Ä.
Grischka Voss vor dem „Bogenschnitzenden Amor“ von Joesph Heintz d. Ä.(c) KHM/Helmut Wimmer
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Das literarische Stationentheater „Ganymed“ führt heuer mit feministischem Blick durch die Gemäldegalerie, mit Texten Zadie Smiths und Grischka Voss'.

Peter Paul Rubens war Mitte 50, als er 1630 die 16-jährige Hélène Fourment heiratete, das schönste Mädchen Antwerpens. Sechs Jahre später stellte er sie lebensgroß in der gefinkelten Pose der „schamhaften Venus“ dar, mehr entblößt von als bekleidet mit einem Pelz. „Das Pelzchen“ nannte er selbst das Gemälde, das er per Testament nur wenige Jahre später der jungen Gattin als Vermächtnis mitgab – heute hängt es, das berühmteste Pin-up des Barocks – in der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums. In unmittelbarer Nähe des fast zeitgleich entstandenen Selbstporträts von Rubens, der sich als Malerfürst in voller (bekleideter) Pracht zeigt.

Soviel zu den Geschlechterverhältnissen in der Kunstgeschichte. Man muss die Frauen-Bilder schon suchen, die mit den drei Hs, Heilige, Hexe, Hure, nur ungenügend beschrieben wären. Aber es gibt sie. Und es gibt seit den 1960er-Jahren auch die feministische Auseinandersetzung mit der Zelebrierung und Tradierung des männlichen Blicks in unserem musealisierten Bildgedächtnis. Höchste Zeit also, dass sich die mittlerweile vierte Ausgabe des von Jaqueline Kornmüller und Peter Wolf erfundenen Stationentheaters „Ganymed“ im Kunsthistorischen Museum heuer diesem feministischen Furor widmet, der einen schon befallen kann, hat der eigene Blick sich einmal freigemacht von der kunsthistorischen Verbrämung. Dann gibt es wenig Grausameres als so einen Museumsbesuch, eine Tour de Force durch die Geschichte der Unterdrückung der Frauen. Und es gibt wenig Spannenderes, vor allem an der Hand von Literatinnen und Schauspielerinnen wie Zadie Smith, Anna Kim, Katharina Stemberger oder Grischka Voss.

Was passiert mit der 16-jährigen Kindsbraut Hélène Fourment, wenn vor ihr der berühmte TED-Talk „We should all be feminists“ von Chimamanda Ngozi Adichie rezitiert wird? „We raise girls to see each other as competitors not for jobs or accomplishments, which I think can be a good thing, but for the attention of men. We teach girls that they cannot be sexual beings in the way that boys are.“ Fourment startete übrigens eine eigene Karriere als Geschäftsfrau nach Rubens' Tod, da erschuf sie sich selbst, als Urbild der erfolgreichen Künstlerwitwe.

Es ist also nicht so einfach, manchmal. Nicht so einfach für Grischka Voss, die vor dem androgynen „Amor“ von Joseph Heintz d. Ä. anhand ihrer verstorbenen Eltern über ihr Geschlechterbild spricht. Es ist nicht einfach zu ertragen, wenn Anna Kims „Bericht“ über die strategischen Massenvergewaltigungen von Serben an Bosnierinnen vor dem Gemälde der „Entführung der Dina“ von Giuliano Bugiardini verlesen wird. Dina, die Tochter Leas und Jakobs, war zwölf, als sie vergewaltigt wurde, die Blutrache, die folgte, war schrecklich.

Es gibt Bilder, die versöhnen. Das sanfte, kluge, starke Selbstporträt einer der wenigen im KHM vertretenen Malerinnen (acht von rund 700), Sofonisba Anguissola. Die „Alte Frau“ von Balthasar Denner, die sich die englische Autorin Zadie Smith als Inspiration ausgesucht hat. Für einen von Petra von Morzé gelesenen Text über die schlichte Existenz weiblichen Seins jenseits der Erwartungen, jenseits der Blicke, in deren Spiegeln nur sie gelernt hat, sich wahrzunehmen.

„Ganymed Fe Male“, KHM, Premiere 18. 2. Weitere Termine bis 31. Mai unter: www.khm.at, Eintritt 36 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2017)

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