Der Maler des Sandalenfilms

Lawrence Alma-Tadema
Lawrence Alma-Tadema(c) Belvedere
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Er ließ im viktorianischen England die Antike auferstehen: Eine Schau zeigt die opulente, dekadente Welt des Lawrence Alma-Tadema. Bis 18. Juni.

Ein exotischer Gast ist ins Untere Belvedere eingekehrt: der Maler des Sandalenfilms, Lawrence Alma-Tadema (1836-1912), der im viktorianischen England die Antike wiederauferstehen ließ. Und zwar nicht in mythologischer Verbrämung, sondern in alltäglichen Szenen, wie man sie sich damals eben so vorstellte – und sie sich angeregt durch die archäologischen Funde der Zeit auch vorstellen konnte.

Es ist ein köstliches Konzentrat, ein Zeugnis der Dekadenz sondergleichen, das auch Zeitgenosse Oscar Wilde zu schätzen wusste (er stand mit Alma-Tadema zumindest in Briefkontakt): Wenn das Schönheitsideal der viktorianischen Zeit, die blasse Rothaarige, sich mit dem glutäugigen Verehrer in sexy Toga auf der Marmorbank räkelt, dahinter blaues Meer und blauer Himmel . . . Klingt nach Kitsch? Ist es auch, aber ziemlich einflussreicher, denn, wie im letzten Saal an Beispielen vorgeführt wird, prägte Alma-Tadema mit seiner Antikenästhetik die Sandalenfilme von „Gladiator“ bis zu „Die zehn Gebote“. Und man muss ihm lassen: Er hat hervorragend bis in die letzten Details recherchiert, Schmuckstücke, Möbel, Wandmalereien, das meiste basiert auf Funden und Rekonstruktionen etwa aus Pompeji oder Ägypten. Dorthin reiste Alma-Tadema etwa 1902 auf Einladung des Bauherrn des Assuan-Staudamms, John Aird, der bei ihm ein monumentales Bild in Auftrag gegeben hatte, das nicht eines gewissen Witzes in diesem Zusammenhang entbehrt: „Die Auffindung des Moses“, das 1904 fertig wurde und jetzt im Belvedere zu sehen ist. Ein unglaubliches Hollywood-Sujet, in dem Moses auf einer mit kopfüberhängenden Blumen behängten Sänfte, flankiert von der Pharaotochter, begleitet von Sklaven mit riesigen Federwacheln, quer durchs Bild getragen wird.

Vorbild für Klimts „Kuss“-Motiv?

2010 wurde das Trumm um 36 Millionen Dollar in den USA versteigert, vielleicht hängt es ja jetzt in Melania Trumps Schlafgemach. Wo sich wohl auch der „Kuss“ von Gustav Klimt gut machen würde, der Alma-Tadema übrigens gekannt haben muss. Der zu seiner Zeit äußerst erfolgreiche Maler stellte damals u. a. im Wiener Künstlerhaus aus, es gibt sogar Vermutungen, dass Klimts „Kuss“-Motiv auf einem seiner Motive beruht, auf einer Szene, in der Alma-Tademas Frau eine der beiden Stieftöchter liebkost, aber darauf lässt sich Kurator Alfred Weidinger im Detail dann doch nicht ein.

Man sollte jedenfalls vorsichtig sein mit dem schnellen Spott aus heutiger Sicht. Alma-Tadema war in seiner Opulenz, die er auch in seinem Leben pflegte, durchaus so etwas wie ein englischer Makart. Seine Atelierhäuser in London waren Gesamtkunstwerke, in denen er auch extravagant hochformatige Panels von seinen Künstlerfreunden wie Frederic Leighton und John Singer Sargent bemalen ließ, um sie dann in einer Art Tafelrunde rundum in ein Zimmer zu hängen. Auch seine Frau, Laura, und eine seiner beiden Töchter aus erster Ehe steuerten Panels bei, die Familie Alma-Tadema war eindeutig eine ungewöhnliche.

1836 in den Niederlanden geboren und in Brüssel sozialisiert, ging der Maler 1870, nach dem Tod seiner ersten Frau, endgültig nach England, wo er sich schnell wieder verliebte. Ebenso schnell vernetzte er sich und bespielte seine Nische mit der wiederbelebten Antike so politisch (im Vergleich der viktorianischen Dekadenz mit Pompeji vor dem Vesuvausbruch) wie malerisch formvollendet. So vollendet, dass man sich manchmal fühlt wie einer der Gäste des Heliogabalus, dieses so grausamen und dekadenten römischen Kaisers (übrigens mit syrischen Wurzeln). Alma-Tadema malte 1888 in Großformat das legendäre Gelage, bei dem einige Gäste unter den duftenden Blumenblättern, die Heliogabalus von der Decke regnen ließ, erstickt sein sollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2017)

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