Das Abpausen: Eine Kulturtechnik, die gerade verloren geht

Unbekannter Künstler, Allegorie der Musik, Durchzeichnung mit Bleistift über Tusche, farbig laviert und quadriert
Unbekannter Künstler, Allegorie der Musik, Durchzeichnung mit Bleistift über Tusche, farbig laviert und quadriert(c) Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln
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Früher pauste man mit Butterbrotpapier ab, heute kann man alles schnell fotografieren. Ein deutsches Museum zeigt die uralte Kulturtechnik, die kaum mehr jemand nutzt.

Noch vor wenigen Jahren, in den Siebzigern und Achtzigern, selbst noch in den Neunzigern, war es schwierig, ein bestimmtes Bild zu kopieren - etwa ein Foto oder ein Plattencover. Smartphones waren noch nicht erfunden, Fotografieren und Fotokopieren teuer und umständlich. Deshalb nahm man dünnes Butterbrotpapier - Transparentpapier, wie man es auch nannte - legte es auf das gewünschte Bild und zeichnete alles ab, was durchschien. Abpausen hieß das - eine uralte Technik. Doch diese geht mit dem Siegeszug digitaler Fotografie und des Smartphones nun verloren.

Darum widmet ihr das Wallraf-Richartz-Museum in Köln ab Freitag, dem 24. März, eine eigene kleine Ausstellung, "Die Kunst der Pause". Denn auch in der Kunst war Abpausen eine weit verbreitete Technik. Die Schau will auch das Bewusstsein dafür schärfen, welch einen fundamentalen Einschnitt der Beginn des digitalen Zeitalters darstellt. Kopieren, Weiterleiten, Vervielfältigen - das geht heute in Sekundenschnelle, die Bilderflut ist enorm. 

Folie aus ausgekochten Fischteilen 

Viele Jahrhunderte lang war das Abpausen gang und gäbe, denn es war eine vergleichsweise einfache und preiswerte Form des Kopierens, erzählt Kurator Thomas Ketelsen. Vor Erfindung des Butterbrotpapiers musste man allerdings recht einfallsreich sein, um geeignetes Material herzustellen. Ein Beispiel: die Fischleimpause. Haut, Gräten oder Blase eines Fisches wurden ausgekocht, einige Substanzen zugesetzt und dadurch ein gelantineartiger Leim gewonnen. Diesen strich man auf Stein aus, ließ ihn härten und zog ihn ab. Dann hielt man eine durchsichtige Folie in der Hand. Ebenfalls geeignet sind Schweinsblase und Rinderdarm.

Die so hergestellte Folie legte man auf das zu kopierende Bild und zeichnete dann die Konturen ab. Anschließend zog man die Folie ab, legte sie auf ein Papier und ritzte mit einem Griffel oder einer Nadel die Linien nach, so dass sie auf das Papier übertragen wurden. Dadurch zerstörte man in den meisten Fällen die Folie - der Grund dafür, warum sich so wenige Pausen erhalten haben.

Abpausen ist ein schöpferischer Akt

Jeder, der schon mal abgepaust hat, weiß: Die Pause sieht anders aus als das Original. Sie vereinfacht die Vorlage, da sie meist nur die Hauptkonturen wiedergibt. Dadurch kann aus der Wiederholung ein schöpferischer Akt werden - aus dem Kopierprozess geht ein Werk hervor, das für sich stehen kann.

Als Nebeneffekt schult das Nachziehen der Linien das Gefühl für Umrisse und Proportionen. Über viele Epochen hindurch war unter Künstlern die Vorstellung verbreitet, dass man sich ein Motiv auf diese Weise "einverleiben" konnte. Man hatte es dann in sich und konnte es gegebenenfalls wieder neu hervorbringen, so die Vorstellung. 

Heute gibt es das Abpausen noch in Architektenbüros. Im Kunstunterricht wird es schon kaum noch praktiziert. Es stirbt aus. Dadurch geht möglicherweise auch eine andere Fähigkeit verloren, die man sich mit dem Abpausen aneignete: sich für längere Zeit mit ein- und demselben Bild auseinanderzusetzen.

>> Die Ausstellung "Die Kunst der Pause" im Wallraf-Richartz-Museum

(Christoph Driessen, dpa)

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