Streichelweicher Islam auf der Schallaburg

Sehnsucht nach und Angst vor dem Fremden: „Hatschi Bratschis Luftballon“ von Franz Karl Ginzkey in der ersten Ausgabe von 1904, Illustration von Erich Mor von Sunnegg. Mit solchen Exponaten will die Ausstellung Klischees über den Islam entlarven.
Sehnsucht nach und Angst vor dem Fremden: „Hatschi Bratschis Luftballon“ von Franz Karl Ginzkey in der ersten Ausgabe von 1904, Illustration von Erich Mor von Sunnegg. Mit solchen Exponaten will die Ausstellung Klischees über den Islam entlarven.(c) Universitätsbibliothek Wien
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Die Schau zur expansiven Weltreligion des Propheten Mohammed ist eher eine Erziehungsmaßnahme zum gesinnungsethischen Wohlverhalten als eine historische Durchdringung des kontroversiellen Gegenstandes. Bis 5. November.

Nein, provokante Karikaturen zum Religionsgründer Mohammed wird man in der Ausstellung „Islam“ auf der Schallaburg in Niederösterreich vergeblich suchen, islamistischer Terror ist bis auf kurze, abstrakte Verweise auf „Schattenseiten“ und den Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ praktisch ausgespart, und auch an das angebliche Bilderverbot, den Propheten betreffend, hat man sich weitgehend gehalten (bis auf persische Ausnahmen, möglicherweise). In einem Stammbaum aus Konstantinopel etwa, der von paradiesischen Zeiten ins 7. Jahrhundert nach Christus (pardon, ins erste Jahrhundert islamischer Zeitrechnung) und noch viel weiter führt, sind zwar Adam und Eva, Maria und Jesus, Abu Bakr und Umar porträtiert, aber beim Propheten bleibt das Antlitz übermalt, umrahmt von Turban und Kleidung.

Die von der Historikerin Lisa Noggler-Gürtler mit einem Expertenteam kuratierte Schau ergeht sich in ethischem Wohlverhalten. Bei Betreten des ersten Raumes wird sofort klar, dass nicht nüchterne Geschichte im Mittelpunkt steht, sondern Überzeugungsarbeit. Man fühlt sich in einen Sesselkreis versetzt. Achtsamkeit und Respekt sind geboten.

Für Allah kämpfen oder Krieg führen?

In „Begegnungsräumen“ wird zum kulturellen Kennenlernen eingeladen: Besprochen, bewohnt, beseelt, begrenzt, bekleidet, bedroht, berufen, beliebt, so heißen die Stationen, die, überladen mit Texten, zur Interaktion einladen. Etwa so: Dutzendweise Bücher zum Thema – vom Märchen bis zur Kampfschrift – hängen an Schnüren herab, ideal zum Schmökern und Verweilen. Die Besucher, dem Konzept nach vor allem wohl Kinder und Jugendliche, werden dazu ermuntert, sich in arabischer Schrift zu üben. Man erhält einen groben Überblick über die Verbreitung dieser Sprache, Übersetzungen des Koran und die Entstehung dieser Heiligen Schrift der Muslime. Als Beispiel dient der 35. Vers der fünften Sure. Herauslesen kann man: „Fürchtet Gott“ oder „Bleibt euch Gottes bewusst“, „Führet um seinetwillen Krieg“ oder „Kämpft auf seinem Weg“ oder „Strengt euch hart an“ – je nachdem, wer den Akzent setzt. Ein kurzer Abschnitt befasst sich mit dem maurischen Spanien (das nicht als Eroberung und Reconquista, sondern positiv als Schmelztiegel der Kulturen dargestellt wird), ein weiterer mit dem großen Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall (1774 bis 1856) sowie dem profunden Islamkenner Leopold Weiss (1900 bis 1992), der sich nach seiner Konversion Muhammad Asad nannte. Diese Gelehrten haben viel zum kulturellen Verständnis beigetragen. Getadelt werden hingehen westliche Klischees wie die TV-Serie „Bezaubernde Jeannie“oder das Kinderbuch „Hatschi Bratschis Luftballon“.

Ein Schwerpunkt ist der Geschichte der Gastarbeiter in Österreich gewidmet. Über sie erschließt sich ein komplexes Islambild. Viel Raum erhält neben der Arbeitswelt und den meist schlichten religiösen Stätten (Moscheen in Telfs, Bad Vöslau, Gebetsräume in Wiener Außenbezirken) auch die muslimische Jugendkultur. Der Zwang zur Verhüllung, der Frauen in strengeren Varianten der Religion betrifft, wird eher affirmativ zurechtgeschneidert: „Ich bin mit dem Kopftuch noch freier geworden mit der Zeit und noch dazu schöner geworden“ ist ein typisches Zitat. Die Mode reicht von totaler Verhüllung bis zum Hipster-Muslim-Outfit.

Austrofez mit Edelweiß und Gamsbart

Ein imposantes Exponat: Das „Arabische Zimmer“, aus dem Wien Museum. Der Unternehmer Anton Kainz-Bindl (1879–1957), ein begeisterter Orient-Reisender, ließ sich den Traum aus Teppichen, Kissen und Glasfenstern für sein Haus am Währinger Gürtel anfertigen. Die lustigsten Ausstellungsobjekte: Kopfbedeckungen. Die österreichische Modedesignerin Canan Ekici schuf einen Fez, den eine Münze mit Doppeladler und Federn zieren. Eine Fusion. Der Salzburger Friedemann Derschmidt, nennt sein Kunstwerk „Austrofez“ – Filz mit Edelweiß und Gamsbart. Der Hut hätte gut zu den Bosniaken in der Armee des Kaisers Franz Joseph gepasst, vor hundert Jahren, in der gegenüber Religionen liberalen Habsburger-Monarchie. Solche kleinen Einfälle heitern ein wenig diese Ausstellung auf, die sonst mit heiligem Ernst grenzenlose Toleranz fordert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2017)

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