Festwochen: Schwitzen ist nicht intellektuell

„Hamamness: Queering Knowledges“ mischt Dampfbad mit Denken, was nicht sehr gut funktioniert. Trotzdem: Für das Publikum eine interessante Erfahrung.

Wasser, in vielen Weltteilen Mangelware, hat kulturelle und kultische Bedeutung. Hindus nehmen ein rituelles Bad im (stark verschmutzten) Ganges, der Tauchgang in der jüdischen Mikwe befreit von Unreinheit, Taufbecken und Weihwasser erinnert an die vielfältige Bedeutung des köstlichen Nass bei den Christen.

Wasser heiligt und heilt, es bringt Leben, Fruchtbarkeit, Hoffnung. „Vom Bade kehrt der König heim“, heißt es in Wagners „Parsifal“. Jonathan Meese zeigt die Oper demnächst im Theater an der Wien. Die Festwochen haben sich heuer unter anderem der Erhellung von „Queer“ verschrieben. Dass der Mensch einen Hang zur Bisexualität hat, wusste schon Freud. Allerdings waren Abweichungen von der Norm (das heißt queer) früher verboten und sind heute noch ein schwieriges Thema. Eben wurde in Taiwan die Homosexuellenehe erlaubt, in Indonesien hingegen wurde ein schwules Paar öffentlich ausgepeitscht. Die Festwochen-Reihe Hamamness wirbt für Toleranz und zeigt im Performeum „Queering Knowledges“. Hamam, das ist die moslemische Variante des Dampfbads, beliebt auch bei Nichtmoslems. In Wien oder Paris gibt es mehrere Hamams. Dem Hamam haftet zu Unrecht ein frivoler Touch an. Fernstehende verwechseln das Dampfbad womöglich mit dem Harem.

Ausziehen und hinlegen

Im Grunde geht es im Hamam nicht viel anders zu als in unseren Wellnesstempeln: Man schwitzt und planscht und wird massiert.

Männer und Frauen gehen klarerweise nicht gemeinsam ins Hamam, das hat durchaus seinen Sinn, man möchte auch einmal unter sich sein. Bei den Festwochen wird quasi eine Micky-Maus-Variante eines Hamams geboten: Man zieht sich aus, bekommt ein Tuch (Peştemal), wird abgerubbelt, eingeseift, gewaschen, massiert. Dann findet eine Lecture statt: Eine wunderschöne Tänzerin spricht über Rassismus. Sie heißt Nic Kay, stammt aus der Bronx und nimmt „mehrere Schwellenbereiche als Person ein“. Die Festwochen stellen schon jetzt einen Rekord in verschwurbeltem kulturwissenschaftlichen Kauderwelsch auf.

Mit herkömmlichen Wellnesstempeln hat das Hamam gemeinsam, dass es nicht der ideale Ort zum Denken ist. Auch das Reflektieren über Nic Kay wird durch Hitze und Dudelmusik erschwert.

Das Publikum lag und saß, es schien zugleich müde und angeregt. Als Eye-Opener für Hamamkultur ist „Hamamness“ willkommen. Letztlich ist dieses Hamam in bunten Bubbels, die in die ehemaligen ÖBB-Hallen an der Laxenburger Straße aufwendig eingebaut wurden, aber ein Fake. Es geht nicht wie in einem echten Hamam zu. Trotzdem hat das Erlebnis etwas Erfrischendes durch die Grenzüberschreitung von Theater und Leben – und es ist eben nicht „Cross-over“, sondern Partizipation, die der Bühnenkunst zuletzt manch neue Impulse beschert hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2017)

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