Wiens Kunstunis jubilieren

325 Jahre. Die Akademie am Schillerplatz ist eine der ältesten Kunstunis Mitteleuropas.
325 Jahre. Die Akademie am Schillerplatz ist eine der ältesten Kunstunis Mitteleuropas.(c) Lisa Rastl, Akademie der bildenden Künste
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Grande Dame & junge Wilde: Wiens Kunstunis jubilieren: Die Akademie am Schillerplatz wird 325, die Angewandte 150.

Kennen Sie Peter Strudel? Genau, den Namensgeber der Strudelhofstiege, die Heimito von Doderer mit seinem Roman weltberühmt machte. Die Stiege wiederum heißt so, weil der Hof- und Kammermaler Kaiser Leopolds I. ebendort 1690 den „Strudelhof“ errichten ließ. In die Geschichtsbücher eingetragen hat sich Strudel allerdings mit seiner Idee einer „Academia“ nach italienischem Vorbild, für die er auch Kaiser Leopold I. begeistern konnte. 1692 – vor 325 Jahren also – wurde die Akademie erstmals urkundlich anerkannt. Die Räume dafür stellte Strudel privat zur Verfügung, er selbst stand der Anstalt samt angeschlossener Antikensammlung als Präfekt vor. Auch wenn Strudels Akademie erst 1705 unter Joseph I. als „Hof-Akademie“ öffentlich wurde – seiner Idee und Initiative ist es zu verdanken, dass sich Wien rühmen darf, Standort einer der ältesten Kunstakademien Mitteleuropas zu sein.

Alt, aber gut! Die Liste ehemaliger Studierender liest sich wie ein Who’s who der österreichischen Kunstgeschichte und reicht von alten Meistern wie Maulbertsch, Messerschmidt, Waldmüller über die großen Namen des Fin de Siècle, Wagner, Hoffmann, Schiele, Gerstl, bis hin zu den Stars der Gegenwart Lassnig, Wurm, Zobernig, Krystufek. Heute ist die Akademie lebendiger denn je.

150 Jahre. Haupthaus der Universität für angewandte Kunst am Stubenring.
150 Jahre. Haupthaus der Universität für angewandte Kunst am Stubenring.(c) Birgit und Peter Kainz

Zwar hatte sie ihre Bedeutung bis ins 19. Jahrhundert vor allem als „Kunstbehörde der Nation“ und nahm als solche auch Aufgaben wie den Denkmalschutz wahr. „Zu einer ,richtigen‘ Akademie wurde sie erst Ende des 19. Jahrhunderts“, sagt Rektorin Eva Blimlinger, Ein wichtiger, weil bis heute sichtbarer Schritt war die Übersiedlung 1877 in den von Theophil Hansen als Teil der Ringstraße konzipierten Neubau am Schillerplatz mit Gemäldegalerie und Kupferstichkabinett als bedeutenden Lehrsammlungen sowie einer Glyptothek in der Aula. „In der Ersten Republik wurde die Akademie in eine Lehranstalt übergeführt, noch ohne formalisierte Abschlüsse“, so Blimlinger. „Erst mit der Einführung des Lehramtes in der NS-Zeit wurde der Abschluss notwendig.“ Heute gibt es für die Studierenden der Akademie unter anderem die Möglichkeit eines Doktorats im Bereich künstlerischer Forschung in Form des sogenannten PhD-in-Practice.

Facelifting. Wo steht die Akademie heute? „Rückblickend auf die vergangenen 30 Jahre hat sich die Akademie von einer männlich-konservativen zu einer innovativen Kunstinstitution gewandelt“, sagt Blimlinger. „Bezogen auf Europa und die USA ist sie die einzige Kunstuniversität mit einem Frauenanteil von über 50 Prozent. Mit Namen wie Daniel Richter, Hans Scheirl, Dorit Margreiter am Institut für Bildende Kunst oder Sabeth Buchmann, Diedrich Diederichsen, Elisabeth von Samsonow im Bereich Kunst- und Kulturwissenschaften sind wir zudem international breit aufgestellt.“ Davon zeugt auch die Präsenz junger Künstlerinnen und Künstler der Akademie an Biennalen – wie aktuell Nika Autor im slowenischen Pavillon an der Venedig-Biennale. Ein starkes Anliegen für die Positionierung der Akademie ist Blimlinger auch die Geschlechtergerechtigkeit. Für ihre Maßnahmen zur Stärkung der Geschlechterdiversität und ihr Engagement für Transgender, Intersexuelle und Transsexuelle wurde die Akademie 2016 für das Projekt Non-Binary University mit dem Diversitas-Preis des BMWFW ausgezeichnet.

Scouting. Beim „Rundgang“ der Akademie präsentieren sich die Talente von morgen.
Scouting. Beim „Rundgang“ der Akademie präsentieren sich die Talente von morgen.(c) Lisa Rastl, Akademie der bildenden Künste

Nach dem institutionellen Facelifting erhält zum 325-Jahr-Jubiläum nun auch das 140 Jahre alte Hauptgebäude einen Relaunch. Während der dreijährigen Bestandssanierung und Erweiterungsarbeiten für einen neuen Studiensaal fungiert die alte Wirtschaftsuni als Ausweichquartier für die Institute, die Gemäldegalerie übersiedelt während des Umbaus ins Theatermuseum des KHM, und der akademieeigene Ausstellungsraum xhibit in ein ehemaliges Geschäftslokal in der Eschenbachgasse. Den temporären Standortwechsel sieht die umtriebige Rektorin positiv. „Ich freue mich drauf, jede Veränderung ist eine Chance.“  

Des Kaisers Laune. Einer Sanierung wird auch der Zen­traltrakt der Universität für angewandte Kunst sowie die nahe gelegene Dependance in der Vorderen Zollamtsstraße unterzogen. Auch der Grundsteinlegung von Wiens zweiter Kunstuniversität liegt eine kaiserliche Laune zugrunde. Demnach soll Franz Joseph I. nach dem Besuch der Weltausstellung über das Abschneiden Österreichs so enttäuscht gewesen sein, dass er den Bau einer Kunstgewerbeschule verfügte. Mit Heinrich Ferstel kam ebenfalls einer der großen Ringstraßenarchitekten zum Zug, unter dessen Federführung 1875 bis 1877 die „Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie“ errichtet wurde. Die beiden bis heute im Namen verwandten benachbarten Institutionen bildeten damals auch institutionell eine Einheit, wobei das Museum vorrangig Lehrzwecken diente. „Mit dem Erstarken des Bürgertums nach 1848 begannen Bildungseinrichtungen eine große Rolle zu spielen. Nach dem Desaster von Königgrätz wurde Bildung zudem als Notwendigkeit für staatliche Identität und wirtschaftliche Prosperität angesehen“, sagt Angewandte-Rektor Gerald Bast. „Die Weltausstellungen schließlich waren eine Plattform für das Bewusstsein, dass Industrie und Technik ohne Ästhetik nicht funktionieren.“

Mit ihrer Ausrichtung auf das Kunstgewerbe war die Schule den Bedürfnissen der Ringstraßenzeit angepasst. „Gustav Klimt etwa wurde ab seinem 14. Lebensjahr hier ausgebildet und hat danach die Ringstraße ausgeschmückt“, sagt Patrick Werkner, der als Leiter der hochschuleigenen Kunstsammlung und des Archivs für die Aufgabenbereiche Forschung und Sammeln zuständig ist. „Während die Akademie zu der Zeit eine konservative, bewahrende Rolle hatte, kamen die Innovationen von der Angewandten. Oskar Kokoschka, die Secessionisten – das waren die Wilden der Moderne. Vom ersten Tag an wurden Frauen aufgenommen, auch wenn man sich das nicht zu emanzipatorisch vorstellen darf.“ Auch die Wiener Werkstätte ging aus der Schule hervor, ebenso der Kinetismus, von drei Frauen gegründet.

Einstimmung.  Uni-Luft schnuppern kann man beim „Open Day“ der Angewandten.
Einstimmung. Uni-Luft schnuppern kann man beim „Open Day“ der Angewandten.(c) Birgit und Peter Kainz

Koryphäen. Im Lauf der Zeit übernahm die Schule auch in den anderen Bereichen eine Vorreiterrolle. Die Rektorate von Oswald Oberhuber 1979–1987 sowie 1991–1995 bedeuteten für die Angewandte im Bereich der freien Künste einen Quantensprung. 1984 wurde die erste Meisterklasse für Medienkunst im deutschsprachigen Raum mit Peter Weibel als Professor gegründet. Unter den Architekten finden sich neben den Koryphäen wie Schütte-Lihotzky, Achleitner, Prix auch die Namen von Pritzker-Preisträgern wie Zaha Hadid, Kazuyo Sejima, Hans Hollein. Und mit Gastprofessuren von Karl Lagerfeld, Vivienne Westwood, Jil Sander, Helmut Lang bis zu Hussein Chalayan hat sich Wien auf der Landkarte der internationalen Modewelt einen feste Platz erobert. Heute lautet die Parole „Cross-over“: „In den vergangenen Jahren sind wir stark in die disziplinenübergreifende Richtung gegangen“, sagt Bast. „Es gibt die Klasse für Transmediale Kunst von Brigitte Kowanz, Master Studies für Arts & Science, Social Design und TransArts.“ Der neueste Coup heißt „Cross-Disciplinary Strategies“ – das Bachelorstudium, das ab dem Herbstsemester 2017 unterschiedlichste Themenkomplexe von der Kunst über künstliche Intelligenz, Gentechnik, Migration bis hin zur Philosophie des Alterns verbindet.

Tipp

Veranstaltungen. Die Akademie der bildenden Künste lädt am 21. Juni zur großen Jubiläumsfeier. Die Universität für angewandte Kunst präsentiert sich ab 15. Dezember im MAK mit der Kooperationsausstellung „Ästhetik der Veränderung“. Schaufenster.DiePresse.com

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