Kunst, Architektur, Design: Im Streichelzoo der Roboter

Eine präzise Kulturgeschichte der Roboter, das wär's gewesen! Sie spielt immerhin eine Wunderkammer-Rolle in der Ausstellung „Hello, Robot“ im MAK.
Eine präzise Kulturgeschichte der Roboter, das wär's gewesen! Sie spielt immerhin eine Wunderkammer-Rolle in der Ausstellung „Hello, Robot“ im MAK. (c) A. Sütterlin, 2016
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Die zweite „Viennabiennale“ wildert in Ars-Electronica-Gefilden. Mit einer netten, aber zu knapp gehaltenen Robotik-Design-Ausstellung. Kryptischer Kunst. Und wohlmeinender Architektur im Nordbahnhof-Areal.

Erstaunlich viele Hände hoben sich auf die scherzhafte Frage der Kuratorin der Roboter-Ausstellung im MAK, wie viele der Kultur-Journalisten denn ohne Smartphone hier wären. Und während einer Dame geduldig erklärt wird, was „Aktoren“ denn seien (die Antriebselemente, die elektrische Signale in Bewegung umwandeln), schwant einem das Ausmaß der Tragödie: Ein zahlenmäßig bestimmender Teil der Gesellschaft tut so, als könnte er das mit der Robotik einfach ignorieren. Obwohl ein Blick auf die in der Ausstellung präsentierte Handy-App „Architecture of Radio“ ersichtlich machen würde: Da kommen wir nicht mehr raus. Das Netzwerk der Netzwerke ist dicht gespannt, man sieht diese „Infosphäre“ aus der Unsichtbarkeit auftauchen, würde man die „App“ auf seinem Smartphone installieren: alle Sender, Smartphones, Wlan-Router rund um einen werden sichtbar. Sie bilden die Grundlage des robotischen Systems, in dem wir uns längst befinden. Die Frage ist nur, wer es in Zukunft bestimmen wird.

Nein, das Internet wird nicht mehr weggehen, „gut“ wird es nicht mehr. Aber prinzipiell besser. Dafür plädiert zumindest – trotz einiger zugegebener ethischer Probleme mit der Robotik – die „Viennabiennale“, die heute, Mittwoch, eröffnet wird, als Kernstück von MAK-Direktor Christoph Thun-Hohensteins Amtszeit. Vor zwei Jahren hatte dieses neue Format, das Kunst, Design, Architektur nicht nur inhaltlich, sondern auch institutionell verbindet, Premiere. Damals ging es um Vorschläge zur Weltverbesserung. Diesmal wird es konkreter, im Zentrum steht der digitale Wandel, genauer gesagt die Frage, wie Roboter unser Leben verändern. Mit dabei sind rund 300 Künstler in rund zehn Ausstellungen und Forschungs-Projekten, organisiert von MAK, Architekturzentrum Wien, Angewandter, Kunsthalle Wien, Wirtschaftsagentur Wien und Austrian Institute of Technology. Ein Riesenaufwand und für die Wiener Museums-Szene ungewöhnlich kooperativ. Großartig, prinzipiell.

Sehenswert ist auch das Herzstück, die Ausstellung „Hello, Robot“, eine Kooperation mit Vitra Design Museum und Genfer Design-Museum, kuratiert von Amelie Klein, Thomas Geisler, Marlies Wirth und Fredo de Smet. 14 simple Fragen – möchten Sie in einem Roboter leben, wohnen, von einem versorgt werden etc. – spannen das weite Feld der Robotik auf, mit historischen Bezügen, aktuellen Arbeiten, künstlerischen Ansätzen. Dicht wirkt das im Umgang der großen MAK-Halle, zu dicht, man hätte ruhig das ganze Haus mit diesen Kapiteln bespielen können. Das gäbe Stoff genug, zum Nachdenken, zum Ausprobieren, zum Verstehen, und vor allem auch kulturhistorisch.

Spekulativ, kryptisch, wie Kunst so ist

Doch die Mitte, die große MAK-Halle, beansprucht wieder die Kunst-Kunst, spekulativ, assoziativ, selbstverliebt, kryptisch, wie sie so gerne ist: „Artificial Tears“ heißt sie und ist am Ende beliebig in diesem Zusammenhang. Sie soll die Emotionen zur digitalen Moderne behandeln, spürbar macht sie sie nicht. Genauso wenig wie die in der Kunsthalle am Karlsplatz angesiedelte Gruppenschau „Work it, feel it“, kuratiert von Anne Faucheret, wo die Optimierung und Disziplinierung der menschlichen Körper für die digitale, natürlich neoliberale Ausbeutung im Zentrum der künstlerischen Arbeiten steht. Die Fleischer-Haken unserer Zeit sind zwar nur noch symbolische Fetische, deswegen funktionieren die Methoden aber trotzdem, könnte man hier etwa Toni Schmales Haken-Objekt interpretieren. Im Obergeschoß des MAK wird der handwerkliche Ausweg genommen, der Freiraum aufgezeigt, den die digitale Welt den Designern wieder gegeben hat – die „Stadtfabrik“ versammelt ziemlich viele, ziemlich gute, lustige, pathetische, sozial engagierte, nachhaltige Projekte, wie Designer die Welt verbessern. So die Brücke zur ersten „Viennabiennale“ vielleicht.

Was ist das Problem an diesem Kraftakt der Brückenbildung zwischen den Disziplinen, der noch dazu einen populären Ansatz erfüllen soll? Am Ende ist niemand glücklich. Die Robotik-Freaks freuen sich auf die „Ars Electronica“ in Linz, die sich heuer mit künstlicher Intelligenz beschäftigt. Die Kulturhistoriker müssen sich mit der „Wunderkammer“ der Roboter-Ausstellung zufrieden geben, wo im Schnellverfahren die Geschichte abgehandelt wird, man etwa nur im Kleingedruckten erfährt, dass ausgerechnet der österreichische Architekt Friedrich Kiesler das Bühnenbild machte für ein Werk, das fast zum ersten Mal einen „Roboter“ auf die (Theater-)Bühne dieser Welt brachte (1923 in Berlin, beim Theaterstück „W.U.R.“ von Karel Capek, Uraufführung war 1921). Die Architekten schrammen an Thema und Zentrum vorbei mit der Einladung des AZW von sechs Architekten-Teams in die Nordbahnhalle, wo gemeinsam mit lokalen Initiativen die urbane Zukunft „repariert“ werden soll.

Und die ausgesuchte bildende Kunst? Die nutzt ihre Freiräume nicht, macht es sich gemütlich im Verschwurbelten, scheut das Provokative – was wäre einem Christoph Schlingensief zu diesem existenziellen Roboter-Streichelzoo eingefallen? Beziehungsweise, was hätte er getan? Sich wohl keine „App“ runtergeladen. Aber wer weiß.

„Viennabiennale – Roboter. Arbeit. Unsere Zukunft“: läuft bis in den Herbst, Details: www.viennabiennale.org

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2017)

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