Birgit Jürgenssens zäher Durchbruch

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In der Verbund-Zentrale wurde die erste umfassende Publikation der Wiener Künstlerin vorgestellt.

„Ach, Fräulein Jürgenssen, warum schleppen Sie sich denn mit den schweren Lithosteinen ab, Sie werden doch eh bald heiraten.“ Der Assistent der Meisterklasse für Druckgrafik an der Wiener Angewandten um 1970 meinte es wohl irgendwie gut mit der damaligen Studentin Birgit Jürgenssen. Seinen Namen unterschlägt die Geschichte uns heute, Jürgenssens Name dagegen steht für eine der großen unterbewerteten Künstlerinnen der österreichischen Kunstgeschichte nach 1945. Trotz Heirat. Und trotz erster Einzelausstellung in der Albertina schon im Jahr 1978.

Doch das vielschichtige Werk der vor sechs Jahren an Krebs verstorbenen Wienerin ist nicht „gebrandet“ wie bei vielen männlichen Kollegen, es folgt keinem durchgängigen Stil oder Medium, sondern vereint Zeichnungen, Fotografien, Performances. Eine Erklärung, warum man heute zwar Jürgenssens Namen, weniger aber ihre Arbeiten kennt, warum der verdiente Durchbruch so schleppend geschieht.

Aber er geschieht: Dienstagabend wurde die erste umfassende Publikation über Jürgenssens Werk in der Verbund-Zentrale am Hof präsentiert. Das Energieunternehmen hat sich im Zuge seiner Sammlungstätigkeit hehre Ziele („Tiefe statt Breite“) gesteckt. So konnte die Frau für die Kunst beim Verbund, Gabriele Schor, die renommierte US-Kunsthistorikerin Abigail Solomon-Godeau als zweite Herausgeberin für den Hatje-Cantz-Band gewinnen, eine wesentliche Hilfe, um Buch und Künstlerin internationale Aufmerksamkeit zu sichern. Auf 300 Seiten finden sich mehrere Aufsätze und rund 400Abbildungen, die einen Vorgeschmack auf das vorbereitete Werkverzeichnis Jürgenssens (3000 Werke) geben.

Einen Miniausblick auf die 2010 im BA-CA-Kunstforum geplante große Retrospektive gibt die Stiegenhaus-Ausstellung in der Verbund-Zentrale, die aus der eigenen Sammlung bestückt wurde und einige ikonische Bilder umfasst, etwa aus den Hausfrauenzeichnungen, die zu den wesentlichen Äußerungen der feministischen Kunst der 70er-Jahre zu zählen sind. Die Hausfrau etwa als Tigerkatze im Familienkäfig, die durch ein Gitter in die Freiheit faucht. Mehr darüber beim Symposium „Birgit Jürgenssen im Kontext – Frauen, Kunst und Repräsentation“, am 11.Dezember, 9.30–19h, in der Akademie der bildenden Künste. U.a. mit Peter Weibel, Solomon-Geodeau, Cathrin Pichler, Carola Dertnig. sp

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2009)

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