Kunst bei den Festspielen

Zu Gast in Salzburg: Louvre und Todsünden

Nicht so berühmt wie Rembrandts Engerl, aber mit Totenkopf statt Seifenblase: Das einzige von Pieter J. Hesemann erhaltene Bild, „Allegorie von Tod und Auferstehung“, 1620, zu sehen derzeit in der Residenzgalerie.
Nicht so berühmt wie Rembrandts Engerl, aber mit Totenkopf statt Seifenblase: Das einzige von Pieter J. Hesemann erhaltene Bild, „Allegorie von Tod und Auferstehung“, 1620, zu sehen derzeit in der Residenzgalerie.(c) Akademie der bildenden Künste Wien
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Zwei Ausstellungen alter Kunst bieten das perfekte Begleitprogramm zum „allegorischen Spiel“ des „Jedermann“: „Die Sprache der Bilder“ in der Residenzgalerie und Zeichnungen aus dem Louvre im Salzburg-Museum.

Die Kunst ist oft mehr, als sie zu sein scheint. Ein Haufen Scheiße zum Beispiel, in Dosen gefüllt, Aufschrift: „Merda d'Artista“. Wirkt wie ein Witz. Ist am Ende aber eine Allegorie auf die Lächerlichkeit des Glaubens an die heilige Kunst, die der geniale Konzeptkünstlers Piero Manzoni 1961 abgefüllt und um den Preis einer Unze Gold verkauft hat – wird heute übrigens um mehr als 100.000 Euro gehandelt.

Mit der Entschlüsselung der Bilderrätsel, die uns die Künstler aufgeben, tut man sich in unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich schwer. So ist das prekäre Döschen für uns recht schnell deutbar. Während wir vor Szenen historischer Kunst, in denen sich etwa ein Engerl mit Seifenblasen spielt, schon länger ins Grübeln geraten. Wenn man jetzt einmal nicht an Kindergeburtstage denkt, sondern an die prinzipielle Vergänglichkeit alles Schönen, wird plötzlich alles klar: Allegorien nennt man diese poetische Bebilderung meist existenzieller Themen. Die Salzburger Residenz-Galerie widmet der „Sprache der Bilder“, so der Untertitel, ihre große Sommerausstellung. Eine charmante Ergänzung zum „Jedermann“, der an der Breitseite des Museums aufgeführt wird und ebenfalls vor Allegorien und Personifikationen à la Glaube, Tugend, Tod und Guter Werke strotzt.

Leihgaben der Sammlung Liechtenstein

In zehn Kapiteln umreißt Kuratorin Erika Oehring die Hauptgebiete der Allegorie, für deren Formulierungen sich die Künstler gern bei Ovids „Metamorphosen“ oder Cesare Ripas „Iconologia“ bedient haben: Das reicht von Länderallegorien über Allegorien der Jahreszeiten, des Kriegs, der Todsünden bis zu den Tugenden. Dominant ist zwar die barocke Kunst, die Hochblüte der Allegorie, schließlich kann man u. a. auch auf Leihgaben der Sammlung Liechtenstein zurückgreifen. Die Ausstellung streckt sich aber mit einigen Beispielen bis ins Heute, etwa mit einem Video von Sam Taylor-Johnson, in dem ein Früchtestillleben vor unseren Augen verfault. Dazu passt das schon erwähnte Engerl mit den Seifenblasen, das Rembrandt gemalt hat. Ein schöner Vergleich ist bei den „Sieben Todsünden“ gelungen, die in den Interpretationen des manieristischen niederländischen Kupferstechers Goltzius und des Symbolisten Alfred Kubin aufmarschieren. Parallel zueinander, im direkten Vergleich, Kubin in herrlich karikaturhaftem Stil, das behaarte, gnomische Wutbinkerl ist eine wahre Wonne.

Spannend wird es bei den weniger offensichtlichen Darstellungen, vor allem bei den Attributen, die uns nicht mehr geläufig sind: So etwa bei den Personifikationen von Luft und Feuer von Frans II. Francken dem Jüngeren. Wie kam es, dass gerade ein Chamäleon auf der Hand der Dame der Lüfte balanciert? Es hieß, liest man dazu, dass es sich nur von Luft ernähre. Blickt man in genau diese in der Residenz, sieht man die Ausstellung an der Decke weitergeführt, in den allegorischen Gemälden von Johann Michael Rottmayr und Martino Altomonte.

Blickt man noch weiter, einmal über den Residenzplatz, hinüber zum Salzburg-Museum, kann man ebenfalls anknüpfen: Im unterirdischen Sonderausstellungssaal findet man unter den 80 Renaissance- und Barockzeichnungen immer wieder Allegorien, etwa der Frömmigkeit und Gerechtigkeit von Domenic Zampieri. Das Besondere dieser Zeichnungen ist ihre Provenienz, es sind Leihgaben aus dem Louvre, darunter finden sich auch zwei wenig aufregende Michelangelo-Blätter und ein sehr schönes Dürer-Mädchenporträt.

Sammlung eines Bürgerlichen

Ihre Sammlungsgeschichte ist am Ende aber interessanter als sie selbst; die Bezeichnung Meisterzeichnungen wirkt genauso irreführend wie der etwas reißerische Ausstellungstitel „Art Royal“: Denn hier wird eigentlich gerade keine ursprünglich königliche Kunst gezeigt, sondern die bemerkenswerte Sammlung eines Bürgerlichen, eines klassischen Aufsteigers, des in Paris lebenden Kölner Kaufmanns und Bankiers Everhard Jabach (1618–1695). Der reiche Mann, der sich herrlich ehrlich von Hyazinthe Rigaud porträtieren ließ, alt und dick könnte man freundlich sagen, stammte aus einer Pelzhändlerfamilie. Der Vater schon war ein Kunstmäzen, das Alterbild der Hauskapelle stammte von Dürer.

Jabach arbeitete sich hoch und begann in großem Stil zu sammeln. Mit einem für damalige Verhältnisse verschrobenen Faible für Zeichnungen. 1662 und 1671 verkaufte er große Teile seiner Kunstsammlung dann an den französischen König Ludwig XIV. – was dazu führte, dass die 5542 Zeichnungen aus Jabachs Sammlung zum Grundstock der Grafiksammlung des Louvre wurden. Eine Geschichte wie eine Allegorie – für die Tugend des bürgerlichen Mäzenatentums vielleicht? Oder gar dessen Schicksal?

„Allegorie“, Residenzgalerie, bis 6. November. Im Juli/August täglich 10–17 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr geöffnet.
„Art Royal“, Salzburg-Museum, bis 3. September. Im Juli/August täglich 9–17 Uhr geöffnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2017)

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