Naturhistorisches Museum: Die Verlockung der Meteoriten

(c) APA (Georg Hochmuth)
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Der Kosmochemiker Christian Köberl (50) wird neuer Generaldirektor. Er plant Ausstellungen über Eiszeiten und das Werden der Erde.

Kreationismus? An dieser Oberfläche sollte man sicherheitshalber nicht kratzen. Ich denke an Ausstellungen über die Entstehung des Sonnensystems, die Frühgeschichte der Erde oder Eiszeiten – da gibt es viele sehr spannende Themen. Die Erde war schon vor hunderten Millionen Jahren vollkommen vergletschert. Es wäre interessant darzustellen, wie sich das Leben überhaupt halten konnte.“ Das erklärte Christian Köberl Mittwoch im Gespräch mit der „Presse“ nach seiner Vorstellung durch Ministerin Claudia Schmied.

Der 50-jährige Kosmochemiker wird sein Amt als Generaldirektor des Naturhistorischen Museums (NHM) am 1.Juni 2010 antreten. Da der bisherige NHM-Chef Bernd Lötsch zu Jahresende geht, wird bis Juni Vizedirektor Herbert Kritscher das NHM führen. Kritscher, der sich ebenfalls um die Lötsch-Nachfolge bewarb, meinte Mittwoch auf die Frage, wie er zu der jetzigen Lösung stehe: „Mein Herz hängt nun einmal an dem Museum. Man hat mich überzeugt. Ich kenne Herrn Köberl nicht. Ich treffe ihn Donnerstag. Lötsch war ein guter Mann. Er hat mir Freiraum gelassen.“ Das NHM brauche vor allem ein neues Corporate Design und ein neues Marketingkonzept. Die Chancen, mehr Subventionen und Personal zu bekommen, schätzt Kritscher als eher gering ein: „Für einen tief greifenden Wandel gibt es zu wenig Geld“, meint er.

Wurden dem neuen Generaldirektor Versprechungen gemacht? Darauf ließen sich Mittwoch weder die Bildungsministerin noch Köberl festlegen. Schmied resümierte zunächst das Auswahlverfahren: Aus 37Bewerbungen, die bis 4.September eingegangen waren – davon elf von Frauen – wählte eine Findungskommission sieben Personen: „Professor Köberl hat mich überzeugt: ein Spitzenforscher, ein anerkannter Mann in der Lehre und der Vermittlung.“ Schmied wie Köberl rühmten die weltweit einmalige Sammlung und kompetenten Mitarbeiter des NHM, das Köberl, so Schmied, sowohl der Scientific Community als auch der breiten Öffentlichkeit stärker zugänglich machen soll.

Ein schönes, aber altertümliches Haus

Diese Form von Beschwörung hat man schon öfter gehört, etwa auch bei der Bestellung des leidenschaftlichen Umweltschützers Bernd Lötsch durch den früheren Wissenschaftsminister Busek. Lötsch brachte zwar frischen Wind ins Museum, die altertümliche Erscheinung des unter Denkmalschutz stehenden Hauses und seiner Sammlung konnte er aber ebenso wenig ändern wie die Reformresistenz eines Teils der Mitarbeiter. Während das gegenüberliegende Kunsthistorische Museum unter dem früheren Generaldirektor Wilfried Seipel bei der ehemaligen Ministerin Gehrer bestens angesehen war, was sich u.a. auch in der Abdeckung von Defiziten niederschlug, muss das NHM sehen, wie es durchkommt. Die Bewertung des NHM gegenüber den Kunstmuseen zeigt sich nicht zuletzt im jüngsten Rechnungshofbericht über die Einkommen von Kulturmanagern: Die zwei KHM-Geschäftsführer (im Untersuchungszeitraum Seipel und Paul Frey) verdienten je rund 250.000Euro im Jahr, der NHM-Chef nur 100.000. Das ist auch weit weniger als die Gagen der anderen Museumsleiter.

„Bei einer Firma hätte ich mehr verdient“

Eine beeindruckend lange Liste von Tätigkeiten ziert das Curriculum Vitae des neuen NHM-Chefs: Er studierte Chemie, technische Chemie, Astronomie, war Assistent an der Uni Wien, lehrte aber auch an der Hochschule für angewandte Kunst (jetzt Universität für angewandte Kunst). Er leitet das Departement für Lithosphärenforschung (diese befasst sich mit der Erdkruste) der Uni Wien, ist Professor für Impaktforschung (diese erkundet Krater, Gestein, das z.B. beim Einschlag von Meteoriten entsteht) und planetare Geologie. Ferner war er Gastprofessor in den USA, Südafrika und in Großbritannien. Warum zieht es einen so hochklassigen Wissenschaftler ausgerechnet ins angestaubte NHM?

Ein Grund: Es habe eine fantastische Meteoritensammlung, wie Köberl schwärmte. Warum ging er nicht ins Ausland? Weil die Berufung an ein Nasa-Forschungsinstitut, dessen Führung er hätte übernehmen sollen, an finanziellen Problemen scheiterte: „Wenn ich weggegangen wäre, dann nur in ein Land, in dem die Forschungsinfrastruktur noch besser entwickelt ist als bei uns. Die ist nämlich nicht schlecht. Ich bin sehr zufrieden hier“, lobte Köberl. 85Prozent seiner Zeit wird er nach Abschluss seiner Uni-Verpflichtungen (Exkursionen mit Studenten etc.) im NHM verbringen, erklärte Ministerin Schmied. Ist das nicht eine bedeutende Gageneinbuße?

„Wenn ich in der Forschung nur auf Geld aus gewesen wäre, hätte ich meine Karriere anders planen müssen. Dann hätte ich zu einer Firma gehen müssen. Da hätte ich von vornherein viel mehr verdient. Die Bezahlung im NHM ist ausgezeichnet. Ich bin keiner, der sich bereichern möchte. Man möchte angenehm leben. Das ist mit diesem Einkommen absolut kein Problem.“ Ein wichtiger Wunsch allerdings fürs NHM wäre eine bessere technische Ausstattung, was auch die Voraussetzung ist, um mehr Drittmittel auftreiben zu können: „Die Infrastruktur muss durch moderate Investitionen verbessert werden“, betont Köberl.

Ihr habe gefallen, dass der neue NHM-Chef Forschung und Vermittlung für gleich wichtig hält, meinte Schmied. Nach der Reifeprüfung an der Höheren Bundeslehr- und Versuchsanstalt für Technische Chemie hat Köberl auch an Volkshochschulen unterrichtet und bei Naturdokumentationen, z.B. für „Universum“, BBC mitgewirkt.

NHM: AUF EINEN BLICK

Ausgestopfte Tiere, altmodisches Design sind Gründe dafür, dass das NHM verstaubt wirkt. Dennoch ist es eines der wichtigsten Naturkundemuseen der Welt, 260Jahre alt. Seit 120Jahren residiert es am Ring. Es verzeichnet jährlich rund 372.000Besucher. Der Biologe Bernd Lötsch (68) belebte das Haus mit Terrarien, Aquarien, Mikrotheater. Derzeit: Darwin-Ausstellung bis 5.4.2010.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2009)

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