Der letzte seiner (Pop) Art

Mel Ramos (Mitte) hat für Almdudler-Chef Thomas Klein und seine Schwester Michaela ein „Commercial Pin-up“ gemalt.
Mel Ramos (Mitte) hat für Almdudler-Chef Thomas Klein und seine Schwester Michaela ein „Commercial Pin-up“ gemalt.(c) Katharina Fröschl-Roßboth
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Interview. US-Maler Mel Ramos malt Pin-ups mit Ikonen der Konsumkultur – jetzt auch mit der Almdudler-Flasche. Von spätem Hype – und langer Liebe.

Es ist ein Abend im Kunsthistorischen Museum. Während die letzten Besucher nach Hause gehen, hat sich in einer abgeschotteten Ecke eine kleine Gruppe versammelt, darunter: Almdudler-Chef Thomas Klein und seine Schwester Michaela. Es ist der 12. September, der Geburtstag ihres Vaters. Er starb 1983, Mutter Ingrid heuer im August. 60 Jahre ist es her, dass die beiden geheiratet haben, Almdudler war sein Hochzeitsgeschenk an sie – erstmals abgefüllt am 17. Oktober 1957. Ein Jubiläum, das die Kinder trotz der Trauer feiern wollen – mit einem Mel-Ramos-Bild.

Mel Ramos, das ist der mit den Pin-ups an übergroßen Konsumartikeln: Junge Frauen auf einer Cohiba liegend, auf Campbells-Suppendosen sitzend, einer Chiquita-Banane entsteigend – und nun auch an eine Almdudlerflasche gelehnt. Und: Ramos ist auch da, gekommen mit seiner Frau Leta und Tochter Rochelle, um das Bild, das auf Vermittlung seines Galeristen Ernst Hilger entstanden ist, persönlich zu übergeben. Der Kalifornier trägt ein schwarz-orange gestreiftes Hemd zu weißem Sakko und Blue Jeans, Schnauzbart und Haare erinnern ein wenig an einen schmal gewordenen Einstein. Kurz muss der 82-Jährige überlegen, welches sein gutes Ohr ist, in das man sprechen soll.

Etwa über die Ingredienzien einer solchen Auftragsarbeit. „Marke mit Durchhaltevermögen“ (Almdudler, oder „Mambldudles“ – mit der Aussprache steht er auf Kriegsfuß, im Trachtenpärchen erkennt er tanzende Mexikaner, oder auch seinen Künstlerfreund Sam) treffe dabei auf Bildnis einer realen jungen Dame. Er habe, schildert er, „eine Sammlung von Fotos, bei denen ich nichts dagegen hätte, sie zu malen. Die meisten davon sind schöne, junge Frauen.“ Und damit habe er auch kein Problem. „Viele Menschen haben mich ein chauvinistisches Schwein genannt. Aber ich habe die Feministinnen überlebt, und heute ist das alles nicht mehr so. Hauptsächlich, weil ich einer der letzten verbliebenen Pop Art-Künstler bin.“

Wobei ihn das nervös mache, „dass einer nach dem anderen stirbt“, zuletzt James Rosenquist im heurigen März. Eigentlich, meint Ramos, sei er wohl überhaupt der letzte seiner Art, denn Claes Oldenburg, der in Europa lebt, zähle nicht. „Man muss Amerikaner sein, um Pop Art-Künstler zu sein.“

Chauvinist und Darling

Ramos hat einige solcher Meinungen, etwa über Jeff Koons, und er streut sie freimütig ein, ohne sich um Diplomatie zu kümmern. Das Label Pop Art selbst sei ihm dabei suspekt („war es uns allen, außer Andy Warhol, der mochte das Geld“). Ebenso die späte Anerkennung. „Ich habe mein Leben lang hart gearbeitet“, sagt Ramos, „aber der Erfolg kam langsam. Jetzt bin ich der letzte, und muss vorsichtig damit umgehen.“ Aufgehört zu malen hat er nicht, er nimmt sogar Porträtaufträge entgegen (berüchtigt jener von Pamela Anderson, die dann nicht zahlen konnte).

Was ihn antreibt, sei der Wunsch, „ein gutes Bild zu malen. Das ist nicht leicht.“ Rückblickend sehe er in seinem Werk viele schlechte Bilder neben einer Handvoll, die er mag. „Manchmal erscheint einem ein Bild gut, aber dann merkt man, dass es wie das von 500 anderen Malern ausschaut.“ Seinen Stil habe er nie als einzigartig betrachtet. „Es geht nur um die Frage, ob ein Bild funktioniert, ob es stimuliert und zu Diskussionen führt“.

1957, als Almdudler erfunden wurde, da hatte Ramos mit der Pop Art freilich noch gar nicht angefangen. „Damals war ich wie jeder andere in meinem Alter damit beschäftigt, mir einen Namen zu machen.“ Abstrakter Expressionismus war die vorherrschende Richtung, „irgendwann wurde mir klar, dass das nicht klappen würde, also habe ich beschlossen, das zu machen, worauf ich Lust hatte. Und das war, Superman und Batman und Wonderwoman zu malen.“ Auch die Superhelden gehen heute wieder gut, unlängst seien 13 von ihnen in New York zu sehen gewesen, „zu meiner Überraschung habe ich fast alle verkauft“.

Eine Highschool-Liebe

Zwischendurch wirft Ramos immer wieder einen liebevoll-besorgten Blick seiner Frau zu. Sie sind in die gleiche Highschool gegangen, „sie war ein Jahr älter als ich. Eines Tages ging sie an mir vorbei und ich dachte: Wow. Sie hatte einen großartigen Körper und ein wunderschönes Gesicht. Also habe ich angefangen, ihr hinterherzulaufen, sie hat mich ausgelacht.“ Irgendwann habe sie nachgegeben, „ein Jahr später haben wir geheiratet“. Noch ein Jahr später sei das erste von drei Kindern gekommen, ein Sohn mit Down-Syndrom. Seine Frau sei immer seine Stütze gewesen, auch wenn man heute, im Alter, öfter streite. Sie war es auch, die ihn davon abgehalten habe, pornografische Bilder zu malen. Gut, gibt er zu, manche seiner Arbeiten seien diesbezüglich ein wenig zweifelhaft. „Aber gegen Helmut Newton sehe ich aus wie Disney Land.“

ZUR PERSON

Mel Ramos wurde 1935 als Sohn portugiesischer Einwanderer in Sacramento (USA) geboren. 1961 begann er, Comic-Figuren zu malen, von dort kam er zu Pin-ups, die er auf Waren drapierte. Was damals ein Skandal war, gilt heute als ironischer Blick auf die Werbewelt. Zum 60-Jahr-Jubiläum von Almdudler hat Ramos eine der Limonadenflaschen im Stil seiner „Commercial Pin-ups“ gemalt, es soll in der Almdudler-Zentrale in Döbling hängen. Ramos lebt in Oakland und Spanien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2017)

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