Landesausstellung: Das evangelische Jahrhundert

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Von Gesetz und Gnade, Bibel und Sternen: „Renaissance und Reformation“ im Schloss Parz bei Grieskirchen. Sehenswert.

Das ägyptische Heer versinkt jämmerlich im Roten Meer; der Pharao auf seiner Sänfte streckt in Verzweiflung die Hände gen Himmel. Doch was trägt er auf dem Kopf? Seine Krone sieht aus wie die Tiara des Papstes, und so soll sie auch aussehen: Der Pharao ist der Papst, und sein Heer sind die katholischen Scharen, ergänzt durch einige eindeutig türkisch aussehende Gestalten, sie alle gehen unter, während das Volk Gottes schon auf sicherem Land ist.

Diese höchst tendenziöse Darstellung findet sich auf einem der – erst Ende der 1980er-Jahre freigelegten! – Fresken, die Sigmund Polheimer um 1580 auf die glatte, langgestreckte Südseite seines Schlosses Parz malen ließ: ein evangelischer Adeliger in einem evangelischen Land. Geschätzte 80 Prozent der Oberösterreicher waren damals lutherischen Glaubens, heute sind es vier Prozent. So ist es auch eine sympathische Geste in einem mehrheitlich katholischen Land, der konfessionellen Minderheit die heurige Landesausstellung zu widmen.

Luther und Erasmus unter dem Kreuz

„Renaissance und Reformation“ heißt sie, den Zusammenhang der beiden illustriert die faszinierende „Kreuzigung Christi“ eines bayerischen Meisters, in der man unter dem Kreuz sowohl Luther (auf das Kreuz zeigend) als auch Erasmus (auf dem Pferd als Ritter Christi) sieht. „Sapiens atque eloquens pietas“, diese Formel prägte der (in Oberösterreich beliebte) Humanist Johannes Sturm: „Kluge und beredte Frömmigkeit“ sollte auch in der von den oberösterreichischen Ständen betriebenen „Landschaftsschule“ im Linzer Landhaus herrschen. Dort wirkte unter anderen Oberösterreichs Vorzeigewissenschaftler, der aus Prag stammende Johannes Kepler: Die Ausstellung zeigt die Bibel, die er 1527 seinem Sohn zum 17. Geburtstag schenkte, sie dokumentiert seine Zweifel an der „Realpräsenz“ Christi beim Abendmahl; hier war Kepler radikaler als der lutherische Mainstream und deshalb sogar zeitweise vom Abendmahl ausgeschlossen. Wie heftig, wiewohl friedlich, innerhalb der evangelischen Theologie debattiert wurde, zeigt eine Sammlung von skurril anmutenden Schriften über die „Endschafft der Erbsünde“, über die Fragen: Hört die Erbsünde mit dem Tod auf? Tragen Ungeborene schon die Erbsünde in sich? Der Streit begann in Eferding und breitete sich bis nach Tübingen aus.

Seelenmessen sind überflüssig

Konzis dargestellt werden die theologischen Grundzüge der Reformation. Den Stein des Anstoßes symbolisiert der katholische Andreasaltar aus St.Pölten: Rote Linien weisen direkt von der Hostie, vom Priester hinunter auf die Häupter der Lieben im Fegefeuer, denen es durch Gebete zu helfen galt – die als himmlische Schätze galten, die im Ablasshandel direkt in irdische Währung umgerechnet wurden, wie etliche „Ablassbriefe“ illustrieren. Die evangelische Gegenposition belegt ein Trostbrief Luthers – der etliche Beziehungen nach Oberösterreich pflegte – an einen oberösterreichischen Adeligen, dessen Frau gestorben war: Ihre Seele sei schon bei Gott, Seelenmessen seien überflüssig. So wurde im Pastorenturm eines evangelischen Friedhofs für die Lebenden gepredigt, nicht für die Toten; der Friedhof in Steyr wird in einer Inschrift gar glaubenssicher als „Schlafhaus“ bezeichnet: „Auferstehung und ewiges Leben wird uns Gott aus Gnaden geben“, heißt es darin.

Dieselbe Überzeugung drücken die Gesetz-und-Gnade-Bilder aus, etwa in einem Epitaph aus der Pfarrkirche von Eferding: In der Mitte steht ein Baum, dessen Äste auf der Seite des Gesetzes verdorrt sind, auf der Seite der Gnade blühen sie. Eindrucksvoll verkörpert wird diese Idee der geschenkten Gnade im (mit Darstellungen von Sünden verzierten) Taufbecken von Steyr.

Man kann die reiche Ausstellung freilich auch ohne tiefere theologische Reflexion mit Genuss und Belehrung besuchen. Freunde deftiger Sprüche in knorriger Orthografie werden sich zum Beispiel über eine Schrift aus der Landhausbibliothek namens „Widder den Sauffteuffel“ freuen (Untertitel: „ein Sendbrieff des hellischen Sathans an die Zutrincker“); Astronomie, Medizin und Botanik der Zeit werden in gut ausgewählten Dokumenten vorgestellt; im dem Buchdruck gewidmeten Zimmer kann man sich als Drucker versuchen; wie die Musikinstrumente klangen, hört man auf Knopfdruck.

Ein wenig gar simpel wirkt die Erklärung der astronomisch inspirierten Eingangsarchitektur mit dem abgedroschenen Bild, man begebe sich nun von der Enge des Mittelalters in die Weite der Neuzeit. Doch dann steht man in einer Wunderkammer, gefüllt mit Mitbringseln aus Amerika wie etwa einem Meerschweinchen, dann werden mit zeitgenössischen Porträts die handelnden Personen vorgestellt, und man ist schon in der Zeit, in der Geschichte, in der eben nicht mehr wie in der „Romwegkarte“ des Erhard Etzlaub alle Wege nach Rom gingen.

Die evangelische Geschichte in Oberösterreich begann erstaunlich bald nach Luthers Thesen-Anschlag (1517): Schon 1521 lernte ein Sohn der Familie Jörger – neben den Polheims die zweite wichtige evangelische Adelsfamilie Oberösterreichs, die 1587 übrigens auch Hernals bei Wien erwarb – beim Studium am sächsischen Hof Luther kennen, 1525 wurde in Tollet und Steyr bereits evangelisch gepredigt.

Knapp ein Jahrhundert später sollte die Gegenreformation siegen: 1620 unterlag der evangelische Adel in der Schlacht am Weißen Berg der katholischen Liga, 1627 stellte Kaiser Ferdinand II. die Protestanten vor die Wahl zwischen Konversion zum Katholizismus und Auswanderung. Das evangelische Jahrhundert war vorbei, es kamen Verfolgung, Zensur („Imprimatur“), Geheimprotestantismus – und endlich, 1781, das Toleranzpatent Josephs II. In Stuben evangelischer Bauern in Oberösterreich hängen noch heute Porträts dieses Habsburgers.

28. oö. Landesausstellung

„Renaissance und Reformation“ läuft im Schloss Parz bei Grieskirchen im Hausruckviertel. Das Renaissanceschloss gehört heute der bayerischen Messerschmitt Stiftung, die auch circa 1,1 Millionen Euro in die Ausstellung investierte. Insgesamt beträgt das Budget circa 10,5 Millionen, darin enthalten sind diverse „Nebenstellen“: So bietet die evangelische Gemeinde in Wallern einen „Themenweg“, das evangelische Museum in Rutzenmoos zeigt ab 6. Mai Grabdenkmäler („Fröhliche Auferstehung“). Erwartet werden 200.000 Besucher. Der Katalog um 25 Euro ist gut und üppig: 656 Seiten. Info: www.landesausstellung.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2010)

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