Ausstellung: Spielzeug für ganz große Kinder

Spielzeug fuer ganz grosse
Spielzeug fuer ganz grosse(c) Ennio Leanza EPA
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Die bunt-plüschige Menagerie der 48-jährigen Künstlerin Cosima von Bonin hat im Kunsthaus Bregenz Quartier bezogen. 55 Skulpturen hat sie speziell für diese Ausstellung namens „Fatigue Empire“ kreiert.

Entweder es funkt, oder es funkt nicht“: Mit diesem kurzen Statement entzieht sich Cosima von Bonin jeder Befragung zu ihrer Kunst, durch die sie immerhin zu einer der gefragtesten deutschen Künstlerinnen der Gegenwart geworden ist. Nicht zuletzt durch ihre überdimensionalen Plüschtiere, die sie bei der letzten Kasseler documenta über das gesamte Gelände verstreut hat. Nun hat die bunt-plüschige Menagerie der vor 48 Jahren in Kenia geborenen, heute in Köln lebenden Künstlerin im Kunsthaus Bregenz Quartier bezogen. Müde, musikhörende Bewohner eines „Fatigue Empire“. So lautet der Titel der Schau, es ist die erste, die Yilmaz Dziewior verantwortet, der neue Hausherr des luziden Zumthor-Kubus am Bodensee.

Das Küken hat sich übergeben

55 Skulpturen hat die zwar öffentlichkeitsscheue, selbst aber alles andere als müde Künstlerin speziell für Bregenz kreiert. Damit der Ausstellungsbesucher nicht vorzeitig erschlafft, wird ihm nahegelegt, per Lift in die dritte Etage zu fahren, wo die Schau startet. Mit dem „Floß Fatigue“, das sich bereit macht zur letzten Ausfahrt mit ungewissem Ziel. Auf ihm lungern auf Tischen, alten Schulmöbeln, Rollwagen, einem Strandkorb oder Hochsitzen die unterschiedlichsten Plüschtiere im Großformat: ein schwarzer Hase mit rosa Halsband genauso wie eine orange Krabbe, ein weißes Küken, das sich gerade übergeben hat, oder eine ausgefressene Zecke. Was sie verbindet, ist das Hören von Musik, die Oswald von Moritz speziell für sie komponiert hat. Und wie sich das anhört, kann der Besucher mittels Kopfhörern auch selbst erfahren.

Pinocchio zeigt die lange Nase

Das einzige einigermaßen menschliche Wesen auf diesem Floß ist ein weißer Pinocchio, der, auf einem weißen, für ihn viel zu großen Schiedsrichterstuhl sitzend, angestrengt in die Ferne schaut. Und von dessen unendlich langer, dünner Nase sich eine – weiße – Spinne abseilt. Dass die Sache mit der Nase mit dem Lügen zu tun hat, weiß jedes Kind. Ob Cosima von Bonin auf diese Weise charmant auf die Methoden des Kunstbetriebs verweisen will, mag als These in den Raum gestellt sein. Einem Kunstbetrieb, dessen Vereinnahmung sich die Künstlerin ganz bewusst entzieht. Immer damit kokettierend, dass jede ihrer Arbeiten, jede Ausstellung ihre letzte sein könnte.

Beim „Floß Fatigue“ outet sich Cosima von Bonin als ausgefuchste Ironikerin, als souveräne Spielerin mit Ambivalenzen. Indem sie das emotional mit Kindheitserinnerungen besetzte Plüschige monströs aufbläht, das Kuscheltier zum schrägen Monster mutieren lässt, das sich der Vereinnahmung entzieht, indem es auf Sockel gelegt ist, die dadurch wiederum ihrer assoziativen Besetztheit beraubt werden. Durch diesen Kunstkniff wird die Künstlerin zur subtilen Verführerin, zur Offenlegerin des Abgründigen, das selbst im Banalsten schlummert.

Indem die Bildhauerin Cosima von Bonin ihre Skulpturen ausgerechnet aus Stoff macht, bricht sie wieder mit einem Klischee althergebrachter weiblicher Rollenbilder. Um sich hämisch darüber zu freuen, wie sehr sie mit ihren in keinen gängigen Kunstkontext passenden Plüschtieren die Kunstöffentlichkeit irritiert. Wobei sich die Konzeptkünstlerin Bonin als Designerin versteht, die das Nähen Profis überlässt. Fleißigen Händen, die üblicherweise exklusive Kleider sticheln, um in den letzten Monaten die Felle und Häute dieser schrillen Menagerie zu schneidern. Sowie die 20 großen „Lappen“ – wie Bonin ihre Stoffbilder nennt – zu realisieren, die ebenfalls im Kunsthaus zu sehen sind.

Rot-weiß karierte Überzüge

Sie sind aus Stoffen mit den unterschiedlichsten Mustern zusammengesetzt, zu verstehen als Metaphern für die vielen Kulturen dieser Welt. Wie in einem „normalen“ Bild spielend mit klassischen Kompositionsprinzipien, mit Farben, Strukturen, Flächigem und Linearem, das auf monochrome Untergründe fein gestichelt ist. In der Manier von Comics Geschichten erzählend, oft ergänzt durch geschriebene Zitate oder Hinweise auf fiktive Homepages. Daneben steht ein ganz realer Pick-up und neben diesem seine Replik aus Holz bzw. Pappe. Das Holzauto, das wie ein Spielzeug für ein Riesenkind anmutet, ist „möbliert“ mit Objekten, die rot-weiß karierte Stoffüberzüge tragen. Dasselbe Muster taucht übrigens auch an der Fassade des – während der Ausstellung nächtens pink leuchtenden – Kunsthauses auf, dessen „a“ die Künstlerin mit diesem in Vorarlberg erzeugten Stoff überzogen hat. In der ersten Etage hat Cosima von Bonin dagegen den Raum für Museumspädagogik als Potemkin'sches Dorf im Kleinformat nachgebaut. Die Regale sind gefüllt mit aus Stoff genähten Attrappen, von der Decke flattert ein Wald von Fotografien, die von Bonin in aller Welt geschossen hat.

Im Erdgeschoß: „Bye Bye Utopia“

Um das Erdgeschoß des Kunsthauses Bregenz zu einem lebendigen Ort „der Verhandlung experimenteller Darstellungsformate“ zu machen, hat Yilmaz Dziewior das Künstlerkollektiv „raumlaborberlin“ eingeladen, dieses auf Zeit zu verwandeln. „Bye Bye Utopia“ heißt ihre vielfältig bespielbare Installation, die eine Tribüne ist, gebaut aus ausrangierten Türen ostdeutscher Plattenbauten, bestückt mit drei Monitoren, die an die Überwachungskameras des Kunsthauses angeschlossen sind. Unter der Tribüne zeigen die Berliner, was sie so machen. Der sportlich Ambitionierte kommt dahin mittels Rutsche von der Tribüne aus, weniger Mutige durch den Hintereingang des Kunsthauses.

Kunsthaus Bregenz, bis 3.Oktober.

ZUR KÜNSTLERIN

Cosima von Bonin ist 1962 in Mombasa, Kenia, geboren. Sie arbeitet mit Textilien, Filmen, Installationen. Bei der letzten „documenta“ waren ihre Werke über den gesamten Parcours verteilt. Wie schon früher hat sie auch für „The Fatigue Empire“, ihre Ausstellung in Bregenz, mit dem Musiker Moritz von Oswald zusammengearbeitet. Er gibt am 27.8. in Dornbirn ein Konzert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2010)

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