Ausstellung: Valie Export in Wien und Linz

Ausstellung Valie Export Wien
Ausstellung Valie Export Wien(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Jahrzehntelang bekannt als feministische Künstlerin, lassen das Belvedere in Wien und das Lentos Kunstmuseum in Linz jetzt eine weitaus vielseitigere Valie Export entdecken.

Lederjacke, lässig eine Pistole in Händen und den Schritt entblößt – derartig gekleidet, ging Valie Export 1968 durch ein Münchner Pornokino. Was damals schockierte, ist heute zum weltweit berühmten und begehrten Kunstwerk geworden. Ihre „Aktionshose: Genitalpanik“ ist eine Ikone des 20.Jahrhunderts. Und dies zu Recht. Fragen zur Rolle der Frau in der Gesellschaft, zu Sex und Gewalt, zu Identität und Körper – all diese Themen finden wir darin angesprochen.

Aber seither hat sich viel geändert, gesellschaftlich und auch in der Kunst: Provokation als künstlerisches Mittel funktioniert nicht mehr, der Körper als Material ist durchgesetzt, alte Tabus sind gebrochen und die Neuen noch unscharf. Wie spiegelt sich eine solche Entwicklung in der Kunst wider, vor allem im Werk ebenjener Künstlerin, die zum Inbegriff für Provokation wurde? Welche Motive, Medien und Methoden verwendete Valie Export nach ihrem revoltierenden Frühwerk? Und kann sie ihre frühe Haltung als zielgenaue Kritikerin von Missständen über ein halbes Jahrhundert durchhalten? Das sind Fragen, denen sich die zeitgleich in Wien und in Linz stattfindende Retrospektive der Künstlerin jetzt stellen muss – und die, das sei vorweggenommen, deutlich beantwortet werden.

Betonung auf die letzten 20 Jahre

Die wichtigste Entscheidung dafür ist zunächst, dass die beiden Häuser nur sehr wenige der berühmten frühen Werke ausstellen und stattdessen die Betonung auf die letzten 20Jahre legen. Damit landen unsere Blicke nicht in der Sackgasse des puren Wiedererkennens von Bekanntem, sondern bleiben offen für Unerwartetes. In ihrer Heimatstadt Linz sind vorwiegend Textarbeiten und Medienräume zu sehen, in Wien die großen Installationen und seriellen Werke.

Diese Schwerpunkte hängen mit den Ausstellungsräumen zusammen. Denn im Lentos Kunstmuseum begegnen sich alle Werke in einem offenen, großen Saal. Im Belvedere dagegen wechseln sich größere und kleinere Räume ab. In Linz erleben wir vor allem Exports spielerischen Umgang mit Medien und Materialien, in Wien ermöglichen die Räume eine Betonung der skulpturalen Aspekte. Darin liegt denn auch die zweite Entscheidung. Denn dank der Kuratorin Angelika Nollert, Museumsdirektorin aus Siegen, sehen wir nicht die feministisch vereinnahmte Valie Export. Wir entdecken eine Künstlerin, deren Werke durch die Jahrzehnte medial vielseitig und motivisch facettenreich ineinander verwoben sind. Immer wieder konfrontieren uns Zeichnungen, Fotografien und Installationen mit Händen als Ausdruck für zwanghaftes Verhalten, mit Körpern als Maßstabseinheit bei der Erkundung von Welt – und vor allem mit dem Thema der Verletzungen.

Wiederkehrendes Motiv: Die Nähnadel

Mal sind es persönliche Erlebnisse, dann gesellschaftliche Zwänge, für die Export ihre eindringlichen Bilder findet. Ein wiederkehrendes Motiv dafür ist die Nähnadel. Die drei riesigen Nadeln (1996/1997) bewegen sich im Lentos aggressiv auf und ab. Im Belvedere rattern in „Die un-endliche/-ähnliche Melodie der Stränge“ (1998) Nähmaschinennadeln in Nahaufnahme auf 45Monitoren. Beide Installationen sind höchst doppeldeutig, wenn der Rhythmus zugleich Monotonie und Aggression ausdrückt und auf das Nähen als weibliche ebenso wie auf sexuelle Penetration als männliche Aktivität anspielt. In solchen Bildern von unvereinten Gegensätzen hat Export eine Methode gefunden, die sie von den frühen bis zu den aktuellen Arbeiten überzeugend und durchgehend anwendet.

Umso irritierender wirkt dann die Installation „Kalashnikov“: Aus 109 aufrecht stehenden Gewehren ist ein fast vier Meter hoher Turm entstanden, der in einer mit Öl gefüllten Wanne steht, ergänzt mit Filmaufnahmen von Erschießungen in China und Kriegsangriffen im Irak auf den Monitoren an der Wand. Diese Skulptur kann visuell und inhaltlich kaum überzeugen, denn die Verbindung von Öl und Krieg ist allzu naheliegend und Waffen zu ästhetisieren ist nicht radikal, sondern bedenklich.

Viel überzeugender ist ihr neuestes Werk, die 4,5Meter hohe Doppelschere namens „Doppelgängerin“ im Garten des Belvedere, die den Alltagsgegenstand Schere in der Verdoppelung zum Monster werden lässt, darin aber auch die früheren Motive der Hände und der Nähnadeln aufnimmt und dem Gefühl des bedrohlichen Gespaltensein in und durch gesellschaftliche Zwänge eine überwältigende Form gibt. Mit solchen Werken schafft es Export, ihre früheren Tabubrüche in gekonnte Übersteigerungen zu übersetzen und beweist, dass sie bis heute ihre radikale Haltung beibehalten hat.

Auf einen Blick

1940 in Linz als Waltraud Lehner geboren, nennt sie sich seit 1967 Valie Export. 1977 Teilnahme an der documenta Kassel, 1980 und 2009 Biennale Venedig.

Zeit und Gegenzeit. Bis 30.1., tägl. 10 bis 18 Uhr, in Wien: Unteres Belvedere, Rennweg 6; In Linz: Lentos Kunstmuseum, Ernst-Koref-Promenade 1.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2010)

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