Kunstmarkt: Der Preis ist heiß – oder er stürzt ab

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Impressionisten, Picasso, Pollock. Ein Auktionsrekord jagt den anderen. Wer macht die Preise? Wer sind die "Reichen", die sie zahlen? "Die Presse am Sonntag" fragte Auktionshäuser u. a. Experten.

Zum Wiehern: Am 9. November brachte beim Auktionshaus „Im Kinsky“ nicht der mit Spannung erwartete Verkauf eines Schiele-Gemäldes („Prozession 1911“) die Überraschung, sondern ein Elfenbein-Pferd aus dem 17. Jh. Mit einem Schätzpreis von 15.000 bis 30.000 Euro angeschrieben, wechselte das hübsche Tier für 245.000 Euro den Besitzer. Auch anderes erstaunte. Die Beliebtheit österreichischer Malerfürsten, Lokalmatadore, Kunstakademie-Professoren beim Publikum hält sich in Grenzen. Die meisten erreichten nicht einmal die oberen Schätzpreise, ob Leherb, Josef Mikl, Wolfgang Hollegha, Markus Prachensky, ja nicht einmal Spitzen-Künstler wie Arnulf Rainer oder Maria Lassnig erzielten Rekorde. Gut, die Preise waren nicht klein und es hängt immer von der Qualität der Werke ab und vom Medium: Am teuersten sind Malerei, Skulptur, billiger sind Grafiken oder Drucke. Trotzdem.


Gefragt: Pop, Foto. Bedenkt man, dass jüngst ein Jackson Pollock für 140 Mio. Dollar verkauft wurde, wirken die Preise heimischer Künstler mager. „Wir haben die österreichischen Künstler der fünfziger bis siebziger Jahre gar nicht in unseren Auktionen. Sie spielen international keine Rolle, und da wird sich auch kein Markt mehr aufbauen“, sagt Angela Baillou, Leiterin von Christie's Österreich. International interessant seien vor allem Klimt, Schiele, Waldmüller. Milder sieht Andrea Jungmann, Chefin von Sotheby's Österreich, die Lage: „Gute Waldmüllers, Gauermanns, Olga Wisinger-Florians sind auch international gefragt. Ebenso Hundertwasser, von den Jüngeren Erwin Wurm, Franz West. Die Phantastischen Realisten, da ist der Markt derzeit schlecht.“ Ein Grund: Bei Surrealismus, Abstraktem Expressionismus, an die Österreichs Nachkriegsgeneration anknüpfte, sind Amerikaner, Franzosen früher dran gewesen, oft auch origineller.

Auf der anderen Seite gibt es Maler, bei denen Käufer Schlange stehen, einer überbietet den anderen in Offerten für neue Werke: Das trifft etwa auf Neo Rauch, Lucian O. Freud zu. Künstler, die wenig malen, haben aber nicht unbedingt höhere Preise als Fließband-Produzenten: „Damien Hirst macht sehr viel und ist trotzdem sehr gefragt“, sagt Jungmann. Geschmack ist auch eine Frage des Zeitgeists. Derzeit gehen Pop, Fotografie sehr gut. Weniger beliebt: sakrale Kunst.
Die Chinesen kommen. Christie's und Sotheby's erzielen 60 Prozent des weltweiten Auktionsumsatzes. Der Kunstmarkt erlebte zuletzt einen Boom. Dann kamen die Krise und der Einbruch, speziell bei Zeitgenossen. Nun ist man in einer Erholungsphase. Käufer sind vorsichtiger geworden. Dafür strömen neue potente Gruppen herbei: Chinesen, Russen, Inder. Die wichtigste Käufergruppe sind Amerikaner, gefolgt von Engländern, an dritter Stelle stehen bereits die Chinesen, erst dann folgen die Franzosen.

Wer macht nun die Preise? Federführend sind im Wesentlichen zwei internationale Internet-Dienste, Artnet und Artprice. Dort kann man gegen Gebühr jeden aktuellen Preis jedes Künstlers nachsehen. Der Artprice-Jahresreport „Art Market Trends 2009“ basiert auf 5,4 Mio. Auktionsergebnissen von 3600 Auktionshäusern.

Hier finden sich die wesentlichsten Kennzahlen. Man ahnt: Anders als die Beschwörungen, Kunst werde aus Freude, nicht zu Anlagezwecken, gekauft, ist Kunsthandel ein Wirtschaftszweig, der mit Börsenvokabular operiert: Blue Chips, Indizes, Bullen und Bären. Es gibt Verkäufer und Käufer, die abwarten, andere, die schnell handeln. Momentan verkaufen viele Besitzer ihre Kunstwerke nicht, weil sie sich vor Inflation fürchten. Andererseits: Bei ein, zwei Prozent Sparbuch-Zinsen sind vier Prozent jährliche Wertsteigerung für gute Alt-Meister ganz nett.


Umsatzeinbruch fast um ein Drittel. Mit Banken und Versicherungen ist die Kunst nicht zu vergleichen. Die Schwankungen sind enorm. 2007 betrug der Jahresumsatz in bildender Kunst noch 9,3 Mrd. Dollar, 2008 waren es 3,7 Mrd. Dollar weniger. Christie's etwa reduzierte den Personalstand um 20 Prozent. Wie Börsen-Krisen ereignen sich Kunstmarkt-Krisen allerdings immer wieder, die letzte war 1990–92.

Betrachtet man die bescheidene Aufmachung mancher Käufer bei Auktionen, würde man nicht auf die Idee kommen, dass sie fünf- oder sechsstellige Euro-Beträge auf den Tisch legen können. „Man sollte nicht unterschätzen, wie viele Leute sehr viel Geld haben“, meint Jungmann. Kunstkauf hat sich in den letzten Jahren enorm popularisiert. Werbung, Berichte von Rekorden, Bücher, Filme über Kunsthandel, die Schwellenangst ist gesunken. Auktionen, Kunstmessen, Kunst-Events sind ein beliebter Zeitvertreib. Auch Menschen mit schmalen Budgets können mitmachen. Aber bringt das auch was? Wenn man wie jüngst im Künstlerhaus Werke um 80 Euro kaufen kann? „Sicher, wenn man ein gutes Auge hat“, sagt Jungmann. „Unsinn, das sind keine guten Sachen“, widerspricht ein Galerist. Es gibt vieles: Leute, die mit geringen Summen bedeutende Sammlungen aufbauen (z.B. Rudolf Leopold), US-Industrielle, die als Mäzene auftreten und Kunst nicht immer uneigennützig zur Mehrung des eigenen Renommees benutzen – und Firmen, die sich eine Sammlung zulegen.

Jungmann sammelt selbst österreichische Kunst. Baillou interessiert sich für Fotografie, sammelt nicht, würde aber, wenn sie es täte, Cartier-Schmuck der 1920er Jahre wählen.


Hitziger Kampf um den Kanon. Wie kommt der Künstler in den Kanon, wie schafft er es, berühmt zu werden und berühmt zu bleiben? Mit intensiver Marktpflege. Das Wichtigste ist ein guter Galerist. Eine spannende Biografie, eine Persönlichkeit zum Angreifen, Aura sind von Vorteil. Wer im Verborgenen bleiben möchte, muss tüchtige Helfer haben. Museumsausstellungen sind wichtig, Ankäufe von Museen, Publikationen, Medienarbeit. Der wahre Wert eines Künstlers erweist sich meist erst nach seinem Tod. Einer der größten Blue Chips ist Picasso, schon zu seinen Lebzeiten nicht nur ein großer Künstler, sondern auch ein Geschäftsmann mit besten Verbindungen zum Handel: Unter den fünf teuersten Gemälden der Welt sind drei Werke von ihm. Die Wertsteigerungen sind imposant. 2005 erzielte „Femme aux Bras Croisés“ mit 50 Mio. Dollar einen Rekord, 2004 stieg „Garçon à la pipe“ auf 93 Mio. Dollar. In der Folge stieg er auf über 100 Mio. Dollar. Ob da noch viel drin ist? Manchmal bleiben Picasso-Werke sogar liegen. Im Artprice-Index liegt er dennoch auf Platz I. Die Top-500-Auktions-Ergebnisse 2009: Auf Picasso folgen Warhol, Qi Baishi (China) Matisse, Mondrian, Giacometti; Schiele (Platz 100), Klimt (Platz 209), Kokoschka (242). Die Superlative-Listen sind sehr gefragt: Eine davon ist der Capital-Kunstkompass: Hier erscheinen jährlich die 100 bedeutendsten zeitgenössischen Künstler: Die letzten Jahre rangierte sechs Mal Gerhard Richter auf Platz eins. Die weiteren Ränge 2010: Bruce Nauman (2), Sigmar Polke (3), Georg Baselitz (4), Louise Bourgeois (5).


Der dritte Player im Spiel: Galerien.Handel und Auktionshäuser wirken, wiewohl sie konkurrieren, zusammen. Der dritte wichtige „Player“ sind die Galerien. In Wien sind sie vorzugsweise in der Eschenbachgasse bzw. im Freihausviertel konzentriert. Vor ca. 10Jahren hat sich Galeristin Christine König in der Schleifmühlgasse angesiedelt, 20 Jahre ist sie in der Branche. Derzeit zeigt sie den deutschen Fotografen Juergen Teller: Seine spektakulären Aufnahmen der nackten Modeschöpferin Vivienne Westwood (Seite 1) gibt es in fünffacher Auflage, drei Teile um 15.000 Euro: „Potente österreichische Sammler haben oft kein Selbstbewusstsein. Sie kaufen bekannte Namen bei bekannten Galerien, meist im Ausland. Die Deutschen sind da anders. Sie kaufen ihre Maler, mit ein Grund für deren hohe Preise“, sagt König.

Galerist Peter Krobath hat u.a. die Hamburger Performerin und Medienkünstlerin Katrina Daschner im Programm, die eben den Otto-Mauer-Preis der Erzdiözese Wien gewann. Ein großformatiges Foto in Dreier-Auflage (drei Stück) kostet 11.000 Euro, eine Foto-Collage (Unikat) 2800 Euro. „In Auktionen geht es brutal nur um Angebot und Nachfrage. Ich möchte gar nicht, dass Künstler, die wir vertreten, in Auktionen erscheinen“, sagt Krobath: „Ich will, dass die Leute, die sich für unsere Künstler interessieren, ihre Werke daheim aufstellen und sie nicht deshalb kaufen, weil sie sie bald aus Gründen der Wertsteigerung ins Auktionshaus tragen. Wir bauen Leute auf, an die wir glauben. Zu den gemeinsamen Vernissagen der Eschenbachgasse-Galeristen kommen ca. 1000 Leute. Kunstkäufer sind unglaublich nette Menschen. Manche sparen sich 3000 Euro vom Mund ab, um ein Werk, manchmal auf Raten, erwerben zu können. Auch ich überlege mir monatelang den Kauf eines neuen Kühlschranks, bei einem Kunstwerk zögere ich keine Sekunde.“

Bei Versteigerungen erfährt man echte Preise,der Handel hat oft seltene Kostbarkeiten. Käufer und Verkäufer gehen am besten zum Spezialisten, also z.B. für Altmeister, Jugendstil. Bei zeitgenössischer Kunst gibt es keine Sicherheit. Orientierung bieten auch hier Auktionen und renommierte Galerien.

Termine: Derzeit ist Hauptsaison für Versteigerungen. Z. B. Jugendstil, angewandte Kunst, 20. Jh. 25. 11., Dorotheum. Oder: Klassische Moderne/ Zeitgenössische Kunst „Im Kinsky“ 30. 11., Jugendstil 1. 12. Vor Auktionen gibt es Info von Experten: Am 24. 11. spricht Peter Baum über Kunst in Wien nach 1945 (Kinsky). Bücher,z.B. „Kunst sammeln – aber wie? Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Druckgrafik. Ein Leitfaden“ von Thomas F. Werner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2010)

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