Vermeer: Kommt Prozess in USA?

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Zivilrechtsprofessor kritisiert Entscheidung der Rückgabe-Kommission gegen eine Rückgabe von Vermeers "Malkunst". Erbenanwalt Andreas Theiss: Das Bild "wird nicht auf ewig im Kunsthistorischen Museum hängen".

"Meiner Einschätzung nach wird es in letzter Konsequenz zu einem Prozess in Amerika kommen, wenn die Erben in Österreich nicht zu ihrem Recht gelangen. ,Die Malkunst‘ wird nicht auf ewig im Kunsthistorischen Museum hängen“, sagt Anwalt Andreas Theiss. Er vertritt die Erben nach Jaromir Czernin, dem das wertvolle Vermeer-Gemälde gehörte.

Vergangenen Freitag beschloss der österreichische Rückgabe-Beirat unter dem Vorsitz von Clemens Jabloner, Präsident des Verwaltungsgerichtshofes, die Rückgabe nicht zu empfehlen. Jabloner wollte auf Anfrage der „Presse“ keine weitere Stellungnahme zu dem Fall abgeben. Entscheidungen der Rückgabe-Kommission können nicht angefochten werden. Die Rückstellungswerber haben keine Parteienstellung, die Ministerin, in diesem Fall Claudia Schmied, folgt in der Regel der Empfehlung der Rückgabe-Kommission, die ihrerseits auf Basis der Kommission für Provenienzforschung urteilt. Noch ein weiterer Anwalt kämpft um die Rückstellung des Vermeer: E. Randol Schoenberg, der Anwalt Maria Altmanns (1916–2011). Schoenberg gewann in den USA den Prozess um fünf Klimt-Gemälde aus dem Österreichischen Belvedere – die nach dem Entscheid eines Schiedsgerichtes in Österreich Altmann zurückgegeben wurden. Ein solches Schiedsgericht fordert Schoenberg nun auch für den Vermeer. Eine Entscheidung, ob in den USA ein Prozess um „Die Malkunst“ stattfinden werde, sei noch nicht gefallen, so Schoenberg, der Recherchen zu dem Fall machte.

Mögliche Erbin in den USA: Helga Conrad

Er vertritt in der Causa Helga Conrad. Ihre Mutter war von 1951–1955 mit Jaromir Czernin verheiratet, die Tochter brachte sie in die Ehe mit. Jaromir und sie sollen den Anspruch auf das Bild an Frau Conrad übertragen haben, darüber soll es Unterlagen geben. Für Theiss ist Helga Conrad keine Erbin. Sie hätte also, falls doch noch für die Rückgabe entschieden werden sollte, einen Rechtsstreit mit den von Theiss vertretenen Erben zu führen, meint Theiss. Schoenberg sieht das anders: Für ihn ist Helga Conrad die berechtigte Erbin. Wie stehen nun überhaupt die Chancen für einen Prozess in den USA? Wie lautet der Vorwurf? Raubkunst.

Der Linzer Universitätsprofessor für Zivilrecht Meinhard Lukas hat über die Vermeer-Causa ein Gutachten erstellt – für Theiss. Auf die Frage, ob ein Gutachter nicht gewissermaßen automatisch die Ansicht seines Auftraggebers vertrete, sagt Lukas: „Die Ansicht, die ich im Gutachten vertreten habe, vertrete ich auch als Wissenschaftler.“ Sein Rechtsgutachten sei „zu einem anderen Ergebnis gelangt als der Beirat. Der wesentliche Unterschied besteht beim Sachverhalt. Mein Gutachten beruht auf dem Dossier von Michael Wladika, der Beschluss des Beirats auf dem Dossier der Kommission für Provenienzforschung, deren Vorsitzende Eva Blimlinger ist. Das Dossier trifft zwei wesentliche Feststellungen: Die Gattin Jaromir Czernins sei politisch nicht verfolgt worden; überdies sei Jaromir Czernin an Hitler herangetreten, um das Bild zu verkaufen. Beide Annahmen sind überaus strittig.“

Lukas weiter: „Es ist daher bedenklich, dass den Erben eine Einsicht in das Dossier verweigert wird. Früher war das möglich, nun nicht mehr. Das ist nicht verständlich, weil sich auf diese Weise die Rückstellungswerber kein seriöses Bild von der Richtigkeit der Entscheidung des Beirats machen können. Dazu kommt, dass die Betroffenen notwendigerweise mit einer quasi ,staatlichen‘ Einschätzung ihres Vaters, Jaromir Czernin, konfrontiert werden, ohne die Grundlagen zu kennen. Aus Sicht der Erben ist im Übrigen völlig offen, ob und inwieweit die von ihnen vorgelegten Urkunden berücksichtigt wurden. Damit entsteht eine für Österreich überaus ungünstige Optik“, die sich im Fall, dass der Prozess in die USA wandert, auswirken würde. Lukas: „Sollte es zu einer Klage in den USA kommen, ist von Bedeutung, ob der Umgang mit den Rückstellungswerbern als fair eingeschätzt wird. Dabei werden auch die in der Adele-Causa schon geschaffenen Präjudizien eine Rolle spielen.“

Jaromir Czernin suchte einen Käufer

Die Entscheidung selbst hat der Beirat übrigens veröffentlicht: Im ersten Absatz heißt es, dass „Vermeers ,Malkunst‘ nicht an die Rechtsnachfolger von Todes wegen nach Jaromir Czernin bzw. allenfalls in Betracht kommender Dritter zu übereignen ist“. Der Beirat wälzte tonnenweise Dokumente und Gutachten, da es schon mehrere Versuche gegeben hat, das Gemälde zurückzubekommen. Besonders pikant ist die aus Wiener Erbenkreisen verlautete Geschichte, dass Jaromir Czernin unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte, das Gemälde aus einem Zentraldepot abzuholen. Er durfte aber nicht an einem Tag zwei Zonen im von den Alliierten besetzten Österreich überschreiten. Als er endlich ankam, hatte das KHM das Gemälde bereits abholen lassen.

Dass Jaromir Czernin das Gemälde an Hitler verkaufte, erklärte Anwalt Theiss 2009 der „Presse“ so: „Er hatte sonst nichts. Er musste seine Geschwister auszahlen.“

„Die Malkunst“ vom Delfter Meister Jan Vermeer (1632–1675) entstand zwischen 1664 und 1673. Nur 37 Bilder von ihm sind anerkannt. Das Gesamtwerk ist also klein und daher umso wertvoller. Die Familie Czernin ist eine der ältesten österreichischen Adeligen-Familien. Jaromir Czernin (1908–1966) wollte das Bild an US-Finanzminister Andrew M. Mellon verkaufen. Er verhandelte auch mit dem Unternehmer Philipp Reemtsma. Hitler erwarb das Gemälde für 1,65 Mio. Reichsmark. Der österreichische Staat erklärte nach dem Krieg Hitlers Anspruch auf den Vermeer für verfallen, daraufhin kam das Bild ins KHM.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2011)

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