Cartier-Bresson: Der Fotograf, der sich anschlich

CartierBresson Fotograf sich anschlich
CartierBresson Fotograf sich anschlich(c) Henri Cartier-Bresson / Magnum (Henri Cartier-Bresson)
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Der Franzose Henri Cartier-Bresson gilt als einer der größten Fotografen des 20. Jahrhunderts. Im Kunst Haus Wien sind Bilder aus USA und den UdSSR sowie aus Indien, seinem "Land der Hoffnung", zu sehen.

"Der Kompass im Auge" nennt sich die Ausstellung über Henri Cartier-Bresson im Kunst Haus Wien. Das ist kein besonders geglückter Titel, dabei denkt man an spitze Gegenstände, an Blut und daran, dass Sigmund Freud Augenangst mit Kastrationsangst gleichgesetzt hat. Dabei trifft der Titel das Wesen der Fotografie des Franzosen ziemlich genau. Cartier-Bresson war "der Fotograf des letzten Jahrhunderts, wie es Kunst-Haus-Wien-Direktor Franz Patay formuliert, und hatte ein untrügliches Gefühl für den richtigen Ausschnitt und den "entscheidenden Augenblick". Das wird in der Ausstellung, die vom 17. November bis zum 26. Februar zu sehen ist, überdeutlich.

"Ein gutes Foto ist ein Foto, auf das man mehr als eine Sekunde schaut", sagte Cartier-Bresson einmal. 214 Fotos dieser Art sind im Hundertwasser-Gebäude versammelt. Sie stammen aus den USA und aus der ehemaligen UdSSR - den Gegenpolen im Kalten Krieg - und aus Indien, wo Mahatma Gandhi den gewaltfreien Widerstand gleichsam erfand. "Indien war für Henri die Hoffnung", sagt Marco Bischof, Sohn des berühmten Fotografen und Weggefährten Werner Bischof und Präsident der Magnum Foundation Frankreich.

Die Foto-Agentur Magnum, die Cartier-Bresson mit Robert Capa, David „Chim" Seymour und George Rodger 1947 gegründet hatte, ist gemeinsam mit der Stiftung Fondation Henri Cartier-Bresson ein strenger Wächter über das umfangreiche Werk des Fotografen. Nur zwei Fotos zur Ausstellung dürfen pro Medium gezeigt werden, doch wie soll man auswählen? Es gibt so viele eindrucksvolle Bilder.

SOWJETUNION. Leningrad. 9. Mai 1973. Gedenken an den Sieg über die Nazis.
SOWJETUNION. Leningrad. 9. Mai 1973. Gedenken an den Sieg über die Nazis.(c) Henri Cartier-Bresson / Magnum (Henri Cartier-Bresson)

UdSSR jenseits der Propaganda

Da sind jene Porträts aus den USA, von berühmten Menschen (Truman Capote, Marilyn Monroe ...) und von Menschen auf der Straße. Komisch wird es dort, wo die abgebildeten Menschen und Werbebotschaften manch skurrile Beziehung eingehen. Auf einem Foto stehen etwa eine alte Frau und ein kleines Mädchen vor einer Reklame, die für für Telegramme mit vorgefertigtem Text zum Vatertag wirbt - weil auch Männer "empfindsam" sind, wie der Werbetext erklärt.

Da ist der propagandafreie Blick ins kommunistische Russland, der Cartier-Bresson als erstem westlichen Fotografen kurz nach Stalins Tod gewährt wurde. Arbeiter aus der Kolchose bestaunen die Moskauer U-Bahn, als wäre sie die Sixtinische Kapelle. Bei einer Parade lugt zwischen stramm stehenden Soldaten der Roten Armee ein kleines Mädchen hervor, in der Hand hält sie eine verwelkende Blume.

Gandhi kurz vor seiner Ermordung

Und da sind jene berühmten Fotos von Gandhi aus dem Jänner 1948, von den letzten Tagen der Friedens-Ikone und von den Menschenmassen bei der Einäscherung. Zwei Tage vor dessen Ermordung hat Cartier-Bresson Gandhi besucht, ihm seinen Katalog aus der MoMa-Retrospektive in die Hand gedrückt. Besonders ein Foto eines Totenwagens sei Gandhi aufgefallen, wird erzählt. Der Mythos, auch er gehört zu den Bildern. Und natürlich war Cartier-Bresson zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Der "entscheidende Moment" (Cartier-Bresson sprach vom "moment décisif"), der den Franzosen von so vielen anderen Bildjägern unterschied, findet sich in praktisch jedem der ausgestellten Fotos. Da ist etwas, das einen noch einmal hinschauen lässt - ein Detail, ein Schatten, eine Aufschrift, eine auffällige Verbindung von Vorder- und Hintergrund. Gelernt hat Cartier-Bresson diesen "Blick" in seiner Jugend in Paris. Der einzige Sohn eines wohlhabenden Textilfabrikanten weigerte sich, ins Familiengeschäft einzusteigen. Lieber studierte er Malerei, schaute sich vom Kubismus ab, wie man Formen und Strukturen einsetzt, ließ sich vom Surrealismus beeinflussen und lernte schließlich das Handwerkszeug eines Fotografen.

"Auf Samtpfoten muss man gehen"

Mit Technik hielt sich Cartier-Bresson nicht auf, das lässt sich aus dem Porträt, das der Schau vorangestellt ist, ablesen. In fast tänzerischem Schritt steht er da, eine kleine Leica in der Hand. "Auf Samtpfoten muss man gehen und ein scharfes Auge haben", schilderte Cartier-Bresson. Keine große Fototasche für Objektive, Linsen und Filme schränkt seine Mobilität ein. Allein ein winziges Täschchen hat er umhängen. Er schlich sich an seine Motive an und blieb so trotz zunehmendem Ruhm Zeit seines Lebens ein Unauffälliger.

Und er wollte seine Bilder so gezeigt haben, wie er sie im Kopf komponierte. Die meisten seiner Fotos sind von einem schmalen schwarzen Rand umgeben - ein Beleg dafür, dass das gesamte Negativ vergrößert wurde. Cartier-Bresson hatte eben nicht nur einem Kompass im Auge, sondern auch einen Rahmen. Auch wenn das jetzt wieder schmerzhaft klingt.

Zur Ausstellung

"Henri Cartier-Bresson. Der Kompass im Auge. Amerika. Indien. Sowjetunion"

17. November 2011 bis 26. Februar 2012

Kunst Haus Wien
Untere Weißgerberstraße 13
1030 Wien

www.kunsthauswien.com

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