Ein Drachenskelett und bunteste Fische der Adria

(c) Österreichische Nationalbibliothek
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Die Österreichische Nationalbibliothek zeigt 400 Jahre alte Tierbilder von großer Farbenpracht und Detailtreue. Sie wurden jahrelang restauriert und werden nun glänzend präsentiert.

Der Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) gleicht derzeit einem kleinen Zoo: Ein putziger Kugelfisch beobachtet, ein grimmiges Nilkrokodil neben einem menschlichen Skelett bedroht den Betrachter. Rote, blaue, gelbe Papageien, ein eleganter Kakadu und Fische von Farbenpracht, als wären sie frisch aus dem Meer geliefert, füllen die alten Vitrinen. Man sieht diesen Bildern nicht an, dass die meisten von ihnen mehr als 400 Jahre alt sind. Sie wurden jahrelang restauriert und werden nun glänzend präsentiert. Eine ganz besondere Menagerie hat Kuratorin Christina Weiler bei ihrer ersten Schau in der Österreichischen Nationalbibliothek zusammengestellt, die auch ein Bildband (Kremayr & Scheriau, 29,90 Euro, 256 Seiten) ausführlich erläutert.

Fröschel, Hoffmann, Arcimboldo

Was wäre so manches Wiener Museum ohne die Sammlerleidenschaft des barocken Kaisers RudolfII. (1552 bis 1612) mit seinen Wunderkammern? Auch die Nationalbibliothek profitiert von der kulturell-wissenschaftlichen Energie dieses Habsburgers, wie die eben eröffnete Ausstellung zeigt. „Von Fischen, Vögeln und Reptilien“ stützt sich vor allem auf zwei Werke – das zweibändige „Museum“ mit 181 Tierbildern in Öl, das Rudolf in Prag erstellen ließ, sowie das Tieralbum des Tiroler Erzherzogs FerdinandII. (1529 bis 1595), mit dem Giorgio Liberale in Innsbruck beauftragt wurde. Es umfasst 100 Aquarelle mit meist lebensgroßen Darstellungen der Fauna der Adria.

An Rudolfs „Bestiaire“, das von 1570 bis 1611 entstand, arbeiteten wahrscheinlich mehrere Künstler mit, der Einfluss von Hofkünstler Daniel Fröschel, aber auch von Hans Hoffmann und Giuseppe Arcimboldo lässt sich erschließen. Die Malereien und Zeichnungen wirken unheimlich lebendig, selbst wenn die Mimik von Leoparden, Löwen oder einem Flusspferd künstliche Züge hat, selbst wenn der Vollständigkeit halber in dieses Natursystem der frühen Neuzeit auch Fabelwesen eingebaut wurden – Einhörner zu Land und zu Wasser, oder ein Drachenskelett, das Katzenknochen kühn mit Vogelflügeln kombiniert. Beeindruckend modern scheint die Methode, Tieren durch verschiedene Ansichten Räumlichkeit zu verleihen. Auf der Vorderseite eines Blattes von Liberale ist die Draufsicht auf einen Taschenkrebs zu sehen, auf der Rückseite der Bauch des Tieres.

Konserviert in Wunderkabinetten

Ergänzt wird diese liebevolle Schau, die laut Generaldirektorin Johanna Rachinger auch Kinder ansprechen soll, durch Tierpräparate und naturgeschichtliche Bücher. Diese Objekte weisen dezent darauf hin, dass die damaligen Herrscher der Renaissance und des Barock mit ihrem kleinen Welttheater auch wissenschaftliche Absichten hatten. Ihre Vorformen von Museen waren zugleich Forschungsstätten, erste Exzellenz-Institute. Der Hof in Prag war um 1600 ein geistig-kulturelles Zentrum von Weltrang, das Künstler wie Schwarzkünstler, Humanisten wie Gelehrte aller Art anzog. Das Bestiarium ist eines der schönsten Ergebnisse dieser neugierigen Wissensgesellschaft.

Bis 29.Jänner 2012 im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek, Josefsplatz1: „Von Fischen, Vögeln und Reptilien – Meisterwerke aus den kaiserlichen Sammlungen“, Dienstag bis Sonntag 10 bis 18Uhr, Donnerstag 10 bis 21Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2011)

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