Halali! Die Kunst und die Jagd

(c) Lidy
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Was haben zeitgenössische Künstler eigentlich mit der Jagd auf dem Hut? Eine Wiener Galerie zeigt eine mehr oder weniger triviale Metaphernflut.

Unter einem penetrant guten Ruf hat die Jagd in der Öffentlichkeit noch nie zu leiden gehabt. Abseits von der prinzipiellen Bereitschaft zu töten, war sie seit jeher schon mit Privilegienwirtschaft verbunden. Ihr derzeitiges Imagetief in Österreich kann allerdings wohl historisch genannt werden. Wer Jagd sagt, meint auch Korruption, Politik, Waffenlobby und vielleicht sogar das böse B-Wort, Banker.

Wenn ein Wiener Galerist in dieser Atmosphäre dann zum „Halali!“ bläst und junge Künstler einlädt, sich zum Thema Jagd zu äußern, kann man sich also auf etwas gefasst machen und sich vielleicht ja auch auf historische, reflektierte, ungewöhnliche Annäherungen an das so abwegige Thema freuen. Sollte man meinen.

Erstaunt streift man dann durch die Trophäensammlung von Georg Peithner-Liechtenfels, der in seine Innenstadtgalerie Jüngere und Renommiertere eingeladen hat. Bei einem ersten Brainstorming wäre einem international gerade noch Mark Dion eingefallen, der mit großen Objekten und Installationen dem kulturellen Phänomen Jagd nachspürt, etwa mit verschieden ausgestatteten Hochständen, die verschiedene Jägerpersönlichkeiten charakterisieren, von intellektuell bis brachial.

Peithner-Liechtenfels fielen als Erste Daniel Spoerri und Deborah Sengl ein. Diese steuerte unheimliche Tierporträts bei, Bilder, in denen sich der Fuchs gerade die Maske des Huhns überzieht und umgekehrt ein Opfer die des Jägers. Einem Katzenpräparat hat Sengl das Fell einer Plüschmaus auf den Rücken genäht. Spoerri, „Jäger und Sammler“ und Erfinder der „Fallenbilder“, war ebenfalls Fixstarter mit seinen Assemblagen aus Tierschädeln, Geräten und Fetischen. Gerade erst hat er das Naturhistorische Museum noch voller gefüllt mit hunderten dieser Objekte und dort u. a. ein Jagdzimmer mit Geweihstuhl, Lampe und anormalen Trophäen eingerichtet.

Dass die Jagd aber sowohl Alois Mosbacher wie auch Hubert Schmalix beschäftigt, überrascht. Mosbacher ist sogar ein doppelter Exot, er gibt den einzigen Großwildjäger hier mit einem Puzzle-Bild mit Leopard und Affen. Sonst dominiert die Rotwildjagd, in deren Bildsprache Schmalix in einem atelierfrischen Stillleben einführt: Geweih, Gewehr, Patronengürtel. Ein derart fröhlich-plakatives Sujet könnte man sich in einer den Zeitgeist nicht verneinenden Zirbenstube durchaus vorstellen.

Das kapitale Hirschgeweih des Schweizer Künstlers Marck ist wahrscheinlich in einer solchen gelandet: Bei einem Preview, zu der Peithner-Lichtenfels einen ganzen Jagdstammtisch einlud, sicherte sich ein waschechter Jäger bereits das Multimedia-Objekt. Die Geweihspitzen durchbohren phallisch putzig-kleine Videobildschirme, auf denen nackte Frauen zappeln. Ein recht simples Sinnbild für eine Schweizer Redewendung, die einen Mann einen Hirsch nennt, wenn er viele Frauen hat.

Selbstporträt als Artemis

Apropos Frau: Sabina Mlejnek hat als einzige der Künstler den Jagdschein gemacht. Die Ausbildung erlebte sie als spannend, „schießen ist wie eine Zen-Übung“, sagt sie. „Außerdem war ich überrascht, wie viel man über Wald, Tiere, Ökologie lernt. Es ist eine völlig andere Welt, über die ich sicher Vorurteile hatte – dass es nur ums Abknallen von Tieren und ein riesiges Besäufnis geht.“ Geschossen hat Mlejnek allerdings noch nie ein Tier, „das kann ich nicht“. In der Ausstellung ist die Malerin mit einer der größten Schützenscheiben Österreichs vertreten, auf die sie – ein Paintball-Zitat – kleinere, runde Bilder wie Geschosskugeln montiert hat, darunter ein Selbstporträt als Jagdgöttin Artemis.

In einem der besten Momente der Ausstellung blasen die Tiere zum Gegenangriff: Thomas Riess lässt aus dem Dunkel der geschwärzten Leinwand eine Herde Rotwild auftauchen, deren Köpfe zu Gewehrläufen mutiert sind. „Meine Grundüberlegung war, was wäre, wenn der Jäger zum Gejagten wird, das Kollektiv zum Mächtigen, der Einzelne zum Opfer“, erklärt der Tiroler, Jahrgang 1970. Die Jagd selbst ist ihm ein Gräuel, sagt er. Da hätte es die politischen Verwicklungen in Tirol gar nicht gebraucht.
Die Arbeiten sind die ersten, die Riess zum Thema Jagd gemacht hat. Ganz im Gegensatz zu Fabio Zolly, der sein Atelier gleich nebenan hat, in von der Soravia-Group bereitgestellten Studios „The Artist's Kitchen“. Fabio Zolly beschäftigt sich seit 2009 mit der Jagd, angeregt durch eine Begegnung mit Erwin Soravia, Jäger und kunstaffinem Miteigentümer des Dorotheums. Dort hätte auch schon längst eine Ausstellung von Zollys Arbeiten zur Jagd stattfinden sollen, allerdings wurde immer wieder verschoben, spätestens im Herbst soll aber in der Galerie Viktor Bucher etwas davon zu sehen sein.

Bei Peithner-Liechtenfels ist Zolly nicht vertreten. Wobei der 1955 geborene Kärntner einer der ganz wenigen österreichischen Künstler auf internationalem Niveau ist, der sich intensiver mit dem Thema beschäftigt hat. „Meine kleine blaue Heimat“ heißt die Serie, in der er ironische Videos und Fotografien hinter dem für ihn typischen, mit seinem Namen versehenen Absperrband präsentiert.

Ein positives Bild der Jagd wird man seit dem 20. Jahrhundert nur selten finden, betont auch Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, der die Ausstellung bei Peithner-Liechtenfels eröffnete. „Jagdbilder sind nur noch als gesellschaftliche Ausstattungsstücke der Hocharistokratie gefragt. In der Gegenwartskunst kennen wir die Jagd nur als Metapher, für die Jagd nach Glück, nach Kunst, für die Korruption.“

Zwei Dinge haben ihn an der Ausstellung überrascht: „Es gibt den Jäger nicht, nur das Tier. Außerdem die recht triviale Weise der Auseinandersetzung. Aber auch das muss man akzeptieren – wenn die Jagd wirklich so simpel funktioniert, kann sie auch nur in der Oberflächlichkeit getroffen werden.“

Galerie Peithner-Liechtenfels, Sonnenfelsgasse 6, Di–Fr 10–18, Sa 10–16

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2012)

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