„Liebesmärchen“: Schwarzer verteidigt Sadomaso-Bestseller

Alice Schwarzer
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Alice Schwarzer lobt den Sadomaso-Roman „Shades of Grey“: Er sei „eher emanzipiert“ und „das Gegenteil von Pornografie“.

Im Interview mit der deutschen Nachrichtenagentur DAPD hat Vorzeigefeministin Alice Schwarzer den Erotikroman „Shades of Grey“ verteidigt: Das Buch der Britin E.L. James über eine sadomasochistische Beziehung wurde im angloamerikanischen Raum bislang 15 Millionen Mal verkauft, die am Montag erschienene Übersetzung ins Deutsche hat nach Angaben des Verlags Goldmann bereits die siebente Auflage mit einer Million Exemplaren erreicht. Vorwürfe im Zug des großen Medienechos weist Schwarzer zurück: „Dieser Unterhaltungsroman ist das Gegenteil von Pornografie, in der Sex entpersonalisiert ist“, meint sie: „Die Frau wird nie zum passiven Objekt degradiert, sondern bleibt denkendes und handelndes Subjekt.“ Die Heldin des Romans lasse sich zwar auf die Welt ihres dominanten Geliebten ein, ziehe dann aber die Reißleine.

Überhaupt sei das Buch „kein Sadomaso-Roman, sondern ein Liebesmärchen nach vertrautem Muster: Charaktervolle junge Frau begegnet Traumprinzen. Der kommt nicht auf dem Schimmel geritten, sondern im Hubschrauber geflogen und hat nicht nur strahlende, sondern auch dunkle Seiten. Aber auch das ist ja ein Klassiker.“

Dass der Roman ein Rückschlag für die Emanzipation sei, bezweifelt Schwarzer: „Eine Frau schreibt über männlichen Sadismus – denn der ist das eigentliche Thema! – und über ihre weiblichen Fantasien. Das ist eher emanzipiert.“ Letztlich unterwerfe sich die Heldin dem Mann eben nicht: „Genau das macht wohl die Faszination für die Millionen Leserinnen aus: Das Spiel mit dem Feuer, das sie selbst löschen können“, erklärte Schwarzer den Erfolg des Romans, an dem Leserinnen lernen könnten, „angstfrei und spielerisch mit Fantasien umzugehen.“ Gelebter Sadomasochismus sei ja ein Medienhype und „Reaktion gewisser Männer auf die erstarkende Emanzipation. In einer Welt, in der immer mehr Frauen in die Chefsessel drängen, imaginiert so mancher verunsicherte Mann und Hausherr sich Frauen eben lieber auf allen vieren als im aufrechten Gang.“ Über die im Lauf der Mediendebatte stark in Zweifel gezogene literarische Qualität des Erfolgsbuchs äußerte sich Schwarzer allerdings nicht. apa/hub

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2012)

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