"Nicht jugendfrei": Rowlings Erwachsenenroman

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JK Rowling hat mit ihren Harry-Potter-Romanen Millionen Kinder fürs Lesen begeistert. Doch nun wirft man ihr in ihrer Heimat England vor, ihr neues Buch sei für junge Menschen zu obszön.

Sie ist die Königin der Jugendbuchliteratur. Doch seit Erscheinen von „Ein plötzlicher Todesfall“ gilt ausgerechnet JK Rowling in ihrer Heimat nicht mehr als „jugendfrei“. Die einzige Lesung, die laut ausgeklügelter PR-Maschinerie (nur vier Interviews vorab, striktes Embargo, Verschwiegenheitserklärungen für die wenigen Kritiker, die das Buch schon vor Erscheinen lesen durften) für 900 JKR-Fans am Donnerstagabend im Londoner Southbank Centre angesetzt worden war, begann prompt mit einer Warnung: In „The Casual Vacancy“ kämen viele Kraftausdrücke vor – und um Sex ginge es auch! Eltern sollten doch überlegen, ob sie ihre Kinder nicht vorher aus dem Saal führen wollten. Für die 2000 Anhänger der Autorin, die den Auftritt im Internet verfolgten, kam es noch ärger: Ihnen wurde vor der anstößigen Passage der Livestream abgedreht.

Der seltsame Versuch, Rowlings Stammpublikum vor einer Hörprobe ihres Idols zu bewahren, passt zu den Reaktionen auf die gut 500 Seiten lange Geschichte um ein fiktives Dorf in Südwestengland. („Die Presse“ brachte schon am Freitag eine Rezension.)

„Es scheint, als ob die Autorin all die Flüche, den Sex und die Boshaftigkeit rausgelassen habe, den sie seit Erscheinen von ,Harry Potter und der Stein der Weisen‘ 1997 unterdrücken musste“, sagte etwa die Waliser Autorin Allison Pearson. Auch Themen wie Vergewaltigung, Selbstmord und Kinderpornografie seien wohl kaum angemessen für Rowlings bisheriges Publikum. Doch genau für dieses trage die Autorin Verantwortung – schließlich sei sie dank dessen Taschengeld eine der reichsten Frauen der Welt.

Rowling hat ähnliche Vorwürfe schon im „New Yorker“ zurückgewiesen: „Ich habe mich nie zum Babysitter oder Lehrer Ihrer Kinder aufgespielt. Ich bin Schriftstellerin, und ich schreibe, was ich will.“ Ungleich schmerzhafter dürfte für sie die Kritik sein, ihr Roman sei zu lang, zu zäh und voller Klischees und sie beschreibe die Unterschicht aus ihrer Perspektive der gehobenen Mittelklasse stereotyp und herablassend. Rowling, die vor Erscheinen des ersten Harry Potter als alleinerziehende Mutter von der Sozialhilfe lebte, betont gern, dass sie das Leben am Rande der Gesellschaft aus eigener Erfahrung kennt.

Den Erfolg des Buches dürften die Kritikerstimmen kaum beeinflussen: Über 2,5 Millionen Stück waren schon vor Erscheinen verkauft. Ihr nächstes Werk sei schon fast fertig, sagt Rowling: ein Roman für Kinder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2012)

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