„Überlebensgroß“: Aussichtslose Schwärmerei

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Der BriteMark Watson legt mit „Überlebensgroß“ einen ambitionierten Roman zum Thema Inzest vor. Doch das Tabu wurde schon inspirierter und feinfühliger gebrochen.

Wer heutzutage in der Literatur noch schockieren will, hat es wahrlich nicht leicht. Der britische Tausendsassa Mark Watson, neben Romanautor auch Kolumnist, Fernseh- und Radiomoderator und Stand-up-Comedian, versucht sich in seinem neuen Roman „Überlebensgroß“ nun am Tabuthema Inzest.

Der Hochzeitsfotograf Dominic Kitchen, aus dessen Sicht erzählt wird, kämpft gegen seine obsessive Schwärmerei für die um etliche Jahre ältere Schwester Victoria an. Sein Versuch, ein normales Leben und eine glückliche Ehe zu führen, scheitert aber am immer drängender werdenden Verlangen, die verbotenen Fantasien auszuleben. So bleibt der Fotograf nicht nur auf fremden Festen der Außenstehende, sondern ist auch in seinem eigenen Leben nur Statist.

Es gibt wunderbar sensible bis skurrile Beispiele für den Umgang mit dem Thema Inzest: Ian McEwans „Der Zementgarten“ etwa oder John Irvings gewaltiges „Hotel New Hampshire“. Diesen Größen kann Watson nicht das Wasser reichen. Dafür ist sein Wortschatz zu begrenzt und phasenweise banal – etwa wenn die Augen der angebeteten Victoria zum fünfzigsten Mal „funkeln“.

Dennoch hat das Buch auch seine guten Momente. Es richtet einen liebevoll-kritischen Blick auf eine dysfunktionale Familie und vermittelt Empathie für das Dilemma eines Menschen, für den sich das moralisch Verwerfliche anfühlt, als wäre es das Natürlichste der Welt. es

Mark Watson: „Überlebensgroß“ Übersetzt von Friedrich Mader. Heyne, 397 Seiten, 20,60 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2012)

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